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E-Book, Deutsch, Band 1, 256 Seiten

Reihe: Ein Fall für Roger Chapman

Sedley Die letzte Rast

E-Book, Deutsch, Band 1, 256 Seiten

Reihe: Ein Fall für Roger Chapman

ISBN: 978-3-95530-178-1
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Der Auftakt zu einer spannenden Reihe historischer Kriminalromane aus der Zeit der Rosenkriege!
Kate Sedley entwirft ein farbenprächtiges Bild des mittelalterlichen England, erzählt von rauschenden Festen, opulenten Banketten, prunkvollen Maskenspielen am Fürstenhof, aber auch vom Leben in verwinkelten Gassen und finsteren Kaschemmen der Unterwelt. Roger Chapman, ehemals Dominikanermönch, jetzt Straßenhändler, ermittelt in seinem ersten Fall.

England 1471, in den Wirren der Rosenkriege: Der junge Klosterschüler Roger soll Mönch werden, doch für das Leben hinter Klostermauern ist er zu abenteuerlustig. Er verlässt seinen Orden und schlägt sich fortan als Straßenhändler durch. Unterwegs lernt er einen reichen Ratsherrn kennen, dessen Sohn auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Seine Spur führt in ein dubioses Gasthaus ...
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ERSTER TEIL
Mai 1471
Bristol
  1
Heute, im Jahr des Herrn 1522, bin ich ein alter Mann. Ich habe fünf Könige herrschen sehen – sechs, wenn man den jungen Eduard hinzurechnet. Meiner eigenen Schätzung nach bin ich jetzt siebzig Jahre alt, habe also das Alter erreicht, das den Menschen, wie uns die Bibel lehrt, auf Erden gegeben ist, und wenn meine Stunde kommt, werde ich nicht traurig sein. Die Dinge sind heute nicht mehr das, was sie einmal waren, sage ich stets zu meinen Kindern und Enkelkindern. Und genau das hat auch meine Mutter schon immer zu mir gesagt. «Es ist eben alles nicht mehr so wie früher, als ich noch ein junges Mädchen war», schimpfte sie dann, wirbelte mit ihrem Besen den Staub und die alten Binsen auf und schob sie so schwungvoll über die Schwelle, als wollte sie alles neuartige Benehmen und Denken gleich mit zur Tür hinauskehren. An unser kleines Haus in Wells erinnere ich mich noch so deutlich, als wäre ich gestern erst dort gewesen. An meinen Vater dagegen blieben mir nur verschwommene Erinnerungen. Aber das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn er starb, als ich knapp vier Jahre alt war. Er war Steinmetz von Beruf und, wie meine Mutter stets betonte, überall hoch angesehen – so hoch jedenfalls, daß der Bischof, als mein Vater während der Bauarbeiten an der Decke der Kathedrale vom Baugerüst fiel und kurz darauf an den Folgen des Sturzes starb, meiner Mutter aus dem eigenen Säckel eine kleine Rente aussetzte. Ich glaube, deshalb kam sie auf die Idee, daß ich lesen und schreiben lernen sollte. Und aus diesem Grund gab sie mich schließlich auch als Novize zu den Benediktinern in Glastonbury. Die arme Frau konnte einfach nicht verstehen, daß ich für das Klosterleben nicht geschaffen war. Ich hielt mich am liebsten im Freien auf. Ich war gern mein eigener Herr. Und ich hatte nicht das geringste Gespür für Musik. Mein unmelodischer Gesang trieb die anderen Novizen bei den täglichen Gottesdiensten schier zur Verzweiflung und war nur einer der Gründe dafür, warum sie am Ende ganz froh waren, mich wieder loszuwerden. Meine gute Gesundheit, die ich mir bis in allerjüngste Zeit bewahren konnte, war ein weiterer Grund. Die anderen Mönche und Novizen gingen, besonders im Winter, auf der Krankenstation ein und aus. Ich aber kann mich nicht erinnern, während meiner gesamten Zeit in Glastonbury ein einziges Mal auf der Krankenstation gewesen zu sein. Ich