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E-Book, Deutsch, 201 Seiten

Schäfer Zwei Götter im Himmel

Gottesvorstellungen in der jüdischen Antike

E-Book, Deutsch, 201 Seiten

ISBN: 978-3-406-70413-0
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



"Menschensohn", "Sohn des Höchsten", "Erstgeborener vor aller Schöpfung": Schon das frühe Judentum hatte viele Namen für einen zweiten Gott im Himmel. Peter Schäfer zeigt, wie diese Vorstellung von Rabbinen und jüdischen Mystikern über Jahrhunderte weiterentwickelt wurde. Sein bahnbrechendes Buch lässt uns das gängige Bild von einem jüdischen Monotheismus gründlich überdenken.
Archäologen haben nachgewiesen, dass der jüdische Gott lange zusammen mit einer Gefährtin verehrt wurde – trotz aller Kritik der Bibel an anderen Göttern. Aber auch in der Bibel selbst finden sich zahlreiche Spuren einer zweiten, jüngeren Gottheit, an die das Christentum anknüpfen konnte. Peter Schäfer beschreibt anhand von bisher kaum beachteten antiken Quellen, wie das Judentum auf diese Aneignung des zweiten Gottes durch die Schwesterreligion reagiert hat: Teils wurde der zweite Gott verworfen, teils wurde die alte Vorstellung von zwei Mächten im Himmel aber auch wieder aufgegriffen, so dass das frühe Christentum und das rabbinische Judentum um den zweiten Gott neben dem Schöpfergott konkurrierten. Souverän und immer an den Quellen orientiert gelingt es Peter Schäfer in seinem wunderbar klar geschriebenen Buch, unsere Vorstellungen von Monotheismus, Judentum und Christentum grundstürzend zu verändern.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;201
4;Über den Autor;201
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Einführung: Ein Gott?;7
7.1;Erster Teil: Das Judentum des Zweiten Tempels;23
7.1.1;1. Der Menschensohn in der Vision Daniels;25
7.1.2;2. Die personifizierte Weisheit in der Weisheitsliteratur;31
7.1.3;3. Der vergöttlichte Mensch im Selbstverherrlichungshymnus aus Qumran;40
7.1.4;4. Der Sohn Gottes und Sohn des Höchsten im Daniel-Apokryphon aus Qumran;45
7.1.5;5. Der Menschensohn Henoch in den Bilderreden des Äthiopischen Henochbuchs;52
7.1.6;6. Der Menschensohn-Messias im 4. Buch Esra;61
7.1.7;7. Der Erstgeborene im Gebet des Joseph;66
7.1.8;8. Der Logos bei Philo von Alexandria;69
8;Überleitung: Vom Vorchristlichen zum Nachchristlichen Judentum;73
8.1;Zweiter Teil: Das Judentum der Rabbinen und der Frühen Jüdischen Mystik;77
8.1.1;1. Der Menschensohn im Midrasch;78
8.1.2;2. Der Menschensohn-Messias David;89
8.1.2.1;Babylonischer Talmud;89
8.1.2.2;David-Apokalypse;98
8.1.2.3;Ephrem der Syrer und Johannes Chrysostomus;106
8.1.3;3. Vom Menschen Henoch zum Kleinen Gott Metatron;109
8.1.3.1;Der biblische Henoch in Genesis 5;109
8.1.3.2;Die außerbiblische Überlieferung in den drei Henochbüchern;111
8.1.3.3;Die Degradierung Henochs durch die Rabbinen;113
8.1.3.4;Die Rezeption Henochs im Christentum;115
8.1.3.5;Henoch wird Metatron;119
8.1.3.6;Metatron und der «Häretiker» Elischa ben Avujah/Acher;125
8.1.3.7;Akatriel ist Metatron und Gott;133
8.1.3.8;Die Polemik des Talmuds gegen Metatron;138
9;Schluss: Zwei Götter;151
10;Anhang;157
10.1;Abkürzungen;159
10.2;Anmerkungen;161
10.3;Literatur;183
10.4;Register der Personen und Sachen;189
10.5;Stellenverzeichnis;195


