Scherer / Holler | Strategien der Integration und Isolation nicht-nativer Einheiten und Strukturen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 532, 245 Seiten

Reihe: Linguistische Arbeiten

Scherer / Holler Strategien der Integration und Isolation nicht-nativer Einheiten und Strukturen

E-Book, Deutsch, Band 532, 245 Seiten

Reihe: Linguistische Arbeiten

ISBN: 978-3-11-023432-9
Verlag: De Gruyter
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Die Entlehnung sprachlicher Einheiten ist ein Phänomen, das in Wissenschaft und Öffentlichkeit auf ein breites Interesse stößt. Die Diskussion beschränkt sich jedoch häufig auf die lexikalische Ebene und die Schwierigkeiten bei der Verwendung von sog. Fremdwörtern. Übersehen wird dabei, dass Entlehnungsprozesse nicht auf die Wortebene beschränkt sind und dass es nicht-native Einheiten gibt, die Sprechern trotz ihrer fremden Herkunft keinerlei Probleme bereiten, da sie nativen Mustern entsprechen oder leicht an diese angepasst werden können.
Der Band beleuchtet aus unterschiedlicher theoretischer und methodischer Perspektive die Prozesse, die für die Übernahme sprachlichen Materials relevant sind. Ziel ist es zu klären, auf welche Weise nicht-native Einheiten und Strukturen in eine Nehmersprache integriert werden bzw. unter welchen Bedingungen sie isoliert bleiben. In insgesamt zwölf Beiträgen zu verschiedenen Sprachen werden Integrations- bzw. Isolationsprozesse von lexikalischen Einheiten sowie von Einheiten unterhalb und oberhalb der Wortebene untersucht. Neben phonologischen, graphematischen und morphologischen Aspekten nicht-nativer Einheiten wird insbesondere die Integration syntaktischer und semantischer Strukturen thematisiert.
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Weitere Infos & Material


1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Einleitung;8
3;Die Schreibung nicht-nativer Einheiten in einer Schriftsystemtheorie mit einem mehrschichtigen Wortschatzmodell
;18
4;o.k. [o'ke:] und k.o. [ka'o:] Zur lautlichen und graphischen Integration von Anglizismen im Deutschen
;38
5;Predicting Adaptation Patterns: Multiple Sources of Hebrew Vowels in English Loanwords
;58
6;Genusschwankung bei der Integration von englischen Lehnwörtern im Deutschen und Polnischen
;72
7;Fremde Wörter – fremde Strukturen Durch Fremdwörter bedingte strukturelle Veränderungen im Deutschen
;94
8;Integration und Isolation von suffixverdächtigen Fremdwörtern – das Deutsche in typologischer Perspektive
;112
9;Warum die Unterscheidung fremd–nativ in der deutschen Wortbildung nicht obsolet ist
;130
10;Kontaktbedingte Veränderung der Hilfsverbselektion im Cimbro Ergebnisse einer Pilotstudie
;150
11;Von Bush administration zu Kohl-Regierung: Englische Einflüsse auf deutsche Nominalkonstruktionen?
;172
12;Zur Argumentstruktur entlehnter Verben;190
13;Loan Words Get-by with A Little Help from Do;206
14;Zum Erkennen von Anglizismen im Deutschen: der Vergleich einer automatisierten und einer manuellen Erhebung
;230


Agnes Kolmer


Kontaktbedingte Veränderung der Hilfsverbselektion im Cimbro Ergebnisse einer Pilotstudie (S. 143-144)


1. Einleitung


In diesem Beitrag steht ein Phänomen des kontaktbedingten grammatischen Wandels im Mittelpunkt, das in der deutschen Minderheitensprache Cimbro, die in dem Dorf Luserna (Trentino, Italien) gesprochen wird, vorkommt. Es handelt sich dabei um Veränderungen, die in der Hilfsverbselektion zur Bildung des Perfekts festzustellen sind, konkret um den allmählichen Übergang von HABEN zu SEIN als Hilfsverb zur Bildung der periphrastischen Vergangenheitsform von Verben in reflexiven Konstruktionen. Es werden Ergebnisse einer Pilotstudie präsentiert, die im Winter 2007 in Luserna durchgeführt wurde, und es wird die Diachronie der Entwicklung nachgezeichnet. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit der untersuchte Wandel, der im Cimbro bei der jüngeren Sprechergeneration zu einer Generalisierung von SEIN als Perfekt- Auxiliar in reflexiven Konstruktionen führt, als ein kontaktinduzierter Sprachwandelprozess und als ein Fall von grammatischer Entlehnung aufzufassen ist. Die im Cimbro zu beobachtenden Veränderungen im Bereich der Hilfsverbselektion werden schließlich mit der Frage nach dem syntaktischen Status von Pronominalklitika in Zusammenhang gebracht.


1.1. Das Cimbro von Luserna


Beim Cimbro von Luserna handelt es sich um einen deutschen Sprachinseldialekt, der auf spätmittelalterliche Siedlungsmaßnahmen zurückzuführen ist. “Zimbrisch” ist die Bezeichnung für eine Gruppe deutscher Varietäten, die in den norditalienischen Provinzen Trentino und Veneto im 18. Jahrhundert noch von mehreren tausend Menschen gesprochen wurde (vgl. Rowley 1996). Es handelt sich dabei um auf dem Südbairischen basierende Siedlungsmundarten, die ursprünglich in Ortschaften verbreitet waren, die im Westen vom Vallagarina und im Norden vom Valsugana begrenzt sind. Diese deutschsprachigen Minderheiten im Trentino und Veneto gehen auf systematische Siedlungen ab dem 12. Jahrhundert zurück. Zimbrische Dialekte waren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in den sogenannten Dreizehn Gemeinden in den Lessinischen Alpen, in den sogenannten Sieben Gemeinden auf der Hochebene von Asiago und auf den Hochebenen von Folgaria und Lavarone verbreitet. Heute lebt das Zimbrische nur noch in Luserna, das ca. 200 permanent im Dorf lebende Einwohner zählt. In Anlehnung an die italienischsprachige Bezeichnung der Sprecher selbst nenne ich den deutschen Dialekt Cimbro. Luserna ist eine Tochtersiedlung, die im 16. Jahrhundert von dem ca. 10 km entfernt liegenden Ort Lavarone aus gegründet wurde (vgl. Mastrelli-Anzilotti 1994). In Luserna setzte, wie in den anderen Siedlungen schon Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte zuvor, in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts der allmähliche Sprachwechsel zum Italienischen ein. Die Kinder, die seit den 70er Jahren aufgewachsen sind, erwarben den deutschen Dialekt nicht mehr auf die gleiche selbstverständliche Weise als Erstsprache wie die Generation ihrer Eltern. Mittlerweile gibt es, dank der Unterstützung durch die Autonome Provinz Trentino-Alto Adige, vielfältige Bemühungen, den Sprachwechsel aufzuhalten.

Die Daten, die hier das Cimbro repräsentieren, sind, wenn nicht anders angegeben, einem Korpus entnommen, das während mehrerer Feldforschungsaufenthalte (2000, 2001, 2007) von mir erstellt wurde. Es enthält sowohl freie Erzählungen als auch elizitierte Einzelsätze. Es repräsentiert die Redeweise von kompetenten Sprecherinnen und Sprechern des Cimbro. Diese sind zwar unterschiedlichen Altersgruppen zuzuordnen, es handelt sich bei ihnen jedoch nicht um “semi-speakers” oder “rusty speakers”.


Carmen Scherer, Universität Mainz; Anke Holler, Universität Göttingen.


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