Schöllgen / Schröder | Letzte Chance | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Schöllgen / Schröder Letzte Chance

Warum wir jetzt eine neue Weltordnung brauchen

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-641-27260-9
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



»Der Westen hatte seine Zeit. Sie war gut. Sie war politisch erfolgreich. Aber sie ist vorbei.« Der Historiker Gregor Schöllgen und Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder mit einem thesenstarken Appell
Der Westen liegt im Koma. Paralysiert und apathisch verfolgen Europäer und Amerikaner die weltweite epidemische Zunahme von Krisen, Kriegen und Konflikten aller Art. Das hat seinen Grund: Die Staaten der westlichen Welt, die es so gar nicht mehr gibt, sitzen in überlebten Strukturen fest und bekommen jetzt die Quittung für die Fehler der Vergangenheit. Die Folgen sind fatal. Gregor Schöllgen und Gerhard Schröder fragen, wie es dahin kommen konnte. Und sie sagen, wie es weitergehen muss. Mit Europa und der NATO, mit Russland und mit China, mit den Staaten der südlichen Halbkugel und nicht zuletzt mit Deutschlands Rolle in der Welt. Das Buch verbindet den analytischen Blick des Historikers mit dem gestaltenden Zugriff des Politikers. Es ist das Ergebnis eines Gesprächs, das die beiden seit vielen Jahren führen.
»Der Westen hatte seine Zeit. Sie war gut. Sie war politisch erfolgreich. Aber sie ist vorbei.«Krisen, Kriege, Konflikte: Warum der Westen jetzt die Quittung für die Fehler der Vergangenheit bekommt

