Scholz | Anleitung zur vergeblichen Gottessuche | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 136 Seiten

Scholz Anleitung zur vergeblichen Gottessuche

E-Book, Deutsch, 136 Seiten

ISBN: 978-3-86541-993-4
Verlag: Lehmanns Media
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Wir wollen hier ein paar heftig ungebührliche Fragen zum Thema Christentum stellen: Wie ist der Stand der Forschung zur Entstehung des christlichen Glaubens, auch aus nichtchristlicher Sicht, heute, eines Glaubens – hier finden wir das erste Paradoxon -, der die Nächsten- und Feindesliebe mit so ungeheurer Grausamkeit ausbreitete? Stimmen denn diese Geschichten, die wir im kirchlichen Konfirmanden- und staatlichem Religionsunterricht als göttliche Offenbarungen und Wahrheiten notenüberprüft als für unser ewiges Seelenheil unabdingbar gelernt haben? Stellen wir doch mal die unerhörte Frage (allein deswegen gehören wir von Rechtswegen in die Hölle!), was denn dieser Jesus wohl von der neuen Religion gehalten hätte, die ihn selbst, den Menschen und frommen Juden (auch das noch!), zu einem Gott erhob! Warum wurde aus dem jüdisch-patriotischen Propheten Jesus in den Evangelien ein Antisemit (dafür gibt es auffindbare und nachvollziehbare Motive!) und dann auch noch ein Menschenopfer, das die kaum zu stillende Gier seines Vaters nach Grausamkeit befriedigen sollte?
Es gibt genug Fragen dieser Art, bohrende Fragen – und es gibt Antworten darauf, Antworten, die die Wissenschaft in den letzten zweihundert Jahren gefunden hat, einleuchtende Antworten, veröffentlicht und jedermann zugänglich, nur – keiner liest das, weil es sich hinter Wissenschaft und Fachjargon versteckt.
Und – wer ist denn dieser christliche Gott, der hinter „seiner“ Religion steckt, wo finden wir ihn, was hat er für einen Charakter und was sind seine Motive? Diese Fragen sind – für Glaubende unbegreiflich – durchaus einleuchtend
und nachvollziehbar zu beantworten! – Bei Augustinus, dem Analytiker seines christlichen Glaubens schlechthin, fangen wir an, fügen Gedanken Ludwig Feuerbachs hinzu und sehen uns das Ergebnis in der Sprache Martin Heideggers an. Das Resultat: Gott ist auffindbar, zu „verorten“, Gründe und Motive seines Handelns sind erkennbar und zu analysieren. Doch dann kommt das Seltsame: Kaum haben wir Ihn gefunden und wollen ihn festhalten, da ist er, der angeblich unbegreifliche, der „ganz andere“, schon wieder weg, hat sich im Menschlichen allzu Menschlichen verloren, ist von der allzu irdischen Welt einfach verschluckt worden.
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Selle
Die hellenistische Religion Christentum, vollendeter Ausdruck des Zeitgeistes der damaligen Welt, wird weiter mit hellenischem Gedankengut angereichert, auch wenn es manchmal nicht so recht passen will und regelrecht hinein gezwungen werden muss. Und die freizügige antike Welt andererseits sieht sich mit einem Mal mit urjüdischen Vorwürfen konfrontiert: Plötzlich ist der Sex, in den verschiedenen Ausformungen, je nach persönlichem Geschmack, (nicht nur) in der Antike äußerst beliebt, mit dem Vorwurf der Sünde und dem damit verbundenen schlechten Gewissen belastet, macht dadurch gar nicht mehr den gewohnten Spaß. (Was für manchen Höllenmasochisten allerdings auch einen besonderen Reiz darstellen mag.) Aber zum Ersteren zurück: ein griechischer Gedanke, der in das Christentum eindringt, wirkt bis heute, mittlerweile auch und sogar besonders heftig außerhalb des Religiösen, intensiv nach: Der Mensch verfügt über etwas Seltsames – eine Seele, ein Alter Ego, griechisch: Psyche. Was ist das und wo kommt es her? Und was hat es im Christentum zu suchen? Hier lohnt es sich, auf ein fundamentales Werk hinzuweisen, dass auch noch für den heutigen interessierten Leser von großem Nutzen ist; es ist das Hauptwerk des bedeutenden Altphilologen Erwin Rohde: Psyche, Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen (1895). Aus diesem Werk, das äußerst vielschichtig und von immensem Wissen und philologischem Scharfsinn geprägt ist, sei hier die Entstehung des Psyche-Gedankens herausgegriffen. Dieser