Schulz-Nieswandt / Köstler / Mann | Kommunale Pflegepolitik | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 255 Seiten

Schulz-Nieswandt / Köstler / Mann Kommunale Pflegepolitik

Eine Vision

E-Book, Deutsch, 255 Seiten

ISBN: 978-3-17-033086-3
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Communal care policy is the vision of creating a sociogeographically oriented inclusive care scene, under local-government control, in both urban and rural settings. The idea hinges on the ability to achieve normalized housing conditions that do not create special, institutionalized environments. The basic values underlying this are those of personal human rights & i.e., human dignity as defined in international, European and constitutional law. Against this background, changes taking place in the care scene need to be radically rethought in the context of a new, wider social policy.
Schulz-Nieswandt / Köstler / Mann Kommunale Pflegepolitik jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1          Einleitung und Grundlegung
      Aufgaben und Ziele von Kapitel 1
Dieses erste Kapitel ist unterteilt in eine Einleitung und in eine Grundlegung. Verschiedene Aufgaben müssen aufgegriffen werden. Dabei geht es in der Einleitung um die Idee der Kritischen Wissenschaft als Poetik des Alltags des Menschen. Die Einleitung hat daher eher metatheoretischen Charakter und skizziert die Logik der interdisziplinären Forschung, die der vorliegenden Abhandlung zugrunde liegt. Die Grundlegung, nicht frei von solchen forschungslogischen Erörterungen, skizziert die Problematik eher objekttheoretisch und thematisch: Um welche Forschungsfragestellung geht es? Was ist das zentrale Thema der Fragestellung der Analyse? Der Gegenstand des Diskurses der Kommunalisierung der Pflegepolitik steht im Zentrum. Dennoch wird die Problematik der Pflegepolitik im engeren Sinne zunächst de-zentriert und als produktive Umwegstrategie die Kommunalisierung in einem breiten Zugang aus der Perspektive der anthropologisch fundierten Philosophie der Person, der Philosophie der Rechtsregime und letztendlich der Vision1 der Entfaltung der Kommune im Lichte des genossenschaftlichen Formprinzips betrachtet. Diese multiperspektivischen Lichtungen der Zugänge zum Thema sind erforderlich, weil in der Einleitung bereits Wert auf die Betonung des kritischen Charakters der Wissenschaft gelegt worden ist. Der deduktive innere, kohärente Zusammenhang zwischen Metaphysik der Person und Verrechtlichung, die Skalierung der empirischen sozialen Wirklichkeit aus den Positionen Kritischer Theorie heraus und die Schlussfolgerungen mit Blick auf die Verantwortung der Gesellschaft und ihrer Politik müssen erkannt werden. Das wäre das Ziel von Kapitel 1. Das Phänomen der Vision diskutieren wir nicht aus psychoanalytischer Perspektive. Es geht uns eher um eine sozialwissenschaftliche Prognose2, wie die Gesellschaft in naher Zukunft aussehen könnte, das Risiko des Irrens einkalkulierend3. Hier verwenden wir die Metapher des Berges als Figuration von Bergen zum Gebirge. Als massives Gebirge trennt diese Formation Täler davor und dahinter. Wir nutzen diese Bildsprache hier als lange Geschichte der Anhäufung von Wissen, also als Formation kulturellen Gedächtnisses. Dann passt einerseits die Imagination dazu, »da oben« hätte man sodann den Weitblick, andererseits müsse man die Höhen dünner Luft überhaupt erst einmal besteigen. Mag auch sein, dass da oben nur noch die Geier – die einsam in der Höhe kreisen – wissen, was im Sinne rheinischer Umgangssprache des Ruhrgebietes »Ambach« ist. Keltisch mag der Begriff auf diese Figur des Boten (in der Antike war dies eine der Funktionen von Hermes4) zurückgehen, also auf eine Sozialfigur, die Mitteilungen (also der Erkenntnis und dem Wissen dienend) transportiert und den Menschen auf seiner Reise begleitet. Auch bei den Irrfahrten des Odysseus (in der Kirke-Episode5) spielte er eine Rolle. Ob man sogar einen Hermes braucht, um im Labyrinth6 der vorliegenden Abhandlung den Weg zu finden, wollen wir nicht hoffen. So oszillieren die Abhandlungen im Modus einer Stilmischung – der Gefahr, einem Eklektizismus-Vorwurf7 ausgesetzt zu werden – zwischen Wissenschaft und politischem Essay. Und die Abhandlung ist mit Blick auf die behandelten existenziellen Daseinsthematiken geprägt von einer Poetologie8 des Lebens als soziales Drama9, von dem man gattungstheoretisch weiß, dass es die Form der Tragödie wie auch der Komödie annehmen kann. Es wird also10 sowohl gelacht als auch geweint. Eine Frage ist auch, warum, nicht Mixed-Method-Designs meinend, Stilmischung eigentlich (in der monistischen Wissenschaftstheorie wie in der Kunsttheorie) ein Problem ist. Eklektizismus kann ja produktiv sein. In Vorlesungen und öffentlichen Vorträgen zur Sozialpolitik kann man sehr schön Bilder von George Grosz11 nutzen, die, ikonographisch und ikonologisch begriffen12, in ihrer Stilmischung als in Kunstwerke materialisierte hermeneutische Beiträge13 zur kritischen Zeitdiagnostik und Gesellschaftskritik14 (im Sinne des Verismus) verstehbar sind. Man denke z. B. an »Ohne Titel« von 1920. George Grosz wird vor allem mit der »Neuen Sachlichkeit« in Verbindung gebracht. Man kann auch eine Nähe zum »magischen Realismus« sehen. Sein Stil