hatte auch immer sehr gute Zähne, litt nie unter Zahnschmerzen oder anderen Beschwerden. Ein paar Zähne habe natürlich auch ich inzwischen einbüßen müssen, und die anderen bereiten mir manchmal Schwierigkeiten, besonders wenn der Wind aus Osten kommt – aber was kann man mit siebzig Jahren anderes erwarten? Der wahre Grund dafür, warum ich Glastonbury nach dem Tod meiner Mutter wieder verließ, lag jedoch tiefer als der Groll, den die anderen Mönche gegen mich hegten. Er betraf eigentlich nur mich und Gott. Der Abt, ein weiser und großmütiger Mann, hatte Verständnis für mich. Nicht, daß ich die Existenz einer anderen Welt, eines Jenseits, jemals bezweifelt hätte. Ich hatte einfach das Gefühl, nie ganz sicher sein zu können, ob das Christentum auch wirklich auf alle Fragen eine Antwort hatte. Manchmal, vor allem in den Abendstunden, wenn ich durch die alten Wälder mit ihren großen Eichen und Birken schritt, spürte ich etwas von der Macht, welche die alten Baumgötter über das Denken unserer angelsächsischen Vorfahren ausgeübt hatten. Die knorrigen, verkrümmten Äste, die sich mir in der Dunkelheit entgegen reckten, riefen die Erinnerungen ganzer Geschlechter wach. Öfter, als ich es zugeben möchte, habe ich ängstlich über die Schulter gespäht und gegen jede Vernunft und jeden Glauben erwartet, plötzlich Robin Goodfellow, Hodekin oder irgendeine andere sagenhafte Gestalt zu sehen. Diese Ketzerei habe ich allerdings für mich behalten. Ich bin nicht so dumm, so etwas laut herauszuposaunen. Schon gar nicht jetzt, wo Papst Leo gerade König Heinrich VIII. für seine schriftliche Antwort auf den deutschen Mönch Martin Luther den Titel ‹Fidei Defensor› verliehen hat. Und ich greife auch nur deshalb zur Feder, weil ich das Gefühl habe, daß mir nicht mehr sehr viel Zeit bleibt. Woher dieses Gefühl kommt? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich könnte keinen eindeutigen Grund benennen. Es ist nur so ein allgemeines Gefühl des Unbehagens. Es fällt mir schwer, morgens aufzustehen. Ich bin gereizt gegen meine Tochter, meine Söhne und deren Kinder. Ich bin der vorwärtsstürmenden Jugend mit ihren neuartigen Sitten müde, kann ihr ständiges Gerede, Heinrich von Tudor und sein Sohn, unser jetziger König, hätten das Land aus den Klauen eines Ungeheuers befreit, nicht mehr hören. Ich hatte die Ehre, unseren verstorbenen König Richard persönlich gekannt zu haben und ihm einmal sogar zu Diensten gewesen zu sein – Gott sei seiner Seele gnädig! Aber heutzutage gilt auch diese Ansicht schon als Ketzerei, und vermutlich wiegt sie schwerer als die erste. Der Richard, über den sich die Menschen heute das Maul zerreißen, ist eine bucklige Mißgestalt, durch und durch blutrünstig und böse. Das ist nicht der Mann, den ich in Erinnerung habe, aber ich will hier keine politische Abhandlung abfassen – nur einen Bericht über mein Leben, das in vielerlei Hinsicht bemerkenswert war. Meine Mutter starb, ehe ich mein Mönchsgelübde abgelegt hatte. Ich beschloß, mich über ihren Wunsch hinwegzusetzen, das Kloster zu verlassen und als Hausierer über Land zu ziehen. Für einen Jungen, der lesen und schreiben konnte, mag es höchst ungewöhnlich gewesen sein, Seidenstoffe, Schnürsenkel und sonstigen Krimskrams feilzubieten. Aber nach all den Jahren, in denen mich die vielen Regeln und Vorschriften des Mönchslebens eingeengt hatten, sehnte ich mich nach der Freiheit der Straße. Ich wollte endlich mein eigener Herr sein, wollte die verschiedensten Landschaften kennenlernen, die ich bis dahin nur vom Hörensagen kannte. Und vor allem wollte ich London sehen. Wenn ich heute im Herzen Somersets über die