Smil | Zahlen lügen nicht | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 6559, 349 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Smil Zahlen lügen nicht

71 Geschichten, um die Welt besser zu verstehen

E-Book, Deutsch, Band 6559, 349 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-81007-7
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Vaclav Smil ist ein Zahlenkünstler. Er beschreibt unsere Welt in Zahlen und beleuchtet sie dadurch auf überraschende Weise neu. Smil berechnet, ob ein Auto oder ein Smartphone mehr Energie benötigt oder wie viele Menschen es brauchte, um die Pyramiden zu bauen. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern räumt auch mit manchen Irrtümern und falschen Vorstellungen darüber auf, wie unsere Welt wirklich funktioniert. Denn am Ende sind es die Zahlen, die uns den wahren Zustand der Welt enthüllen.

Vaclav Smil hat die Fähigkeit, praktisch alles auf Zahlen herunterzubrechen und berechenbar zu machen. In seinem globalen Bestseller «Zahlen lügen nicht» führt er leicht zugänglich in eine Vielzahl von Themen ein: Bevölkerungsentwicklung und Krankheiten, Ernährung und Landwirtschaft, Energie und Umwelt, technologische Innovationen sowie die Maschinen und Geräte, die unsere moderne Zivilisation ermöglichen. So bietet das Buch auch eine Summe all der Themen, die Vaclav Smil seit den 1970er Jahren erforscht und in über 40 Büchern bearbeitet hat. Dabei geht sein Blick sowohl in die Vergangenheit als auch zu den Streitfragen der aktuellen Politik. Er enthüllt die Einzigartigkeit unserer Spezies, ihre Erfindergabe und Lernbegier. Er nimmt aber auch mit auf eine Art fact-finding-mission, die faszinierende Informationen und überraschende Einsichten bereithält.
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Ein russischer Panzer dringt am 24. Februar 2022 auf ukrainisches Gebiet vor 1 Angriff Russland sinnt auf Revanche
Am Tag, als Wladimir Putin sein Volk für den Krieg mobilisierte, traf ich einen alten Moskauer Freund. Wir gingen in ein Café in der Nähe der Christi-Erlöser-Kathedrale, wo sich üblicherweise viele junge Leute einfanden. Nun war es fast leer an diesem 21. September 2022, an den spärlich besetzten Tischen saßen nur Frauen. «Die Männer verstecken sich wohl zuhause, falls die Feldjäger kommen», mutmaßte mein Freund. Auch er fühlte sich nicht sicher. Zwar war er schon Ende 40, aber er hatte in der Armee gedient und durfte das Land nicht verlassen. Er erzählte mir von seinem Sohn, der 31 Jahre alt war und in Moskau einen sicheren Job in der Verwaltung hatte. Noch nicht verheiratet, keine Kinder, ein Topkandidat für die Front. «Wir telefonieren alle paar Stunden, und ich dränge ihn zu gehen.» Der Sohn wehrte ab, er glaubte, das betreffe ihn alles nicht. Der Krieg, die Einberufungen, die Front, der Tod oder das Straflager, wenn er zurückwiche oder freiwillig in Gefangenschaft ginge. Das hatte doch mit seinem Leben nichts zu tun. Sein Vater sah das anders. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis das sein Leben sei. «Wenn sie mehr Soldaten brauchen, holen sie uns alle.» Deshalb plante er sorgfältig die Ausreise des Sohnes. Nicht darüber reden, schreiben, texten. Flüge kaufen und das Rückflugticket an der Grenze zur Tarnung vorzeigen. Flucht nach Istanbul. Hartnäckig versuchte er, seinen Sohn zu überzeugen. Bat ihn, nervte ihn, schrie ihn an: «Geh!» Es zerriss ihm das Herz. Zwei Tage nach unserem Treffen rief mich mein Freund an. Sein Sohn sei gerade in die Türkei ausgeflogen. Er wisse nicht, ob er ihn je wiedersehen würde. Es war die richtige Entscheidung. Der russische Herrscher hatte den Krieg