EINFÜHRUNG Ein Gott?
Zu den beliebtesten Klischees nicht nur der jüdischen und christlichen Theologie, sondern auch des religiösen Volksglaubens gehört die Annahme, dass das Judentum die klassische Religion des Monotheismus ist, das diesen, wenn es ihn schon nicht erfand, dann doch wenigstens endgültig durchgesetzt hat.[1] Nichts fasst diese Grundannahme besser zusammen als das Bekenntnis in Deuteronomium 6,4, «Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einziger Gott», das als Schema‘ Jisrael zum feierlichen täglichen Gebet wurde, mit dem nicht wenige jüdische Märtyrer in den Tod gingen. Das Christentum, so wird diese Erzählung weitergeführt, übernahm diesen jüdischen Monotheismus, erweiterte ihn aber bald durch die Vorstellung von der Menschwerdung des göttlichen Sohnes, des Logos, und weichte ihn schließlich durch die Lehre von den drei göttlichen Personen, der Trinität, vollends auf. Damit sei das Judentum gezwungen worden, sich umso stärker auf den abstrakten Begriff des einen und einzigen Gottes zu beschränken. Dieser konnte dann leicht zur Karikatur des immer weiter in die Ferne gerückten Gottes des Alten Bundes verkommen, gegen den sich die Botschaft des Neuen Bundes umso strahlender absetzen ließ. Das Judentum habe die ihm zugedachte Rolle notgedrungen übernommen, da es niemals zu einem ernsthaften, geschweige denn gleichberechtigten Dialog von Mutter- und Tochterreligion gekommen sei. Wir wissen heute, dass so ziemlich nichts an diesem Idealbild einer historischen Überprüfung standhält. Manches an möglichen Einwänden ist inzwischen allgemein anerkannt, anderes wird noch diskutiert und ist heftig umstritten. Was den biblischen Monotheismus betrifft, so lässt sich heute in allen einschlägigen Handbüchern nachlesen, dass dieser eher ein religionsgeschichtlicher Idealtyp ist als eine historisch überprüfbare Realität.[2] Der Begriff «Monotheismus» ist ein modernes, erstmals 1660 bei dem englischen Philosophen Henry More nachweisbares Kunstwort, mit dem dieser den ideellen Höhepunkt des Gottesglaubens charakterisierte. Er spielte bis ins zwanzigste Jahrhundert eine zentrale Rolle in zwei gegenläufigen Modellen der Entwicklung von Religionen: Entweder galt der Monotheismus als unüberholbarer Endpunkt einer langen Kette von Religionen, die in grauer Urzeit mit allen möglichen «primitiven» Formen begann, um sich dann zu immer «reineren» Formen zu vergeistigen (Evolutionsmodell), oder er war im Gegenteil die ursprüngliche ideale Form von Religion, die im Laufe der Geschichte immer stärker degenerierte und sich schließlich in polytheistischer Vielfalt verlor (Dekadenzmodell). Beide Modelle sind religionsgeschichtlich längst obsolet. Der Monotheismus steht weder am Anfang von «Religion», noch bildet er den End- und Höhepunkt einer linearen Entwicklung. Sinnvoller ist ein dynamisches, auf Werturteile verzichtendes Modell mit den beiden Polen «Monotheismus» und «Polytheismus», zwischen denen sich zahlreiche Konfigurationen und Kombinationen zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen geographischen Räumen herausbilden. Dies bedeutet auch, dass der jüdische Monotheismus nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte der Hebräischen Bibel[*1] «erreicht» wurde, um danach nur noch gegen Angriffe von «außen» verteidigt zu werden. Auch dieses lineare Entwicklungsmodell ist überholt. Die Bibelwissenschaftler zeichnen heute ein sehr vielschichtiges Bild von der Gottesvorstellung des Alten Israel, in der verschiedene Götter nebeneinanderstehen und miteinander konkurrieren. Israels eigener Gott JHWH[*2] musste sich nicht nur gegen zahlreiche potente Geister und Dämonen behaupten, sondern sich vor allem auch gegen die Götter des ugaritischen und kanaanäischen Pantheons mit dem alten Gott El an der Spitze und dem ihm untergeordneten jungen Kriegsgott Ba‘al durchsetzen. Die Strategie der Autoren und Redaktoren der Hebräischen Bibel, die konkurrierenden Götter in JHWH aufgehen zu lassen,[3] hatte nicht immer Erfolg. Vor allem die Ba‘alsverehrer erwiesen sich als resistent dagegen, wie der Kampf des Propheten Elia gegen den von König Ahab geforderten Kult des Ba‘al im neunten Jahrhundert v. Chr. zeigt (1 Kön. 18). Noch der Prophet Hosea sieht sich im achten Jahrhundert v. Chr. genötigt, gegen die Ba‘alsverehrung auf den Kulthöhen des Landes vorzugehen (Hos. 2). Vollends problematisch wird das Ideal des biblischen Monotheismus, wenn wir berücksichtigen, wie unbefangen dem biblischen Gott lange auch eine Gemahlin zugeordnet werden konnte. Die aus der judäischen Königszeit stammenden Inschriften von Kuntillet Ajrud in der Nähe der Straße von Gaza nach Elat erwähnen JHWH als den Gott Israels zusammen mit seiner Aschera.