Schroeder | Schluss mit der Meinungsfreiheit! | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Schroeder Schluss mit der Meinungsfreiheit!

Für mehr Hirn und weniger Hysterie

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-423-43984-8
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Debattiert! Das macht uns Menschen aus
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen! Wutbürger hier, politisch korrekte Diskurs-Schiedsrichterinnen dort, Sprechverbote für alte Männer auf der einen Seite, pöbelndeVerschwörungstheoretikerInnen auf der anderen Seite, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, jeder brüllt, alle scharen ihre Claquere um sich, die sozialen Medien glühen vor Erregung, doch keiner hört zu und selbst die Talkshows wirken überfordert. Plötzlich ist jeder Opfer, niemand ist verantwortlich. Die Beispiele sind zahllos, die Folgen für unser Zusammenleben gefährlich.

Ist dies das Niveau, auf dem wir unsere Positionen austauschen möchten?

Florian Schroeder, als Kabarettist ist er Pfeilewerfer und Zielscheibe zugleich und weist die Pöbler aller Lager zurück in ihre Ecken und zeigt, wie man lustvoll und produktiv streitet und hinterher miteinander ein (alkoholfreies) Bier trinken kann.
Schroeder Schluss mit der Meinungsfreiheit! jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


»Das wird man ja wohl …«
Was ist überhaupt los hier?
Stuttgart 2020 – Das Ende meines Doppellebens
Heute, am Samstagnachmittag, soll es endlich enden, dieses Doppelleben. Ich will nicht mehr. Will nicht mehr lügen, vertuschen, blenden. Und am Ende selbst nicht mehr wissen, wer ich eigentlich bin. Seit Wochen mache ich das jetzt, bin zwei Menschen, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten: Der eine ist Komiker, hat gerade nicht so viel zu tun, weil Pandemie ist, und er weiß, was auf dem Spiel steht. Der andere ist auch Komiker, aber er will aussteigen, den öffentlich-rechtlichen Meinungskanal verlassen, sich endlich frei auf die Seite der Wahrheit stellen, er will sich den Querdenkern anschließen. So habe ich nun über einen Monat gelebt. Angefangen hatte alles mit einer Satiresendung im NDR-Fernsehen. Darin spielte der erste Schroeder den zweiten – einen Verschwörungsideologen. Ich vermischte journalistische Fakten und verschwörungsideologische Fiktionen. Ich wollte den schmalen Grat zeigen zwischen Recherchiertem, das zum Instrument von Mythen werden kann, und Mythen, die sich als Fakten verkleiden. Nur so, indem ich die Rolle des Verschwörungsideologen ernst nahm, ihn verkörperte bis zur Kenntlichkeit, war die Wanderung an der Grenze zwischen Satire und Überzeugung möglich, aber für einige Leute verwischte diese Grenze auch. Ein User stellte diesen Monolog auf YouTube, er wurde begeistert gefeiert: Endlich ein Systemclown, der es verstanden hat! Dass es sowas noch gibt in den gesteuerten Medien! Das war wohl sein letzter Auftritt! Die Querdenker luden mich ein, bei ihnen aufzutreten. Es sollte mein Coming-out werden, der Beginn meines neuen Lebens. Aus Schroeder eins sollte endgültig Schroeder zwei werden. So spielte ich – Schroeder eins – ihnen gegenüber den Aussteiger Schroeder zwei, der rauswollte aus dem verachteten Mainstream, den Überläufer und Verstoßenen, der der Enge des Systems entkommen wollte. Meine Facebook-Seite stellte ich um und postete nur noch semi-satirischen Verschwörungskram und setzte viele rote Ausrufezeichen hinter meine in Versalien geschriebenen Nachrichten. Der Applaus von der ehemals falschen Seite, also von Querdenkern und Co, kam wie geplant. Zum Teil stritten sich alte Fans von Schroeder eins mit neuen Fans von Schroeder zwei, welche Interpretation meiner Beiträge denn nun die richtige sei. Die neuen Fans unterstellten den alten, gar nicht zu wissen, mit wem sie es hier zu tun haben. Selten hatte ich so viel Spaß mit meiner eigenen Facebook-Seite. Und nun, an diesem schwülen Samstagnachmittag im August 2020 in Stuttgart ist der Moment gekommen, die Rolle des Doppelagenten abzulegen. Es ist heiß, die Luft im Unteren Schlossgarten steht. Ich komme im Backstage-Bereich an, werde freundlich begrüßt. Nur einzelne Querdenken-Organisatoren wissen, dass ich auftreten werde. Ich hatte zur Bedingung gemacht, dass mein Auftritt geheim bleibt. Wenn ich schon die Katze aus dem Sack lasse, so sollte das eine Überraschung sein. Das war kein Problem, die Querdenker sicherten mir absolute Verschwiegenheit zu, auch werde ich nicht allein sein. Vor mir werde der frühere Fußballweltmeister Thomas Berthold reden, der ebenfalls zur Vernunft gekommen sei und sich der Bewegung anschließen wolle. Das werde DER Tag der Querdenker-Bewegung, so hatte ich es nun tagelang gehört. Ich werde Teil von etwas Großem sein, so das Versprechen. Vor Ort bin ich erstaunt, mit welch erfreuten Blicken ich begrüßt werde. Thomas Berthold steht ein paar Meter von mir entfernt, er hat es hinter sich, sieht zufrieden aus, er scheint angekommen in der neuen Welt. Bertholds Outing wird in den darauffolgenden Tagen das Land schockieren. Selbst die »Bild«, bei der er bis dato eine Kolumne hatte, wird diese einstellen. Es muss schon einiges zusammenkommen, ehe man der »Bild« zu radikal wird. Zwischen mir und Berthold, der nun ein wenig abgeschlagen, aber doch zufrieden hinter der Bühne rumtigert und sich auf die breiten Fußballerschultern klopfen lässt, spricht noch ein als Arzt apostrophierter