Schneider | Lehrbuch Moderne Familiensoziologie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 327 Seiten

Schneider Lehrbuch Moderne Familiensoziologie

Theorien, Methoden, empirische Befunde

E-Book, Deutsch, 327 Seiten

ISBN: 978-3-8463-8409-1
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Namhafte Autorinnen und Autoren geben einen fundierten Überblick über Theorien, Methoden und empirische Befunde der gegenwärtigen familiensoziologischen Forschung. Die Einführungenthält vielfältige vertiefende Informationen zum Wandel und zur aktuellen Situation der Familie in Deutschland und Europa.
Ein unentbehrliches Lehr- und Nachschlagewerk für Studierende, Expertinnen und Experten der Familiensoziologie, aber auch für die Praxis – also die zeitgemäße Grundlegung für AnfängerInnen und Fortgeschrittene.
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2 Gegenstand der Familiensoziologie Johannes Huinink 1 Einführung Womit beschäftigt sich die Familiensoziologie, was sind ihre Forschungsthemen und Fragestellungen? Bevor man sich intensiver mit den Theorien und empirischen Untersuchungen der Familiensoziologie beschäftigt, ist es sinnvoll, sich zunächst einmal einen Überblick über ihren gesamten Gegenstandsbereich zu verschaffen. Das soll in diesem Beitrag geschehen. Die Hauptthemen der Familiensoziologie werden auf der Grundlage einer sinnvollen Systematik vorgestellt und erläutert. Dabei werden auch einige aktuelle Thesen präsentiert und punktuelle Einblicke in die Praxis der familiensoziologischen Forschung gegeben. 1.1 Was ist eine Familie? Will man den Gegenstand der Familiensoziologie bestimmen, muss man zunächst klären, welche sozialen Phänomene mit dem Begriff der Familie bezeichnet werden.3 Die Zahl der Familienkonzepte und Definitionsvorschläge ist groß (vgl. etwa Nave-Herz 2004; Lenz 2003; vgl. den Beitrag von Schneider in diesem Band). Für den Zweck der Gegenstandsbestimmung der Familiensoziologie in diesem Beitrag schlage ich pragmatisch und relativ formal eine Charakterisierung der Familie als eine besondere Form sozialer Beziehungsstrukturen vor. Für die Familie als soziale Beziehungsstruktur ist konstitutiv, dass ihre Mitglieder direkt oder vermittelt über Eltern-Kind-Beziehungen miteinander verbunden sind. Die wichtigste Verbindung ist die Elternschaftsbeziehung selbst, eine besondere soziale Beziehung zwischen in der Regel erwachsenen Personen und „ihrem“ Kind, die grundsätzlich immer auch sozialrechtlich bestimmt ist. Dabei stellt die leibliche Elternschaft weder eine notwendige noch eine hinreichende Voraussetzung für deren Existenz dar. Die Elternschaft qua Adoption, Stiefelternschaft oder Pflegeelternschaft (soziale Elternschaft) gehören ebenfalls dazu. Weitere, aber nicht notwendig vorhandene soziale Beziehungen in einer Familie sind: die Paarbeziehung zwischen den Elternteilen, die Beziehungen zwischen (Ur-)Großeltern und (Ur-)Enkeln und die Geschwisterbeziehungen. Diese sozialen Beziehungen sind indirekt über eine oder mehrere Eltern-Kind-Beziehungen vermittelt: Eltern stehen in einer Eltern-Kind-Beziehung zum selben Kind, Großeltern sind die Eltern der Eltern der Enkel, Geschwister stehen in einer Eltern-Kind-Beziehung zu denselben Eltern. |23? ?24| Eine Familie ist also eine Beziehungsstruktur oder auch soziale Gruppe, deren Mitglieder durch eine Eltern-Kind-Beziehung oder durch eine der genannten, indirekt über Eltern-Kind-Beziehungen vermittelten Formen sozialer Beziehungen miteinander verbunden sind, unabhängig davon, ob sie in einem gemeinsamen Haushalt leben oder nicht .4 Sie kann sich, etwa im Fall einer