Gregor Schöllgen, Jahrgang 1952, war von 1985 bis 2017 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen und in dieser Zeit auch für die historische Ausbildung der Attachés im Auswärtigen Amt verantwortlich. Er lehrte in New York, Oxford und London und war unter anderem Mitherausgeber der Akten des Auswärtigen Amtes sowie des Nachlasses von Willy Brandt. Gregor Schöllgen konzipiert historische Ausstellungen und Dokumentationen, schreibt für Presse, Hörfunk und Fernsehen und ist Autor zahlreicher populärer Sachbücher und Biographien.
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PROLOG
Wo wir stehen
Es sieht nicht gut aus. Nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Globus von derart vielen Krisen überzogen. Beunruhigend sind nicht nur ihre schiere Zahl, sondern auch die vielfältigen Ursachen und Verlaufsformen und nicht zuletzt die mittelbaren oder auch direkten Verbindungen, die es zwischen vielen gibt. Umgekehrt bedeutet das: Der Kreis der vergleichsweise krisenfreien und vor allem der befriedeten Weltgegenden ist seit dem Zusammenbruch der alten Weltordnung vor nunmehr 30 Jahren kontinuierlich geschrumpft. Wenn man den Begriff der Krise angemessen weit fasst, also nicht nur militärische Konflikte aller Art in den Blick nimmt, dann sind diese Zonen heute lediglich noch ein paar Inseln im Krisenkosmos. Solche Inseln sind Nordamerika und Europa. Wie lange das so bleiben wird, vermag niemand sicher zu sagen. Klimawandel, Ressourcenschwund und Epidemien machen nicht an Grenzen Halt. Der Terrorismus hat den Westen nicht erst 2001 heimgesucht. Die Folgen von Krieg und Bürgerkrieg in Afrika oder im Nahen und Mittleren Osten haben inzwischen auch Europa fest im Griff. Unter dem Strich muss man bilanzieren, dass der europäische Handlungsspielraum nach dem Ende des Kalten Krieges nicht etwa gewachsen, sondern in praktisch jeder Hinsicht empfindlich geschrumpft ist. Das ist auch die Quittung für ein kollektives Versagen. Wenn die substantielle Abtretung nationalstaatlicher Souveränität die Voraussetzung für eine Gemeinschaft ist, die diesen Namen verdient, dann hat es der alte Kontinent bis heute nicht geschafft, sich als politische, wirtschaftliche und militärische Union aufzustellen. Was Anfang der fünfziger Jahre als Gemeinschaft für Kohle und Stahl begann und sich seit fast 30 Jahren euphemistisch »Europäische Union« nennt, blieb Stückwerk und Kompromiss. Die Folgen sind fatal. In einer Zeit, in der Europa gefordert ist, aus präventiven, ökonomischen, humanitären oder anderen Gründen auch auf anderen Kontinenten militärisch zu intervenieren, und gefordert sein könnte, sich an seinen Grenzen gegen Gefahren aller Art zu verteidigen, wäre eine einsatzfähige europäische Armee das Gebot der Stunde. Aber die ist nicht nur nicht in Sicht, sondern Europa ist bei größeren militärischen Unternehmen sogar von anderen, sprich von der NATO und damit von den Vereinigten Staaten von Amerika, abhängig. Das ist eine delikate Konstellation. Denn die NATO wurde im Kalten Krieg und für die spezifischen Herausforderungen jener Epoche gegründet. In diesen gut vier Jahrzehnten war sie eines der erfolgreichsten Militärbündnisse aller Zeiten – weil sie nie den Bündnisfall ausrufen musste und weil der globale Gegner, die Sowjetunion und ihre Verbündeten, am Ende fast geräuschlos von der weltpolitischen Bühne abtraten. Obgleich der Sinn und Zweck der NATO damit erfüllt waren, blieb sie nach 1991 nicht nur bestehen, sondern dehnte sich geographisch und militärisch noch weiter aus. Und das hatte wiederum weitreichende Folgen. Die USA behielten ihre militärische Vorherrschaft sowie ihre politische Vormundschaft in und über Europa. Daran haben seit 1991 alle amerikanischen Präsidenten festgehalten. Einige wie George H. W. Bush, Bill Clinton oder Barack Obama taten das diplomatischer, wenn auch in der Sache nicht minder bestimmt als George W. Bush oder vor allem Donald Trump. Joe Biden wird wohl wieder einen verbindlicheren Ton gegenüber den Europäern anschlagen; und er wird, wenn es bei seinen Ankündigungen bleibt, in multilaterale Institutionen und Verträge zurückkehren, die gerade auch den Europäern wichtig sind, so die Weltgesundheitsorganisation WHO, das Pariser Klimaschutzabkommen oder auch das Atomabkommen mit dem Iran. Aber an der Europapolitik wird auch dieser Präsident keine grundlegende Kurskorrektur vornehmen. Denn solange es die NATO in ihrer bestehenden Façon gibt, hat Amerika gar keine Veranlassung, seine Wahrnehmung Europas zu ändern, und das wiederum heißt in der Konsequenz auch: Russland bleibt für den Westen der potentielle Gegner, der die Sowjetunion bis zu ihrem Untergang tatsächlich gewesen war. Auf diese schwerwiegende Konsequenz des Weiterbestehens der Atlantischen Allianz hat 2019 mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges öffentlich ein führender politischer Repräsentant des Westens hingewiesen. Man muss kein Hellseher sein, um sich vorstellen zu können, wie diese konzeptionelle Kontinuität im Kreml wahrgenommen wurde, zumal die weltanschauliche von einer massiven politischen, wirtschaftlichen und militärischen Offensive seitens der NATO und der EU begleitet wurde. Dass Russland sich in die Defensive gedrängt sah und dieser Lage durch die Flucht nach vorn zu entkommen suchte, kann auch diejenigen nicht wirklich überraschen, die im Ukrainekonflikt und zumal in der Annexion der Krim zu Recht einen Bruch des Völkerrechts sehen. Wie auch niemand überrascht sein kann, dass Russland den Schulterschluss mit einem Land suchte, das jahrzehntelang ein weltanschaulicher, politischer und Ende der sechziger Jahre sogar auch einmal ein militärischer