ist also komplexer als die Assoziation zur Nüchternheit vermuten lässt. Seine Bilder – analog könnte Otto Dix15 herangezogen werden – sind sozial- und gesellschaftskritische Gemälde und Zeichnungen, die vor allem in den 1920er Jahren durch drastische und provokative Darstellungen und durch politische Aussagen eine scharfe Zeitkritik zum Ausdruck bringen. Sein Werk trägt symbolistische, expressionistische, dadaistische und futuristische Züge. Ganz typische, konstitutive Sujets, ebenso wie in der Literatur16 der Neuen Sachlichkeit, sind die Großstadt, ihre Abgründigkeiten (etwas unsortiert aufgezählt: Mord, sexuelle Perversion, Gewalt, Elend, Verkrüppelung, Armut, Entfremdung) sowie die sozialen Klassengegensätze, die sich in diesen Feldern zeigen. In seinen Werken, oft zugespitzt im Modus von Karikaturen, verspottet er die herrschenden sozialen Kreise der maroden Weimarer Republik, greift tiefliegende soziale Gegensätze auf und kritisiert insbesondere die Dekadenz in und von Wirtschaft, Politik, Militär und Klerus. Krass dissonant und voller Kakophonie ist das Alltagsleben. Zarte Töne einer Poesie mögen dennoch mitunter im Leben anklingen, manchmal in einigen Passagen der Lyrik zuneigen. Das Leben ist eben eine Geschichte, deren Erzählung eine hohe Komplexität annimmt, wenn die Verstrickungen des Menschen im »Knotenpunkt seiner sozialen Beziehungen« ausgerollt werden, die individuelle Biographie im Horizont der zeitgeschichtlichen Zusammenhänge eingestellt wird und die Epoche im Gesamtgeschehen als Ereignis-Erfahrungs-Erlebnisgeschehen des konkreten Menschen dialektisch durchscheint und nah am Totalitätsverstehen ist. Trotz der theoretischen Fundierung der gesellschaftskritischen Analyse und der radikalen reformpolitischen Diskussion, versucht die vorliegende Abhandlung insofern Züge narrativer Wissenschaft anzunehmen, wie sie alle sozialen Probleme als für den Alltag der Menschen als dramatisch einstuft, die Herausforderungen existenzial zu begreifen und die Systeme der Sozialpolitik nicht so in das Zentrum der Analyse zu stellen versucht, als ginge es um diese Systeme als Thema für sich oder gar als Selbstzweck. Vielmehr und vor allem geht es um das Dasein des Menschen mit Blick auf die Chancen seines Gelingens angesichts der Gefahr des Scheiterns. Vor allem Studierenden an der Universität muss man erst den Blick dafür öffnen, dass die Wissenschaft von der praktischen Sozialpolitik keine höhere institutionelle und deskriptive Sozialkunde ist. Letztendlich geht es um diese fundamentale Frage: Gelingt der Lebenszyklus? Kommt der Mensch im Vollzug seines endlichen Lebens zur Gestaltwahrheit, wird sein Leben also geprägt von der Erfahrung der Liebe als Geben wie als Nehmen, somit von der Wahrheit des Person-Seins17 seiner Existenzführung? Oder musste er scheitern am Wagnis des Lebens, weil es an sozialer Gerechtigkeit18 (nicht tröstende Gnade als Apologetik der Verhältnisse) fehlte.19 Hatte sich sein Leben entfremdet vom Traum eines erfüllten Lebenssinns im liebenden Miteinander, jenseits der Einsamkeit, der Verzweiflung, der existenziellen Angst.20 Die Abhandlung verabschiedet sich vom Empirismus der Alternsforschung21 ebenso wie von trivialisierten Mythen der Wertfreiheit der Sozialwissenschaften, distanziert von dem Spiel, die Lügen22 unseres gesellschaftlichen Lebens als Wahrheit zu verkaufen, drückt die Erwartung an die Wissenschaft aus, gesellschaftlich relevant zu sein, uns somit (in surrealistischer23 Manier) einen Spiegel vorzuhalten, unsere Abgründigkeiten und Verfehlungen letztendlich auch psychoanalytisch aufzudecken, demnach im Spiegel den grausamen Minotaurus24 zu erkennen. Einleitung
Auf das Thema der kommunalen Welt des Lebens und den Sorgebedarf im Alter(n) ist also letztendlich alles in dichter Form fokussiert. Diese Fokussierung auf die Kommune ist Ausdruck einer Erkenntnis über die Renaissance der Region und der örtlichen Lebenswelt als Kehrseite der dynamisch-turbulenten Globalisierung. Mag hier der Begriff der Lebenswelt seine Differenz zu seiner Nutzung in der Phänomenologie (von Edmund Husserl bis zur verstehenden Soziologie von Alfred Schütz) deutlich werden lassen: Im Präventionsgesetz, wie es in das SGB V Eingang gefunden hat, meint Lebenswelt genau diesen Sozialraumbezug. Eigentlich kann die Idee der Kommunalisierung in der Sozialpolitik im Lichte des »spatial turn« in den Kultur- und Sozialwissenschaften nicht überraschend sein, wenn man anthropologisch, tiefenpsychologische Evidenz involvierend, gut informiert ist. Der Mensch ist...


Prof. Frank Schulz-Nieswandt, Chair of Social Policy and Methods in Qualitative Social Research, Director of the Seminar on the Cooperative System at the Institute of Sociology and Social Psychology, First Vice-Dean of the Faculty of Economics and Social Sciences at the University of Cologne, Honorary Professor at PTHV Vallendar; Dr. Ursula Köstler, former research assistant at the Chair of Social Policy and Methodology in Qualitative Social Research at the Institute of Sociology and Social Psychology; Dr. Kristina Mann, research assistant at the Chair of Social Policy and Methodology in Qualitative Social Research at the Institute of Sociology and Social Psychology.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.