[4] Diese Aschera ist eine wohlbekannte kanaanäische Göttin und auch in der Bibel als Gattin Ba‘als belegt (1 Kön. 18,19). Ihr Kultbild wurde in den Königreichen Juda und Israel verehrt, ja sogar von König Manasse im JHWH-Tempel zu Jerusalem aufgestellt.[5] Die biblischen Erzählungen, die triumphierend von der gelungenen Zerstörung dieser Kultbilder berichten, können nicht verdecken, dass dieser Kult weiterhin verbreitet war und immer wieder auflebte. Noch im fünften Jahrhundert v. Chr. hören wir von jüdischen Söldnern, die in der ägyptischen Grenzfestung Elephantine siedelten und dort nicht nur ihren eigenen Tempel bauten (trotz des angeblich einzigen Heiligtums in Jerusalem), sondern darin neben ihrem Gott Jahu (JHW) auch zwei Göttinnen verehrten – und dies mehr als zwei Jahrhunderte lang, ohne dass die Jerusalemer Tempelgemeinde dagegen vorgehen konnte oder wollte. Der Konflikt zwischen einer Theologie, die nur JHWH als Gott anerkennen wollte, und einer religiösen Tradition mit vielen Göttinnen und Göttern spitzte sich in der durch das babylonische Exil ausgelösten Krise zu. Während der mit JHWH konkurrierende «Engel des Herrn» (Ex. 23,20–33), der in den rabbinischen Auslegungen eine große Rolle spielen sollte,[6] von der Bibelwissenschaft in einer früheren Schicht der Hebräischen Bibel verortet wird, gehört der ungeschützte Plural in der ersten Schöpfungsgeschichte – «Dann sprach Gott: Lasst uns einen Menschen machen in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis» (Gen. 1,26) – zur Priesterschrift, die wahrscheinlich während des Exils entstand. Deswegen mag es wohl zutreffen, dass der Schöpfungsbericht der Priesterschrift trotz des Plurals im Munde desselben Gottes ein «monotheistisches Bekenntnis» impliziert,[7] doch war dieses Bekenntnis, wie noch die Rabbinen in der Auseinandersetzung mit ihren christlichen, gnostischen oder auch innerjüdischen Gegnern erleben mussten,[8] alles andere als unangefochten. Dasselbe gilt für die Schriften der Apokalyptik und der Weisheitsliteratur des nachexilischen Judentums des Zweiten Tempels, die der kanonischen und vor allem auch der nichtkanonischen Literatur zugerechnet werden und denen der erste Teil dieses Buchs gewidmet sein wird. Hier geht es nicht nur um eine Angelologie, die sich gewissermassen als «Pufferzone» zwischen die angebliche «Ferne des immer transzendenter werdenden Gottes» und sein irdisches Volk Israel schiebt,[9] sondern viel direkter und handfester um die Rückkehr zwar nicht vieler, aber doch immerhin zweier Götter in den jüdischen Himmel. Nicht minder problematisch an dem oben skizzierten Idealbild ist die Rolle, die dem Christentum und dem gleichzeitig mit dem Christentum sich etablierenden rabbinischen Judentum[*3] zugedacht ist. Kein Zweifel, das Christentum des Neuen Testaments und der Kirchenlehrer der ersten nachchristlichen Jahrhunderte übernahm den jüdischen Monotheismus – aber keinen «reinen» und zu ewiger Vollkommenheit gereiften Monotheismus, sondern eben den «Monotheismus», der sich in der nachexilischen Epoche in den jüngeren kanonischen Schriften der Hebräischen Bibel wie auch den nichtkanonischen Schriften, den sogenannten Apokryphen[*4] und Pseudepigraphen,[*5] herausgebildet hatte. An diese im Judentum vorgegebenen Traditionen knüpfte das Neue Testament an, erfand sie nicht neu, sondern vertiefte und erweiterte sie. Die Erhöhung des Jesus von Nazareth als des Erstgeborenen vor aller Schöpfung, des menschgewordenen Gottes, des Sohnes Gottes, des Menschensohns, des Messias – alle diese christologischen Grundaussagen sind keine heidnischen oder sonstigen Verirrungen, sondern wurzeln im Judentum des Zweiten Tempels, ungeachtet ihrer spezifisch christlichen Prägungen. Daran ändert auch die Tatsache...


Peter Schäfer ist Direktor des Jüdischen Museums Berlin. Zuvor hat er Judaistik an der Princeton University und der Freien Universität Berlin gelehrt. Als einziger Wissenschaftler wurde er sowohl mit dem Leibnizpreis der DFG als auch mit dem hochdotierten Mellon Award ausgezeichnet.


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