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E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Schubert Gewalt ist eine Lösung

Morgens Polizist, abends Hooligan - mein geheimes Doppelleben

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-86413-005-2
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Polizist als Hooligan entlarvt - diese Schockmeldung erschütterte 1996 die ganze Nation. Nach einem Fußballspiel hatten Hooligans in der Bielefelder Innenstadt eine Straßenschlacht mit 55 Verletzten angezettelt - an vorderster Front dabei: Stefan S., Polizist. Acht Jahre lang hatte der Polizeiobermeister in zwei Welten gelebt: Während er unter der Woche in Uniform auf Streife ging, zog er am Wochenende deutschland- und europaweit durch die Stadien. Hart und ehrlich berichtet Stefan Schubert von dem süchtig machenden Rausch der Gewalt und deckt zugleich das Versagen der Polizei auf, die ihn unbehelligt ließ, obwohl sie von seinem blutigen Hobby wusste. Nach einem geheimen Deal zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und Polizeiführung schied er aus dem Polizeidienst aus - jetzt packt er im Buch ***Gewalt ist eine Lösung*** aus.
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3.
Mannschaftsaufstellung –
Blue Army Bielefeld
Mein Vater hatte mich als kleinen Jungen regelmäßig mit auf die Bielefelder Alm genommen, das Fußballstadion DSC Arminia Bielefeld – notorisch erfolglos mit einigen wenigen Höhen und vielen schmerzhaften Tiefen. Der klassische Underdog-Verein einer Stadt, die seit Jahrzehnten verschworen hinter ihrem Club stand. Das war der Verein meines Vaters und es war auch meiner. Als kleiner Junge hatte ich erstaunt das Spiel, die Reaktionen meines Vaters und die seiner Sitznachbarn beobachtet. In seinen Parka gehüllt, aufgebracht das Spielgeschehen kommentierend. Nun setzte ich die Familientradition also fort und ging wieder regelmäßig zur Arminia. Und die spielte zu jener Zeit in der 3. Liga – damals hieß das noch »Amateuroberliga Westfalen«. Frank und ich standen meistens im Block 5 und feuerten unsere Arminia an. Mit einem Auge schauten wir aber auch in den Nachbarblock 4. Dort waren nur junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren. Einige kannten wir flüchtig aus Kneipen und Diskotheken und es geisterten zu jener Zeit viele Geschichten über diese Männer durch die Stadt – Schlägereien rund um das Stadion und im Bielefelder Nachtleben. Wenn diese Männer eine Kneipe betraten, verstummten die Gespräche der anderen Gäste. Es wurde ihnen Platz gemacht und auch an der vollbesetzten Theke mussten sie nie drängeln, sondern erhielten schnell ihre Getränke. Das waren die Jungs aus Block 4. Die Jungs der Blue Army Bielefeld oder auch OWT genannt. OWT wie Ostwestfalenterror. Die Arminia spielte im DFB-Pokal gegen den Erstligisten VfL Bochum. Das war die Liga, in der wir wieder spielen wollten und wo wir unserer Meinung nach auch hingehörten. Es war das Duell des reichen Erstligisten gegen den klaren Außenseiter. Die Arminia hatte nur mittels ihrer Lauf- und Kampfbereitschaft eine Chance, dieses Spiel zu gewinnen. Kampf, das wollten die Leute hier schon immer sehen. Man konnte verlieren, ja sogar absteigen, aber es durfte nie kampflos geschehen. Block 4 war an jenem Tag besonders gut gefüllt. Das lag einerseits am DFB-Pokal – für die Blue Army aber stand auch noch das Spiel nach dem Spiel auf dem Programm. Der Gegner: die Bochumer Hooligans, organisiert in der »Bo-City«. Beide Gruppierungen standen sich seit Jahren feindselig gegenüber. Das hatte schon zu größeren Massenschlägereien mit vielen Verletzten bei früheren Aufeinandertreffen geführt. Die Polizei wusste von dem