Mann, der wirkt wie ein Schamane aus Nürtingen. Er hält selbstgemalte Bilder in die Luft, die belegen sollen, dass die 5G-Strahlung uns alle umbringen wird. Danach bin ich dran. Ich komme auf die Bühne und erlebe Liebe, viel Liebe, werde frenetisch begrüßt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Diesen Applaus hatte ich mir jahrelang von Leuten gewünscht, die Eintritt bezahlt haben. Hier gibt es alles umsonst – meinen Auftritt und den Applaus. Es hätte auch anders kommen können: Von Buhrufen über fliegende Dosen bis hin zu kaltem Schweigen war alles möglich. Das kenne ich schon: Vor zwanzig Jahren hatte ich einen meiner ersten Soloauftritte im Rahmen einer Sneak Preview in einem Kino – auch hier in Stuttgart. Es war irgendwann nach 23 Uhr – den Film, der nach mir kommen sollte, und mich verband die Tatsache, dass niemand im Saal uns kannte. Ich stand am Anfang, ich war Parodist und ahmte zu Beginn meines Sets Udo Lindenberg nach, was schon damals, im Jahr 2000, nicht zum Originellsten gehörte, was man auf einer Bühne darbieten konnte. Der Moderator im Kino begrüßte mich mit den Worten: »Hier kommt Udo Lindenberg.« Der Saal tobte, viele offensichtlich belastbar alkoholisierte Zuschauer waren sicher, dass sich der Meister am Samstag um 23 Uhr in ein Stuttgarter Kino verirren würde, um hier a cappella vor ein paar hundert Leuten zu verrecken. Der Auftritt ging genau zweieinhalb Minuten, dann flogen die ersten Flaschen auf die schmale Bühne vor der Leinwand. Ich floh über den Notausgang, der direkt vor mir war, und schwor mir, nie wieder auf eine Bühne zu steigen. Aber was wäre, wenn das hier wieder passierte? Zweieinhalb Minuten vor Querdenkern? Und dann weg? Was würde bleiben? Man würde nicht wissen, wer ich nun bin? Schroeder eins, der Komiker, der seinen Job so schlecht beherrscht, dass sie ihn von der Bühne jagen können, ohne dass jemand verstanden hätte, was seine Botschaft ist – oder Schroeder zwei, wieder einer, der ins Querdenker-Lager übergetreten ist – und das, obwohl er beim Fußball in der Schule nicht einmal das Tor getroffen hat! Die letzten zwanzig Jahre zwischen Stuttgart I und Stuttgart II wären in wenigen Minuten ruiniert gewesen, und ich hätte mich wieder für ein Taschengeld ins Kino stellen oder Möbelhäuser eröffnen und wieder schließen können. Ich mache also zunächst ein paar sichere Gags, von denen ich ahne, dass sie dem Publikum gefallen. Tatsächlich, sie funktionieren. Mein Blick schweift über das weit verteilte Publikum im Schlossgarten. Es sind sehr unterschiedliche Leute hier, das fällt auf. Eine Woche zuvor in Berlin waren Reichkriegsflaggen zu sehen, Nazis, aggressive Leute. Das ist hier anders. Hier könnten ein paar Altachtundsechziger genauso stehen wie ein paar Ökos mit Wildwuchs bis hin zu beinharten Corona-Leugnern. Nach ein paar Minuten setze ich an zum entscheidenden Teil: Ich halte einen kleinen Vortrag über Meinungsfreiheit, denn hier, bei den Querdenkern, hält man sich für den letzten Ort, an dem diese noch lebendig ist. Das Refugium, in dem die Wahrheit noch einen Platz hat. Ich konfrontiere die Demonstrierenden mit meiner Meinung: dass es Corona gibt, dass es eine gefährliche Krankheit ist, dass Maskentragen und Abstandhalten sinnvoll sind. Es gibt Buhrufe. Ich versuche, den Zeitgenossen hier klarzumachen, wie eng die Grenzen ihrer Meinungsfreiheit sind, da sie meine nicht oder nur sehr bedingt hören wollen. Ich stelle die Frage: »Wollt Ihr die totale Meinungsfreiheit?« Das ist eine bewusst gesetzte Botschaft: zum einen der Flirt mit dem abgewandelten Goebbels-Zitat, das einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Zugleich stehe ich vor Menschen, deren Lieblingsbegriff die Corona-Diktatur ist. Drittens ist es eine Parodie auf die falsch verstandene Freiheit, jederzeit alles herauszubrüllen, was man spontan für richtig hält, egal ob es verletzend, beleidigend oder strafrechtlich relevant ist. Meinung ist nicht Hass, das wäre die Pervertierung von Meinungsfreiheit und zugleich ihr Ende. Dann wäre Schluss mit der Meinungsfreiheit. Nach zwölf Minuten endet der Auftritt mit einem 80:20-Verhältnis: 80 Prozent des Publikums buhen, 20 Prozent scheinen zu applaudieren. Nach der Kurzshow laufe ich von der Bühne und sehe Querdenker neben den Absperrungen stehen. Sie schauen mich an, manche schockiert, andere wütend, wieder andere kalt, ein paar lächeln anerkennend. Michael Ballweg, der damalige Kopf der Bewegung, macht seinen Job, geht auf die Bühne und betont, auch ein solcher Auftritt gehöre dazu, auch dafür stünde die Bewegung. Fair enough. Dialektik der Meinungsfreiheit
Ich habe diesen Auftritt, der durchaus mit Risiken verbunden war, angenommen, weil ich zeigen wollte, was Meinungsfreiheit bedeutet – nämlich, dass wir einander zuhören. Dass ich mich einschleusen konnte, habe ich der Leichtgläubigkeit der Querdenker zu verdanken. Es wäre aber zu einfach, wenn wir nun annähmen, dass diese Leute eben Idioten seien, dass sie gar nichts verstanden haben und nicht einmal Freund von Feind unterscheiden können, geschweige denn dazu in der Lage seien, Satire zu verstehen. Ich komme nur dann weiter, wenn ich sie als das Zerrbild des Mainstream wahrnehme, also von uns allen. Ihre Leichtgläubigkeit ist unsere, gerade dann, wenn wir uns für besonders kritisch, aufmerksam und aufgeweckt halten. Wir alle folgen oft schnell und leichtgläubig Ansichten....