schattigen Täler und dichtbewaldeten Hügel blicke und mir der Geruch der warmen Erde in die Nase steigt, kommt mir dieser Wunsch befremdlich vor. Aber damals war London mein Ziel, die Stadt, in der ich mein Glück versuchen wollte. Zu Reichtum und Wohlstand gelangte ich natürlich nie. Ich war einfach nicht aus dem Holz eines zweiten John Pulteney oder Dick Whittington geschnitzt. Doch auch wenn ich nicht das große Geld machte, zeigte sich bei mir bald ein anderes Talent: Ich konnte Rätsel lösen und Geheimnisse aufklären, die anderen Menschen verborgen blieben. Und darum soll es auch in diesen Erinnerungen gehen; ich hoffe, eines Tages, wenn ich tot bin, werden meine Kinder neugierig genug sein, um sie zu lesen. Alles begann mit dem rätselhaften Verschwinden von Clement Weaver – einem jungen Mann, von dem ich bis zu jenem Maimorgen im Jahre des Herrn 1471 noch nie etwas gehört hatte. Ich war damals noch nicht lange auf der Wanderschaft. Meine Mutter, die zu Weihnachten gestorben war, hatte mir dank ihrer eisernen Sparsamkeit eine kleine Summe hinterlassen. Damit kaufte ich einem alten Hausierer, der des Umherziehens müde war und seine letzten Lebensjahre bei den Mönchen in Glastonbury verbringen wollte, seine Ausrüstung ab. Nur seinen Esel konnte ich mir nicht leisten. Doch ich war jung und stark und hatte breite Schultern, warum sollte ich mein Bündel da nicht selbst über Land tragen? So brach ich voller Zuversicht von Wells in Richtung Bristol auf und machte überall in den Dörfern Rast, um meine Waren feilzubieten. In Whitchurch half ich den Dörflern, um den Maibaum zu tanzen. Anschließend ging ich in die Kirche, um das Fest des Heiligen Philippus und des Heiligen Jakobus zu begehen – eine gelungene Mischung aus der alten Naturverehrung unserer angelsächsischen Ahnen und den Geboten der Heiligen Kirche, wie ich fand. Am zweiten Mai kam ich vor den Stadtmauern von Bristol an. Schon als ich noch mehrere hundert Meter vom Redcliffe-Tor entfernt war, bemerkte ich, daß etwas Ungewöhnliches im Gange war. Es herrschte eine merkwürdige Betriebsamkeit, bewaffnete Männer liefen hin und her, und durch die Stadtmauern drangen immer lauter werdende Stimmen, wie Wasser, das durch einen Damm sickert. In der Nähe der Marienkirche sah ich Zelte und das umtriebige Durcheinander eines Heerlagers, das gerade abgebrochen wird. Die Männer liefen umher wie Ameisen, als hätten sie es ganz besonders eilig fortzukommen. Ein plötzlicher Befehl weiterzuziehen? fragte ich mich. Alles deutete auf einen überstürzten Aufbruch hin. Als ich mich dem Wachtposten am Stadttor näherte, kroch ein schmutziger, zum Himmel stinkender Eremit aus seinem Loch hervor, um mich in Augenschein zu nehmen und mir erwartungsvoll die Bettelschale entgegenzustrecken. Als er meine Jugend und meine zerschlissenen Kleider sah, verzog er enttäuscht das wettergegerbte Gesicht, murmelte etwas in seinen verfilzten Bart und trollte sich wieder. Bristol war damals – und ist bis heute – eine reiche Stadt, die in ihrer Bedeutung nur noch von London übertroffen wird. Der alte Mann hatte es nicht nötig, seine Zeit auf arme Wanderer wie mich zu verschwenden. Während ich mich zum Wachtposten vorkämpfte, wurde der Lärm immer größer. Es hörte sich an, als ob eine ganze Armee auf dem Vormarsch sei. Der diensthabende Wachmann war ein mürrischer, pockennarbiger Mann, dessen ohnehin schon rosiges Gesicht von der Anstrengung, das Gewimmel am Stadttor unter Kontrolle zu halten, ein grimmiges, bedrohliches Rot angenommen hatte. Außer den Bauern und Händlern, die ihrem Gewerbe...


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