entsteht bereits in der Frühzeit des Griechentums aus der Erfahrung des Traumes. Die zugrunde liegende Erfahrung kennt jedermann: Im Traum erscheinen Verstorbene, z.B. die Eltern, sprechen mit dem Träumenden und verhalten sich auch sonst so, wie sie es immer im Leben getan haben; sie geben Anweisungen, können auch zornig sein, wenn etwa ihr Grab nicht ordentlich gepflegt oder ihr Tod nicht gerächt worden ist (Herkunft der Blutrache). Auf jeden Fall begegnen hier Verstorbene dem Träumenden so, wie er sie kennt, sehen aus, wie sie immer ausgesehen haben, reden, wie sie immer geredet haben, verhalten sich auch in ihren Gefühlen wie gewohnt. Sie sind also noch da! Nur nicht hier. Ihr Zimmer ist leer und am Tisch sitzen sie nicht mehr. Doch sie sind da, haben mich erst in der letzten Nacht noch besucht, kommen und gehen, wann sie wollen, können mürrisch oder freundlich sein; auf jeden Fall sind sie mal mehr mal weniger in deutlichem Kontakt mit mir. Trotzdem liegt ihr Leichnam zweifelsfrei in seinem Grab; der ist es, als wiederbelebter, also nicht gewesen, mein Vater liegt noch dort in der Erde, wo ich ihn selbst begraben habe. Und doch war er letzte Nacht bei mir – wie er leibt und lebt! Es muss einen zweiten Vater geben, der dem ersten genau entspricht, es muss ihn doppelt geben, schon immer doppelt gegeben haben – und nur der eine, sein Leib, ist gestorben, der andere, sein zweites Ich (Alter Ego) lebt und hält Kontakt zu mir. Dieses Alter Ego, dieses zweite, dieses materiell nicht fassbare Ich nannten die Griechen Psyche. Eine Seele, die den Körper nach dem Tode verlässt, die aber weiter existiert. Als Äneas in die Welt der Toten hinabsteigt, begegnet er dort seinem Vater Anchises, den er freudig begrüßt und in den Arm nehmen will, greift aber – durch ihn hindurch, kann ihn einfach nicht fassen. Diese Seelenvorstellung wird im Griechentum immer weiter ausgebaut und findet in Platon seinen großen Verkünder. Andere Menschen machten natürlich die gleiche (Traum)Erfahrung von der postmortalen Existenz der Ahnen, nannten diese „Ba“ und „Ka“, „Freiseelen“, die nach dem Tode des Menschen eigenständig weiterleben, wie die alten Ägypter es taten und das Verhalten der Seelen sehr genau beschrieben; nur hatten sie keinen Platon, der ihrem Gedanken Weltbedeutung verlieh. Es bietet sich an, dass dieser Glaube, dem Judentum eigentlich fremd, in das noch junge Christentum übernommen wird, ist es doch erstens bequemer, vom Fortbestand einer Seele nach dem Tode zu sprechen als die schwieriger zu erklärende „Auferstehung des Leibes“ zu bemühen, und außerdem ist der Seelengedanke bereits weit verbreitet und genauso populär wie der sterbende und auferstehende Gott. Trotzdem bleiben beide Vorstellung vom postmortalen Weiterleben im Christentum bis zur Gegenwart nebeneinander erhalten. So öffnen sich manchmal die Gräber am „jüngsten Tag“, manchmal geistern auch die Seelen durch Himmel und Hölle, wobei offen bleibt, wie die Feuerbestrafung einer immateriellen Seele in der Hölle vonstattengeht. Trotzdem – die beiden Glaubensinhalte „Gott“ und „Seele“ werden im Christentum auf das Engste miteinander verzahnt, der eine bedingt den anderen: die göttliche, die unsterbliche Seele im irdischen, dem vergänglichen Körper, des ewigen Gottes Lebenshauch im sterblichen Leib. Und so verlässt dieser unsterbliche göttliche Teil des Menschen die sterbende Hülle, um in seine „Heimat“, zu Gott, zurückzukehren. So der naive Glaube noch heute, wie er sich in mancher Todesanzeige niederschlägt. Nietzsche formulierte das etwas anspruchsvoller: „Christentum ist Platonismus fürs Volk.