Sikor / Klein | Auf(ge)wachsen mit Gewaltfreier Kommunikation | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Sikor / Klein Auf(ge)wachsen mit Gewaltfreier Kommunikation

Ein Mutmachbuch für Eltern

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

ISBN: 978-3-7495-0508-1
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Geliebt ins Leben: die nächste GFK-Generation Gewaltfreie Kommunikation in der Erziehung, einfühlsam mit Kindern kommunizieren: Etliche Bücher behandeln diese Themen – zunächst einmal in der Theorie. Wie aber ist es, mit Eltern aufzuwachsen, die GFK-Trainer:innen sind? Lea Sikor berichtet darüber, wie es war, etwas anders aufzuwachsen als die meisten ihrer Altersgenoss:innen. Was an der GFK-Erziehung ihrer Eltern war hilfreich für ihr späteres Leben? Und was war es eher nicht? Aus der Perspektive einer GFK-Trainerin reflektiert Bärbel Klein Lea Sikors Geschichten und unterfüttert sie mit GFK-Hintergrundwissen. Das Anliegen beider Autorinnen: Aufzeigen, wofür es sich lohnt, die Gewaltfreie Kommunikation zu lernen und den Grundstein zu legen, unsere Welt und die Welt unserer Kinder noch ein wenig schöner zu machen.
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1. Was bei mir anders war: Aufwachsen mit Eltern, die cool bleiben
Wenn mich jemand fragt, ob ich während meines Aufwachsens große Schwierigkeiten mit meinen Eltern hatte, ob ich viel rebelliert habe oder ob ich oft mit ihnen aneinandergeraten bin, dann lautet meine Antwort immer: Nein. Nichts davon. Weder hatte ich oft Probleme mit ihnen, noch musste ich rebellieren, noch hatten wir viel Streit. Ich bin in einem wertschätzenden, verbindenden Umfeld aufgewachsen, mit der festen Überzeugung meiner Eltern, dass auch meine Sichtweise es Wert ist, gehört zu werden. Oftmals höre ich Menschen in meinem Alter oder älter von ihrer Jugend reden. Davon, wie schwer sie es hatten und davon, wie oft sie den Eindruck hatten, nicht verstanden zu werden. Und jedes Mal denke ich an meine Jugend zurück und merke: Hey, so etwas gab es bei mir ja kaum. Zumindest nur so selten, dass es heute, einige Jahre später, kaum noch nennenswert ist. Lange Zeit war mir gar nicht so bewusst, warum das eigentlich so war. Ich habe halt coole Eltern, habe ich immer gedacht und oft genau das von meinen Freundinnen gehört. Damit war die Sache klar. Coole Eltern halt. Ja, aber was heißt denn eigentlich cool? Entspannt? Heute kann ich sagen, dass ein wesentlicher Teil dieses „Cool-Seins“ die Haltung der GFK war, die meine Eltern seit der ersten Sekunde meines Lebens versucht haben zu leben. Wenn ich heute Eltern mit ihren Kindern sehe, oder wenn ich von Freundinnen über ihre Beziehung zu ihren Eltern höre, dann wünsche ich mir, dass mehr Menschen erleben dürfen, was ich erlebt habe. Dass mehr Menschen auf die Frage: „Hattest du eine gute Verbindung zu deinen Eltern?“ ganz selbstverständlich mit „Ja!“ antworten. Als ich begann, an diesem Buch zu arbeiten, fragte ich mich u.a.: Wann ist mir eigentlich aufgefallen, dass bei uns manche Dinge anders liefen als in anderen Familien? Was genau machte meine Eltern zu den Menschen, von denen ich heute sage, dass sie „cool“ waren? Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Momente fielen mir ein, angefangen damit, wie selten ich tatsächlichen Streit mit den beiden hatte. Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich wirklich, und vor allen Dingen auch längerfristig, wütend war. Viel öfter habe ich jedoch bei Meinungsverschiedenheiten erlebt, dass meine Eltern mit mir auf Augenhöhe sprachen und dass meine Meinung ebenso ernst genommen wurde wie ihre. Meine Eltern und ich – auf Augenhöhe