im September 2022 von der Ukraine auf die eigene Bevölkerung ausgeweitet. Junge Leute wie der Sohn meines Freundes wurden seit Ende September von der Straße wegmobilisiert. Die Einberufungsbefehle brachten der Hausmeister, der Pizzabote, der Stromableser, der Blockpolizist. In Moskau fuhren Busse durch die Stadt, wo sich jedermann an die Front melden konnte. Wer gegen den Krieg protestierte, wurde in Handschellen an die Front geschickt. Ich sprach und textete Tag und Nacht mit Freunden und Bekannten. Über Grenzübergänge. Über die Kinder. Über Asylanträge und das Leben im Westen. Viele von ihnen gingen bis Ende September 2022, als Russland die Grenzen für seine Bürger im wehrfähigen Alter weitgehend schloss. Das Jahr 2022 brachte den Krieg nach Europa zurück. Es ist das größte Beben seit dem Zweiten Weltkrieg und hat das Leben der Europäer tiefgreifend verändert. Und wir befinden uns erst am Anfang dieser neuen Epoche. Putins verbrecherischer Angriffskrieg hat Zehntausenden Ukrainern und Ukrainerinnen das Leben geraubt, er hat Millionen das Dach über dem Kopf weggerissen und sie zu Flüchtlingen gemacht. Der europäische Kontinent ist in eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise gestürzt, von der niemand weiß, wann und wo sie endet. Wachsende Zweifel am politischen System und Geldentwertung erschüttern viele Staaten, auch im globalen Süden. An den Folgen dieses Krieges wird die Menschheit noch Jahre zu tragen haben. Die Ursachen liegen nicht in geopolitischen Großmacht-Konkurrenzen oder kapitalistischen Spekulationsstürmen. Schuld daran sind ein Mann, sein Regime und seine Unterstützer. Sie haben ohne Not und ohne Bedrängnis, aber mit imperialer Gebärde ein Nachbarland überfallen. Mit furchtbaren Konsequenzen für die ganze Welt. Wladimir Putin war ein schmalgesichtiger und fast schüchterner Regierungschef, als ich ihn Ende 1999 zu einem ersten Interview traf. Er wirkte unbeholfen und kantig in seinen Bewegungen, sprach ein sehr umständliches Russisch mit vielen bürokratischen Formeln. Damals tat er so, als wolle er gute Beziehungen mit dem Westen aufbauen. Er sprach von Demokratie und Zusammenarbeit, von gemeinsamer Bekämpfung des Terrorismus und wirtschaftlicher Kooperation. Schon damals glaubte ich ihm nicht wirklich. Ich hielt ihn für einen autoritär veranlagten Geheimdienstmann, der seine Amtszeit damit einläutete, Tschetschenien mit einem brutalen Krieg zu überziehen. Was ich trotzdem nie geahnt hätte, dass ich damals den Menschen traf, der gute 20 Jahre später aus seinem Bunker der ganzen Welt mit einer atomaren Katastrophe drohen sollte. Insofern hat Putin uns alle überrascht. Die Frage ist nur: Wer hat wann gemerkt, dass dem Mann nicht zu trauen war? Der Zeitpunkt ist hochpolitisch. Denn westliche Gutgläubigkeit, Kumpanei und ein riesiger Vertrauensvorschuss haben Wladimir Putin großgemacht. Ein vielzitierter Irrtum ist der des früheren US-Präsidenten George W. Bush, der 2001 sagte: «Ich schaute dem Mann in die Augen und in seine Seele. Ich fand ihn aufrichtig und vertrauenswürdig.» Oder der Persilschein des früheren Kanzlers Gerhard Schröder, der Putin 2004 einen «lupenreinen Demokraten» nannte. Schröder hat das Jahre später mehrfach wiederholt, da war der Ex-Kanzler längst zum Oligarchen in russischen Konzernen geworden. Doch auch viele seiner Parteifreunde in der SPD wollten partout nicht sehen, was am Kreml-Machthaber ganz offensichtlich war. Und das lange nach der Annexion der Krim 2014. Auch in den anderen deutschen Parteien, in der FDP, der Union, sogar bei den Grünen gab es Leute, die sich von Putin gern täuschen ließen. Ganz zu schweigen von den