Gegner gewesen ist. Letztlich führte die Art und Weise, wie der Westen Russland und China behandelte, die beiden zueinander. Zwar wurde die Volksrepublik seit den neunziger Jahren zu einem gefragten Handelspartner, doch löste sich der Westen nie von dem überheblichen Blick, den er sich im 19. Jahrhundert gegenüber China zugelegt hatte: Der Maßstab für den Umgang mit der Volksrepublik wie mit Russland war und ist der eigene. Das hatte Folgen. Auf ihrem hohen Sessel thronend und überwiegend von ihren wirtschaftlichen Interessen geleitet, übersahen namentlich Westeuropäer und Amerikaner jahrelang, dass China, im Ost- und Südchinesischen Meer beginnend, politisch, wirtschaftlich und auch militärisch eine konsequent offensive Politik betreibt. Sehr früh realisierten das hingegen die näheren und mittelbaren Nachbarn des Reichs der Mitte. Denn was immer China tut oder unterlässt, tangiert Korea, Japan, Taiwan, die Staaten Südostasiens, Bangladesch, Indien, Pakistan und nicht zuletzt Afghanistan unmittelbar. Eine brisante Konstellation, schließlich tragen sämtliche Staaten des asiatischen Halbmondes, wie wir diesen Staatengürtel nennen, mit mindestens einem ihrer Nachbarn einen offenen oder latenten Konflikt aus. Mitunter haben diese Konflikte eine jahrzehntelange Vorgeschichte, in der wiederum China nicht selten eine mittelbare oder auch direkte Rolle spielt. Und manche dieser Konflikte, wie der indisch-pakistanische, scheinen heute weiter von einer Lösung entfernt als jemals zuvor. Dass beide zu den Nuklearmächten zählen, macht die Lage noch komplizierter, als sie ohnehin schon ist. Die Lage in diesem Krisengürtel insgesamt ist beunruhigend. Dass er im Westen an ein Pulverfass grenzt, an dem gleich mehrere Lunten brennen, ist alarmierend. Wenn den Iran und den Irak, die Türkei und Syrien etwas verbindet, dann ist es die gemeinsame Gegnerschaft gegen die Kurden, die über diese vier Staaten verteilt leben, aber keinen eigenen Staat und so gesehen auch keine Heimat haben. Dass diese vier Staaten im Übrigen mehr trennt als verbindet, ist nicht zuletzt auch das Ergebnis westlicher Politik und Kriegführung. Ohne westliche Unterstützung hätte der Irak seinen achtjährigen Krieg gegen den Iran kaum überstanden, und ohne die Zertrümmerung des Irak durch eine von Amerika geführte Koalition hätte der Iran in der Region kaum jene führende Rolle erringen können, die ihn heute in die Lage versetzt, nicht nur seine näheren und ferneren Nachbarn in Atem zu halten. Zu den erklärten Zielen Irans gehört die Vernichtung Israels, also eines Staates, der aus der Vernichtung heraus geboren worden ist. Denn ohne die Verfolgung und Ermordung des europäischen Judentums durch Deutschland wäre es 1948 wohl kaum zur Entstehung dieses Staates in Palästina gekommen. Vom Tag seiner Gründung an befand sich der Staat Israel im Konflikt mit jenen Nachbarn, zu deren Lasten er gegründet worden war. Vier Kriege haben Israel auf der einen, Ägypten, Syrien und Jordanien auf der anderen Seite bis 1973 gegeneinander geführt. Zweimal hat Israel danach im Libanon, dreimal im Gazastreifen militärisch interveniert, Dutzende von militärischen Schlägen gegen Ziele, wie zuletzt vor allem in Syrien, nicht mitgerechnet. Dass es trotz einiger ermutigender Schritte in absehbarer Zeit zu einem dauerhaften Frieden kommen wird, glauben selbst Optimisten nicht mehr. Das liegt zum einen an der aus heutiger Sicht nicht lösbaren Palästinenserfrage und zum anderen an den angrenzenden Konfliktzonen wie der libyschen. Was immer in diesem in Auflösung befindlichen Land passiert, tangiert unmittelbar den Nachbarn Ägypten, also einen Schlüsselakteur des Nahostkonflikts, und damit die gesamte Region, weil eine Reihe von Staaten, auch der Arabischen Halbinsel, auf die eine oder andere Weise dort mitmischen. Die Arabische Halbinsel wiederum liegt im geostrategischen Spannungsfeld von zwei der bedeutendsten Seerouten der Erde. Der Persische Golf und das Rote Meer gehören von jeher zu den Brennpunkten der Weltpolitik. Die herausragende Bedeutung des Persischen Golfs für den Ölexport der Region und des Roten Meeres als kürzeste Verbindung von Mittelmeer und Indischem Ozean macht diese Weltgegend für die Eskalationen widerstreitender Interessen hochgradig anfällig. Hinzu kommen die konfliktgeladenen Beziehungen zwischen vielen Anrainerstaaten. Im Falle des Persischen Golfes sind das vor allem die Protagonisten des sunnitischen und des...


Schröder, Gerhard
Gerhard Schröder, geboren 1944, war von 1998 bis 2005 der siebte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von 1990 bis 1998 amtierte er als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. Von 1980 bis 1986 und von 1998 bis 2005 war er Mitglied des Deutschen Bundestages, von 1999 bis 2004 war er Parteivorsitzender der SPD. Seit dem Ausscheiden aus seinen politischen Ämtern ist Gerhard Schröder wieder als selbstständiger Rechtsanwalt in Hannover tätig. In den Medien und mit seinem Podcast begleitet er das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Schöllgen, Gregor
Gregor Schöllgen, Jahrgang 1952, war von 1985 bis 2017 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen und in dieser Zeit auch für die historische Ausbildung der Attachés im Auswärtigen Amt verantwortlich. Er lehrte in New York, Oxford und London und war unter anderem Mitherausgeber der Akten des Auswärtigen Amtes sowie des Nachlasses von Willy Brandt. Gregor Schöllgen konzipiert historische Ausstellungen und Dokumentationen, schreibt für Presse, Hörfunk und Fernsehen und ist Autor zahlreicher populärer Sachbücher und Biographien.


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