Auf Augenhöhe. Das ist eine Beschreibung, die gut auf die Beziehung zu meinen Eltern passt. Wenn ich daran denke, habe ich eine Situation mit meiner Mutter im Kopf, die ich hier gerne mit euch teilen möchte: Ich bin ungefähr 16 Jahre alt, mitten in der Pubertät also, und wir sitzen, wie jeden Abend, am Esstisch. Eigentlich haben wir die Regel, dass während des Abendessens keine Handys am Tisch sind. Meistens halte ich mich auch daran. Doch heute Abend vibriert mein Handy ständig und irgendwann siegt die Neugierde. Ich nehme es also in die Hand und esse weiter, während ich die neuen Nachrichten lese. Nach kurzer Zeit räuspert sich meine Mutter. „Lea, wir haben doch die Regel, dass die Handys nicht am Tisch sind. Ich möchte, dass wir sie einhalten, denn ich wünsche mir ein schönes Miteinander und Verbindung zu dir. Kannst du es wieder weglegen?“ Ich kann mir ein genervtes Aufstöhnen nicht verkneifen, lege es dann aber doch zur Seite. Einige Tage später: Dieselbe Situation, wir sitzen alle am Esstisch. Doch dieses Mal liegt das Handy meiner Mutter neben mir und gibt Geräusche von sich. Mama ist abgelenkt, schaut darauf und tippt etwas. Ich merke, dass mich das nervt. Das ist unfair. „Letztens habe ich mein Handy weggelegt, als dich das gestört hat. Jetzt möchte ich, dass du deins auch weglegst!“, verkünde ich prompt. Mama schaut auf und nickt. „Du hast recht. Ich verstehe, dass dich das nervt. Danke, dass du mich daran erinnerst.“ Insgesamt funktionierte diese Regelung bei uns am Esstisch sehr gut. Ich glaube das lag auch daran, dass wir uns alle gegenseitig daran erinnerten, sie ernst zu nehmen. Nicht nur meine Schwester und ich mussten uns an die Handy-Regel halten, weil sie meiner Mutter wichtig war. Auch meine Mutter war empfänglich für unsere Rückmeldung und unsere Wünsche nahm sie genauso wichtig wie die eigenen. Mit dieser Erinnerung möchte ich verdeutlichen, dass meine Eltern und ich uns auf Augenhöhe begegnet sind, und das war – so habe ich es erlebt – auch meinen Eltern sehr wichtig. Ich hatte in meiner Kindheit und Jugend nicht den Eindruck, meine Gefühle könnten falsch oder meine Bedürfnisse weniger wichtig sein als die meiner Eltern. Woran mache ich das fest? Ich durfte meine Meinung sagen und sie schafften es, sich erst einmal anzuhören, was ich zu sagen hatte, bevor sie etwas dazu sagten. Ich wurde also oft mit meiner Meinung abgeholt und nicht damit, gar nicht gehört zu werden. Ich wurde auch nicht mit der Erwartung konfrontiert, dieselbe Meinung haben zu müssen wie meine Eltern. Ich denke nicht, dass dieses Bemühen meiner Eltern negative Auswirkungen auf mich hatte. Manchmal beobachte ich mich allerdings dabei, dass ich einen hohen Anspruch an meinen Selbstausdruck habe. Den Anspruch, mein Innenleben immer schön sortiert und am besten noch in Gefühle und Bedürfnisse aufgeschlüsselt auszusprechen. Das liegt vielleicht daran, dass ich mitbekommen habe, wie meine Eltern sich ausdrückten, oder dass sie mich ermunterten, mich ebenfalls so auszudrücken. Wurde diese wohlwollende Haltung zu meinen Bedürfnissen und Meinungen jedoch nicht an den Tag gelegt, konnte es schwierig für mich werden. Und das war außerhalb der Familie – quasi überall. So musste ich in der Schule immer wieder die Erfahrung machen: Die Meinung meiner Lehrer*innen zählt eben doch mehr als meine eigene. Einmal hörte ich von meiner Lehrerin diesen Satz: „Lea, du solltest wirklich nicht so viel diskutieren. Das ist nicht gut für dich.