Familie, deren Mitglieder drei Generationen (Großeltern, Eltern, Kinder und Enkelkinder) angehören, aus Teilstrukturen zusammensetzen, die ihrerseits schon eine Familie darstellen. Die Eltern der mittleren Generation (zweite Generation), die selber noch Eltern haben (erste Generation), bilden mit ihren Kindern (dritte Generation) eine solche (Teil-)Familie. Wenn sie mit den Kindern in einem Haushalt zusammenleben, spricht man dann auch von einer Kernfamilie. Allgemein bezeichnen wir als Haushaltsfamilie den Teil einer Familie, der in einem Haushalt zusammen lebt. Diese einfache Konstruktion eines Familienbegriffs erlaubt es, sehr komplexe Konstellationen von Familienformen und Mitgliedschaftsverhältnissen zu erfassen.5 Je nach der personellen Zusammensetzung der Familie, dem Familienstand und der Lebensform der Eltern sowie der Art der Eltern-Kind-Beziehung kann man eine Vielzahl von Familienformen unterscheiden und begrifflich benennen, wie Zwei- oder Dreigenerationenfamilien, Alleinerziehende, Stieffamilien, nichteheliche Familien oder auch „multilokale Mehrgenerationenfamilien“ (Bertram 2002). Sie werden hier aber nicht im Einzelnen vorgestellt. Es sei nur erwähnt, dass Familienformen als eine Teilmenge der Lebensformen von Menschen anzusehen sind, die allgemeiner als „relativ stabile Beziehungsmuster der Bevölkerung im privaten Bereich“, die „allgemein mit Formen des Alleinlebens oder Zusammenlebens (mit oder ohne Kinder) beschrieben werden können“ verstanden werden (Niemeyer/Voit 1995: 437). Familienbeziehungen und Mitgliedschaften in einer Familie sind nicht unveränderlich oder unauflöslich. Elternschaftsbeziehungen etwa können formal enden – z.B. durch Adoption eines Kindes durch andere Personen, womit dieses in eine andere Familie wechselt. Der soziale Kontakt zu ihm muss dann nicht unbedingt unterbrochen sein. Familienmitgliedschaften und -strukturen verändern sich aber häufiger dadurch, dass die Paarbeziehung der Eltern wegen einer Trennung und Scheidung endet. Der eine oder andere Elternteil kann danach eine neue Paarbeziehung beginnen. Die Beziehung zwischen einem Kind und den beiden Elternteilen, die sich getrennt haben, bleibt in der Regel als Elternschaftsbeziehung bestehen. Je nach Verlauf des Trennungsprozesses können die sozialen Beziehungen zwischen Elternteilen und dem Kind oder zwischen den Eltern erhalten bleiben oder aufgelöst werden, neue Konstellationen sozialer Elternschaft können entstehen. Das Kind, so könnte man schließen, gehört nun unter Umständen gleichzeitig mehreren Familien an – immerhin eine sehr treffende Metapher zur Beschreibung der mitunter schwierigen Lebenssituation von Scheidungskindern. Doppelmitgliedschaften in Familien sind durchaus eine Normalität, wenn man sich nicht auf Haushaltsfamilien beschränkt. Man denke an Großeltern mit zwei und mehr Kindern, die von diesen Enkelkinder haben. |24? ?25| Man erkennt, dass angesichts der sehr komplizierten Konstellationen, die durch die Dynamik und den Wandel von Familienbeziehungen hervorgerufen werden, das hier eingeführte Verständnis von Familie(nzugehörigkeit) in der Forschung weiter ausdifferenziert werden muss. So wird explizit zwischen den konkreten sozialrechtlichen und sozialen Kriterien bei der Bestimmung von Familienbeziehungen zu unterscheiden sein. Es ist dann eine Sache der Fragestellung, wie die sozialrechtlichen Aspekte sozialer Beziehungen innerhalb einer Familie, die tatsächlich gelebten Interaktionsbeziehungen („gelebte Familie“) und das Verhältnis dieser beiden Dimensionen zueinander zu einem adäquaten Familienverständnis integriert werden. Die damit zusammenhängenden Fragen können in diesem Beitrag nicht weiter erörtert werden. 