“ Der Mediziner und Zoologe Ernst Haeckel (1834 – 1919), ein glühender Anhänger Darwins, war da einfacher gestrickt und pragmatischer. Man solle doch, so schlug er vor, dem Sterbenden eine Art Luftballon vor den Mund halten und so die Seele, die jetzt „ausgehaucht“ wird, einfangen, den gasförmigen Zustand dieses göttlichen Wesens durch Abkühlen kondensieren, in eine fest zu verkorkende Flasche umfüllen und mit der Aufschrift Seele des sowieso versehen. Tatsächlich ergibt das die interessantesten Möglichkeiten – in Flaschen abgefüllte Metaphysik! Haeckel war damals das Hassobjekt der Kirchen, denn es war klar, wer die Seele verhöhnte, der verspottete auch den dazugehörigen Gott, noch schlimmer: Er verleugnete ihn. Zur Ehrenrettung der griechischen Philosophie sei aber erwähnt, dass hier bereits in der Antike heftig Kritik an der Vorstellung der Psyche geübt wurde, vor allem von Epikur. Trotzdem überlebte dieser auf scheinbar sicherer Erfahrung basierende Gedanke – besonders mit Hilfe des Christentums als göttliche Seele – bis heute. Das „Leib-Seele-Problem“ war Anlass zu jahrhundertelangem Gelehrtenstreit und geistert noch heute durch die Anthropologie, mal von der theologischen, mal von der medizinischen Fakultät psycho-somatisch befeuert. Nietzsche wischte dieses Thema eigentlich vom Tisch, als er sagte, man müsse vom „Selbst“ des Menschen sprechen, die Einheit beider Bereiche menschlichen Wesens damit betonend. Natürlich ist heute selbstverständlich: Die Seele, die psycho-vegetativen Funktionen des Menschen, sind Teil des lebendigen Organismus, ohne die dieser nicht existieren kann; die Seele wiederum ist ein an diesen Organismus gebundener elektro-chemischer Wirkmechanismus zur Steuerung entwicklungsgeschichtlich unterschiedlich alter Lebensvorgänge. Beide Anteile des Organismus, Soma und Psyche, greifen untrennbar ineinander. Psycho-vegetative Funktionen steuern genauso die Verdauung, darum kann ich mir „vor Angst in die Hosen machen“, wie z.B. die Herztätigkeit, die durch das sie steuernde System spürbar in Wallung geraten kann, wenn ein anderes aus gleicher Quelle kontrolliertes Organ, der Penis, aktiv wird: „Ich liebe dich von ganzem Herzen!“ Doch irgendwann wird es sich herumgesprochen haben, dass Soma und Psyche zwei Seiten ein und derselben Münze sind, deren eine Seite man nicht ausgeben und die andere behalten kann.   Halten wir fest: Aus jüdischen Wurzeln erwächst eine neue Religion, die jetzt aber nicht mehr jüdisch, sondern hellenistisch, aus jüdischer Sicht also heidnisch ist. Dieser neue Glaube ist extrem gut an die soziale wie politische, die vorgefundene religiöse wie weltanschaulich-esoterische Situation angepasst, denn sie ist ein verführerischer Cocktail aus all diesen: Die neue Religion kommt gut an, durchaus vergleichbar mit der Ehefrau, die dem Gatten wohlbekannt (zu bekannt?) ist, sich ihm jetzt aber in raffinierten neuen Kleidern, die ihre Reize völlig neu zur Geltung bringen, zur Schau stellt, besprüht mit den verführerischsten (orientalischen) Wohlgerüchen und mit einer gehauchten Stimme flüsternd, die die Erfüllung der geheimsten Wünsche verspricht. Diese neue Religion breitet sich aus, kommt aber immer öfter in Konflikt mit der römischen Staatsräson, die sich in der Figur des Kaisers manifestiert. Opfert man dem göttlichen Caesar, so huldigt man damit der von den Göttern gegebenen römischen Staatsidee, die allen Bürgern freie Religionsausübung zusichert; mit dem Kaiseropfer passt man sich also in ein System ein, in dem alle Kulte als gleichwertig angesehen werden. Somit gerät der „einzig wahre“ Gott in Konkurrenz mit dem römischen Staat, dargestellt durch das Kaiseropfer. Je größer die neue Gemeinde wird, je fester sie gefügt ist, um so selbstbewusster, um so sicherer im Glauben an den einen, an ihren Gott tritt sie auf – und um so heftiger fällt die Reaktion darauf aus. Religiöse Toleranz als Staatsideologie muss hier in einen Konflikt mit dem kompromisslosen Wahrheitsanspruch eines Gottes kommen, denn göttliche Wahrheit ist immer absolut, lässt nicht mit sich handeln. Die Situation ist durchaus vergleichbar mit dem absoluten Wahrheitsanspruch des radikalen Islam, der sich als im Gegensatz zu den liberalen europäischen Staaten sieht, zu deren Staatsräson die religiöse Toleranz gehört. Das Stichwort heißt Christenverfolgung. Und hier gilt in ganz besonderem Maße: Die Legende korrigiert die Geschichte. Die Nero-Schauermärchen aus Konfirmanden- und Religionsunterricht in einem Staat, in dem das Christentum...


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