Linken und der AfD, die offen für Russland und seinen Präsidenten Partei ergriffen. Die Deutschen redeten sich den Mann schön. Beim Überfall auf die Ukraine gaben sich die Vertrauensseligen plötzlich überrascht. Deutsche Politiker, deutsche Geschäftsleute, deutsche Verbandsvertreter waren «schwer geschockt», «enttäuscht»; sie sagten: «Das hätten wir nie erwartet». Warum eigentlich nicht? Putins Überfall auf die Ukraine ist ein Krieg, der schon 2014 mit der Krim-Annexion begann. Sie hätten nur hinsehen und hinhören müssen. Die Illusionen westlicher Politiker und Geschäftsleute haben Wladimir Putin geholfen, die Welt heute derart zu bedrohen. Deutschland deckelte bis 2021 hartnäckig seinen Verteidigungshaushalt, erhöhte aber seine Gasabhängigkeit von Russland von 38 Prozent im Jahr 2012 auf 55 Prozent 2021. Mit dem damals schon falschen Argument, Russland habe immer zuverlässig geliefert. Putin hat viele Jahre Fortune in den internationalen Beziehungen gehabt, weil ihm viele glaubten. Weil ihn viele unterschätzten. Weil viele meinten, man müsse nur fleißig mit ihm reden und ihn hochachten, dann wäre er zu jeder Form der Partnerschaft bereit. Zwei Irrtümer halfen Putin besonders: die Annahme, er sei eigentlich ein guter Mann, nur leicht zu beleidigen. Und die Befürchtung, dass alles viel schlimmer werde in Russland, wenn er einmal ginge. Noch schlimmer? Als die russischen Truppen am frühen Morgen des 24. Februar die Ukraine überfielen, schlief ich in meiner Moskauer Wohnung. Die Redaktion von ZEIT-Online klingelte mich um halb sechs Uhr morgens aus dem Bett. Noch vor dem ersten Tee schrieb ich den Aufmacher. Darin warnte ich, dass dieser Krieg keine lokale Angelegenheit zwischen Russland und der Ukraine sei, sondern eine Bedrohung für ganz Europa. Wenige Stunden später gingen die ersten Reaktionen ein. Eine Leserin protestierte: Das sei doch eine Sache zwischen zwei ehemaligen Sowjetrepubliken. Warum ich allen Angst machen würde und behauptete, auch «wir» seien bedroht? Einige Wochen später schrieb mir ein empörter Leser: Putin führe keinen Krieg gegen uns, er reagiere nur auf die westlichen Sanktionen. Monate später las ich in den Zuschriften: Putin reagiere mit den Drohungen gegen Deutschland nur auf unsere Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Nato habe Russland provoziert. Wieder ein Entlastungsargument. Wieder die Unterstellung der Harmlosigkeit. Wieder eine grobe Unterschätzung von Putin. Deshalb schreibe ich dieses Buch. Der Schauplatz des heißen Kriegs ist beim Abfassen dieser Zeilen noch die Ukraine. Doch der hybride große Krieg richtet sich in erster Linie gegen uns. Putin will die liberale Demokratie beerdigen. Er greift den Lebensstil Europas an, seine Sicherheit und seine wirtschaftlichen Lebensgrundlagen. Er will mit einem Gasembargo Deutschlands industrielle Basis zerstören. Er will Kontrolle über den Kontinent. Dieser Angriff ist umso gefährlicher, als Russland Teil Europas ist. Der ehemalige Präsident und heutige Vize-Vorsitzende des Sicherheitsrats Dmitrij Medwedew hat die russische Sicht auf Europas Zivilisation bloßgelegt, als er den Balten und letztlich allen Europäern...


Vaclav Smil ist Professor em. für Umweltwissenschaften an der University of Manitoba. Er ist Autor von über 40 Büchern. Von keinem anderen lebenden Wissenschaftler wurden mehr Bücher in "Nature" besprochen. Smil gilt als Bill Gates , Lieblingswissenschaftler und wurde 2010 von "Foreign Policy" unter die "Top 100 Global Thinkers" gezählt. Bei C.H.Beck ist von ihm erschienen: "Wie die Welt wirklich funktioniert" (2023).


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