1.2 Eine Systematik für die familiensoziologischen Forschungsfelder Die Familiensoziologie beschäftigt sich mit der Herstellung, Ausgestaltung und Auflösung von Familienbeziehungen (Paarbeziehung der Eltern, Eltern-Kind-Beziehungen, (Ur-)Großeltern-, (Ur-)Enkelkind-Beziehungen, Geschwisterbeziehungen) und den sozialen Strukturen und Verhaltensmustern, welche die soziale Interaktion zwischen den Familienmitgliedern prägen. Sie untersucht das Wechselverhältnis der Familien mit wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Teilsphären in der Gesellschaft, ihren sozialen Institutionen, den lokalen Lebensbedingungen und den individuellen Lebensläufen der Menschen. „Die Familiensoziologie trägt damit zu einer umfassenden Diagnose über den Zustand eines zentralen Lebensbereichs der Menschen bei und kann darauf aufbauend Vorschläge zur Gestaltung gesellschaftlicher Bedingungen machen, um den Bedürfnissen der Menschen in Bezug auf die Ausgestaltung ihrer Lebensformen sowie den Anforderungen des Familienlebens besser gerecht zu werden“ (Huinink/Konietzka 2007: 12). Traditionell sind auch kinderlose Paarbeziehungen, die nach unserer Definition nicht als Familien gelten, Forschungsgegenstand der Familiensoziologie.6 Für eine detaillierte Systematik zum Gegenstand der Familiensoziologie werden in der Literatur unterschiedliche Betrachtungsperspektiven vorgeschlagen. In der Tradition der deutschen Familiensoziologie der Nachkriegszeit hebt René König zwei „Grundbetrachtungsweisen der Familie“ (König 1976: 27ff.) hervor. Erstens kann man Familie danach aus der makroanalytischen Perspektive gleichsam als soziologischen Tatbestand oder als soziale Institution untersuchen. Das ist das Programm einer „Makrosoziologie der Familie“. Sie beschäftigt sich mit der Rolle der Familie in der Gesellschaft und mit der Beziehung der Familie zum Staat mit seinen sozialrechtlichen Regelungen, die zum Teil für die Familie konstitutiv sind, sowie zu anderen Bereichen der Gesellschaft (Gemeinde, Wirtschaft, Öffentlichkeit, Kultur). Der Wandel von Familien und Familienformen wird als Teil des gesellschaftlichen Wandels erforscht. Zweitens kann man, so König, die Familie auch als die soziale Interaktionsstruktur von Individuen analysieren, als die ich sie eingangs charakterisiert habe. König spricht hier von der „Mikrosoziologie der Familie“. Sie beschäftigt sich mit den Beziehungs- und Rollenmustern innerhalb der Familie. Die Systematik von König kann als Ausgangspunkt dienen, ist aber zu ergänzen. Die Perspektive des Individuums, das in eine Familie hineingeboren wird, sich darin orientiert |25? ?26| und sich im Verlauf seines Lebens begründet dafür oder dagegen entscheidet, eigene Kinder zu haben, wird von König unterbelichtet. Während er – ohne die Bedeutung der individuellen Akteure zu leugnen – denn auch meint, dass die Beschäftigung mit der „Person und der Persönlichkeitsdynamik in ganz andere Wissenschaftsgebiete ableitet“ (ebd.: 27), scheint es gerechtfertigt, ja notwendig zu...


Schneider, Norbert F.
Prof. Dr. Norbert F. Schneider ist Direktor des Bundesinstitutes für Bevölkerungs- forschung (BiB) in Wiesbaden und Gastprofessor im Bereich Familiensoziologie am Institut für Soziologie der Universität Mainz.

Prof. Dr. Norbert F. Schneider ist Direktor des Bundesinstitutes für Bevölkerungs- forschung (BiB) in Wiesbaden und Gastprofessor im Bereich Familiensoziologie am Institut für Soziologie der Universität Mainz.


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