“ Insgesamt kann ich sagen, dass die Haltung meiner Eltern maßgeblich zu dem Vertrauen beigetragen hat, das ich noch heute in sie habe. Dass meine Meinung von Bedeutung ist, konnte ich mit Erwachsenen außerhalb meiner Familie z.B. noch in GFK-Familienfreizeiten erleben. Mir als eher schüchternem Kind haben die Erfahrungen, für mich einzustehen und gehört zu werden, definitiv dabei geholfen, meine Schüchternheit mehr und mehr abzulegen. Aber, wie schon angedeutet, bin ich während meines Aufwachsens immer wieder darüber gestolpert, dass meine Meinung in manchen anderen Zusammenhängen so gar nicht gefragt war. Und diese Ambivalenz zwischen meinem Zuhause und z.B. der Schule hat mich verunsichert. Wieso war es in der Schule egal, wie ich etwas sehe, und warum war zu Hause eine Meinungsäußerung von mir explizit gewünscht? Das war mir nicht verständlich. Auch von meinen Freunden hörte ich oft, wie cool meine Mutter sei, etwa wenn es um das Thema Party und abgemachte Zeiten ging. Es fielen Sätze wie: „Krass, deine Mutter ist so entspannt. Ich wünschte, das wäre meine auch. Aber meine Mutter stresst immer so rum.“ Hier kommt eine andere Komponente meiner coolen Eltern zum Tragen: Gelassenheit. Später werde ich darauf zurückkommen, wie die Haltung meiner Mutter und ihr Bewusstsein, welche Gefühle und Bedürfnisse sie hat und dass es viele Strategien für die Erfüllung eines Bedürfnisses gibt, maßgeblich dazu beigetragen haben, dass ich entspannt und frei meine Jugend genießen konnte. Ich konnte Dinge ausprobieren, lange wegbleiben, feiern und vieles mehr ohne die mahnende Stimme meiner Mutter im Hintergrund. Ihre Bewusstheit für sich selbst und die Fähigkeit, unabhängig von mir für sich zu sorgen, verhalf ihr zu einer Gelassenheit mir gegenüber, die mir wiederum Freiheit ermöglichte. Das Thema Gelassenheit führt zu einem weiteren entscheidenden Punkt, der das Verhältnis zwischen mir und meinen Eltern charakterisiert. Von Freundinnen hörte ich nicht nur, ihre Eltern würden immer so „rumstressen“, sondern oft auch Folgendes: „Und dann will sie auch noch, dass ich mich dauernd melde, und nirgends darf ich auch einfach mal hinfahren, ohne ihr Bescheid zu geben. Sie vertraut mir einfach null!“ Vertrauen. Vermutlich ist kaum etwas anderes so wichtig für eine Eltern-Kind-Beziehung. Und damit meine ich nicht nur, dass die Kinder ihren Eltern vertrauen, sondern auch, dass ein Kind bemerkt, dass seine Eltern ihm vertrauen. Meine Eltern haben mir vertraut, da bin ich mir sehr sicher. Ein Zeichen von Vertrauen
Wenn ich auf meine Kindheit und Jugend zurückblicke, finde ich viele Beweise dafür, dass meine Eltern mir vertraut haben. Zum Beispiel, dass ich bereits in jungen Jahren allein mit dem Fahrrad zur Schule fahren durfte oder dass ich innerhalb unseres Ortes schon im Grundschulalter mit meinen Freundinnen ganz ohne Erwachsene durch die Gegend ziehen durfte. Ich erinnere mich noch lebendig an ein Gespräch mit meinen Freundinnen zu diesem Thema. Sie machten mit ihren Eltern ganz andere Erfahrungen. Wir waren damals ungefähr 15 Jahre alt: Wir sitzen vor unserer Schule auf dem Schulhof und essen unsere Pausenbrote. Es ist Sommer, die Sonne scheint uns warm ins Gesicht. Nur noch zwei Stunden, dann haben wir es geschafft: Endlich Sommerferien! Wir unterhalten uns darüber, was wir in den kommenden Tagen vorhaben. Ganz nebenbei lasse ich den Satz fallen: „Ihr könnt auch zu mir kommen, wenn ihr wollt. Ich bin die ganze Woche allein zu Hause.“ Meine Freundinnen schauen mich ungläubig an. „Deine Mutter lässt dich eine ganze Woche allein zu Hause?“, fragt eine von ihnen und sieht dabei aus, als könne sie mein Glück kaum fassen. Ich zucke nur die Schultern. „Ja,...


Lea Sikor, geb. 1998, ist mit Gewaltfreier Kommunikation aufgewachsen. Heute lebt sie mit ihrem Mann in der Nähe von Göttingen und studiert Kommunikationspsychologie. Sie möchte zukünftig GFK auch beruflich weiterverfolgen.
Bärbel Klein, geb. 1960, ist Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC-zert.) und Coach für Stressbewältigung (ROMPC®). Als Fortbildnerin in Kitas und Teamerin auf GFK-Familienfreizeiten engagiert sie sich für Gewaltfreiheit im Miteinander von Kindern und Erwachsenen.


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