Aggressionspotenzial an diesem Tag und war mit deutlich stärkeren Einheiten im Einsatz als sonst. Die Unruhe im Blue-Army-Block war auch für uns Außenstehende deutlich zu spüren. Die führenden Köpfe der Hooligan-Truppe hatten kaum Zeit, sich um das Spiel der Arminia zu kümmern – sie waren nur damit beschäftigt, die bevorstehende Schlägerei zu organisieren. Ständig gingen die Anführer von einer Gruppe zur anderen, um sich kurz zu unterhalten – und um sich auf den bevorstehenden Kampf vorzubereiten. So zumindest machte es für uns den Anschein. Frank und ich beobachteten mehr das Treiben im Nachbarblock als das Geschehen auf dem Spielfeld. Was machten die da? Was würde nach dem Spiel noch alles passieren? Wir platzten fast vor Neugier, wussten aber auch, dass wir nicht einfach hinübergehen und nach dem Stand der Dinge fragen konnten. Die Informationen gelangten niemals an Fremde, sondern nur an Jungs, die dazugehörten. Und wir standen in Block 5! Ein paar von den Blue-Army-Jungs kannten wir vom Sehen. Man nickte sich mal flüchtig zu, aber mehr war da nicht drin. Wir wussten: Eine ordentliche Begrüßung oder gar ein Gespräch mit Mitgliedern des OWT musste man sich erst verdienen. Alles war geregelt – wie in einer militärischen Elite-Einheit. Es gab strenge Hierarchien bei der Blue Army. Und an die musste man sich halten. Den Anführer der Blue Army nannten alle nur den »Onkel«. Der Onkel war ein gewaltiger Typ. Mitte zwanzig vielleicht, bestimmt 1,95 Meter groß mit einer kräftigen, bulligen Figur. Er musste wohl schon an Dutzenden von Schlägereien beteiligt gewesen sein. Es kursierten zahlreiche Geschichten über den engsten Kreis der Blue Army. Geschichten über Krawalle bei Länderspielen und großen internationalen Wettbewerben. Vor einem wie dem Onkel hatte man Respekt. Wenn Frank und ich uns die Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft im Fernsehen anschauten, konnten wir häufig die Fahne der Blue Army Bielefeld im deutschen Block hängen sehen. Auffällig oft dann, wenn die Berichterstatter sich wieder einmal für das Verhalten sogenannter deutscher »Fans« im Ausland öffentlich entschuldigen mussten. Frank und ich standen in der Halbzeitpause am Bierstand, wo einige der OWT-Jungs auch schon mal das gesamte Spiel verbrachten. Wir bekamen mit, dass nach dem Spiel ein Treffpunkt mit »Bo-City« vereinbart worden war – wo und wann das sein würde, sagte uns niemand. Die Arminia indes kämpfte weiter auf dem Spielfeld und trotzte dem Erstligisten ein 0:0 nach Verlängerung ab. Es würde also 14 Tage später zu einem Rückspiel in Bochum kommen. Davor sollte es allerdings noch ein Nachspiel irgendwo in Bielefeld geben … Das wollten wir sehen. Die Gefahr, der Reiz des Verbotenen und die Macht der Gewalt zogen uns magisch an. Zum Ende der Verlängerung bemerkten wir, dass die Blue Army in Block 4 sich in Zweier- und Dreiergruppen langsam aus dem Stadion absetzte. Die Jungs wollten sich in ihrer Stammkneipe, der »Karlsklause« – etwa 500 Meter vom Stadion entfernt –, sammeln. Wie wir später erfuhren, war das Treffen mit den Bochumern auf eine Viertelstunde vor Abpfiff in einem angrenzenden Park verabredet. Bis zum Schlusspfiff war kein einziger Bochumer Hooligan mehr zu sehen. Was war los? Wollten die etwa kneifen? Sich auf Schleichwegen heimlich verziehen? Frank und ich konnten unsere Enttäuschung kaum verbergen. Da wollten wir endlich Zeuge einer ordentlichen Schlägerei werden – und dann so was. Außer den Zuschauermassen, welche die Straße vor der »Karlsklause« immer mehr verstopften, war nichts in dem Gewühl zu entdecken. Die geordnete Unordnung nach einem Fußballspiel, mehr auch nicht. Doch dann konnten wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite plötzlich die etwa 50 Mann von Bo-City ausmachen, die sich im Schutze der Zuschauer unauffällig in unsere Richtung bewegten. An einer Baustelle, die sie passieren mussten, bewaffneten sie sich lautlos und fast unbemerkt mit Steinen und Knüppeln. Die Sache stieg also doch! Die Bochumer hatten das Parkgelände erreicht. Und die Jungs des OWT waren schon unterwegs. Wir konnten erkennen, wie sie sich in einer dichten Traube aus ihrer Kneipe in den Park schlängelten. Still, leise und diszipliniert. Kein Gegröle, keine Gesänge, nichts. Lautlos marschierend bewegten sie sich dahin, bewaffnet mit Biergläsern und Flaschen. Es war wie in einem Film. Die Bochumer formierten sich auf einer kleinen Anhöhe. Und dann, urplötzlich, fingen sie an, mit ihren Knüppeln und Steinen rhythmisch auf den Asphalt zu schlagen. Klatsch, klatsch, klatsch. Die Jungs vom OWT – ebenfalls 50 Mann – waren noch etwa 70 Meter entfernt. Ganz vorne gingen der Onkel und der harte Kern der Gruppe. Ihre Gesichter waren angespannt. Ihr Gang wandelte sich, wie auf ein geheimes Zeichen hin, in einen leichten Trab. Der Angriff stand unmittelbar bevor. Und dann setzten sich auch die Bochumer in Bewegung und stürmten den Bielefeldern entgegen. Genau in diesem Augenblick preschte eine Gruppe von Polizisten zwischen die Fronten. Sie sprühten sofort Tränengas, noch bevor es zu einem direkten Kontakt zwischen den beiden Gruppen kam. Die Schlägertrupps beider Seiten zogen sich sofort zurück, um den Gummiknüppeln der Polizei und den drohenden Verhaftungen zu entgehen. Die Polizei erhielt von allen Seiten Verstärkung und versuchte, das gesamte Areal abzusperren. 1:0 für die Staatsgewalt. Gar nicht so schlecht, dachten wir uns. Einige Beamte hatten sich offenbar nach Spielende unauffällig an die Bochumer Hooligans gehängt und waren somit noch rechtzeitig im Park, um die Schlägerei zu verhindern. Und keiner hatte es bemerkt. Die Jungs beider Gruppen verschwanden so unauffällig, wie sie gekommen waren. Sie setzten sich in Kleingruppen oder alleine in Richtung Innenstadt ab. Zwischendurch kam es doch noch zu vereinzelten Festnahmen. Aber die Mobs waren zu verstreut und es standen zu viele Polizisten auf den Straßen Bielefelds, um ein weiteres spontanes Aufeinandertreffen kurzfristig organisieren zu können. Die Sache war gelaufen. Frank und ich ließen uns mit den abziehenden Zuschauermassen in die Innenstadt treiben. Dort sahen wir noch einige von den Jungs, die sich erneut sammelten. Aber der Gegner blieb leider aus. Noch voller Adrenalin – fasziniert von dem Erlebten –, beschlossen Frank und ich, mit zu dem Rückspiel nach Bochum zu fahren. Wir konnten die Macht und Stärke der Blue Army sehen und spüren. Die zerstörerische Gewalt aber, die von solchen Gruppierungen ausgeht, konnten wir nur erahnen. Und wir wollten sie endlich selbst erfahren … Beim folgenden Heimspiel ein paar Tage später trafen wir zufällig an einem Bierstand auf ein paar Jungs der Blue Army. Mit knapp 18 Jahren waren wir mit Abstand die Jüngsten vor der Bude. Und Ben sprach uns tatsächlich an. Ben gehörte zur Führungscrew des OWT und war ein angesehener Kämpfer der Blue Army. Ich kannte ihn flüchtig, da er der Cousin eines guten Schulfreundes war. Er begrüßte uns freundlich. »Hallo! Ich hab...


Stefan Schubert, geb. 1970, war Polizeiobermeister bei der Bielefelder Polizei, als er von einem Arbeitskollegen im Fernsehen als Hooligan erkannt wurde. Acht Jahre lang hatte er ein Doppelleben als Polizist und Fußball-Hooligan geführt. Erst längere Zeit nach dem Vorfall – der bundesweit hohe Wellen schlug – wurde er in den Innendienst versetzt.


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