Schroeder, Florian
Florian Schroeder, geboren 1979, begann schon zu Studienzeiten seine Kabarettkarriere und sammelte Erfahrung als Radio- und Fernsehmoderator. Mit seinen Bühnenprogrammen ist er in Deutschland, Österreich und der Schweiz regelmäßig auf Tour. In der „Florian Schroeder Satireshow“ präsentiert er für DAS ERSTE Satire, Comedy und Talk. Schroeder ist Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2021.

Florian Schroeder, geboren 1979, studierte Germanistik und Philosophie in Freiburg und begann zu Studienzeiten seine Bühnenkarriere als Kabarettist und Parodist, sammelte Erfahrungen als Radio- und Fernsehmoderator und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Schroeder ist Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2021. Als Host der Sendungen SPÄTSCHICHT und DIE FLORIAN SCHROEDER SATIRESHOW war Schroeder bis Ende 2022 in der ARD zu sehen. Im Herbst 2023 startet er mit neuen Folgen eines Satireformats in Das ERSTE und der ARD-Mediathek. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, darunter den Bestseller SCHLUSS MIT DER MEINUNGSFREIHEIT! Im Radio hört man ihn regelmäßig mit seinen Kolumnen, u.a. auf radioeins mit seinem SCHROEDER&SOMUNCU-Podcast. Seit 2021 ist er Gastdozent an der Universität der Freien Künste, Berlin.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.