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E-Book, Deutsch, Band 8, 100 Seiten

Reihe: Die Instrumentalität der Menschheit

Smith Denk blau, zähl bis zwei -

Erzählung

E-Book, Deutsch, Band 8, 100 Seiten

Reihe: Die Instrumentalität der Menschheit

ISBN: 978-3-641-19239-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Mit dem Photonensegler hinaus ins All
Bevor die großen Schiffe planoformen konnten, mussten die Menschen mit gewaltigen Photonensegelschiffen von Stern zu Stern fliegen. Dabei bleiben nur die Segler ständig wach, die Passagiere liegen im Kälteschlaf. Jeder, der auswandern will, findet einen Platz auf einem Photonensegler. Doch die jahrhundertelange Reise durch das All ist nicht ungefährlich. Manchmal erwachen in der Einsamkeit und Kälte des Alls uralte Dinge in den Köpfen der Segler und ihrer Ersatzmannschaften. Veesey, das schönste Mädchen der Erde, wird mit einem Segler zu einer weit entfernten Kolonie geschickt - und muss am eigenen Leib erfahren, dass das All voller Gefahren ist ... Die Erzählung 'Den blau, zähl bis zwei' erscheint als exklusives eBook Only bei Heyne und ist zusammen mit weiteren Stories von Cordwainer Smith auch in dem Sammelband 'Was aus den Menschen wurde' enthalten. Sie umfasst ca. 42 Buchseiten.

Cordwainer Smith war das Pseudonym von Paul Linebarger. 1913 in Milwaukee, Wisconsin geboren, verbrachte Linebarger seine Kindheit in den unterschiedlichsten Ländern. Sein Vater war pensionierter Richter und politisch aktiv; unter anderem pflegte er Beziehungen zu dem chinesischen Politiker Sun Yat-sen, der Pauls Taufpate war. Linebarger studierte Politikwissenschaft und wurde später Professor für Internationale Politik. Er arbeitete für den militärischen Geheimdienst der USA als Asien-Experte und gehörte dem Beraterstab von Präsident John F. Kennedy an. Er verfasste ein Handbuch über psychologische Kriegsführung, das bis heute als Standardwerk gilt. Daneben schrieb er unter verschiedenen Pseudonymen Kurzgeschichten und Romane; für seine SF-Erzählungen wählte er Cordwainer Smith. 'Cordwainer' ist eine veraltete Bezeichnung für Schuster, Smith bedeutet Schmied. Wie ein Handwerker baute Linebarger nach und nach sein Universum von der 'Instrumentalität der Menschheit' auf, mit dem er in den Fünfziger- und Sechzigerjahren bekannt wurde. Paul Linebarger starb im August 1966 und ist auf dem Nationalfriedhof in Arlington beerdigt.
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I   Bevor die großen Schiffe mittels des Planoformens durch die Sternenwelt flüsterten, mussten die Menschen mit gewaltigen Segeln von Stern zu Stern fliegen – ungeheure Membranen, die im Weltraum an großen, starren, kälteerprobten Takelagen befestigt wurden. Ein kleines Raumschiff bot Platz für den Segler, der die Segel bediente, den Kurs überwachte und für die Passagiere verantwortlich war, die wie Knoten an langen Fäden in ihren kleinen adiabatischen Kapseln hinter dem Schiff hergezogen wurden. Die Passagiere erlebten nichts auf dieser Reise; sie legten sich auf der Erde schlafen und wachten vierzig, fünfzig oder zweihundert Jahre später in einer fremden, neuen Welt wieder auf. Die Methode war ganz einfach. Doch sie funktionierte. Auf ein solches Schiff war Helen Amerika Mr. Nicht-mehr-grau gefolgt. Auf solchen Schiffen bewahrten die Scanner ihre uralte Autorität über den Weltraum. Über zweihundert Planeten waren auf diese Weise besiedelt worden, darunter auch Altnordaustralien, das die Schatzkammer all dieser Welten werden sollte.   Der Emigrationshafen bestand aus einer Reihe niedriger, quadratischer Gebäude – ganz anders als der Erdhafen, der wie ein eingefrorener Atompilz die Wolken überragte. Der Emigrationshafen ist düster, trübe, öde und betriebsam. Seine Mauern sind schwarzrot wie altes Blut, denn so sind sie leichter zu heizen. Die Raketen sind hässlich und einfach, die Raketenhangars so freudlos wie Maschinenhallen. Die Erde besitzt einige Sehenswürdigkeiten, die Besucher anziehen – der Emigrationshafen zählt nicht dazu. Die Menschen, die dort tätig sind, genießen das Privileg wahrer Arbeit und tiefer beruflicher Befriedigung. Die Menschen, die dort hingehen, verlieren sehr bald ihr Bewusstsein. Woran sie sich später noch erinnern, das ist ein kleiner Raum, der an ein Krankenhauszimmer gemahnt, ein schmales Bett, ein wenig Musik, ein paar Gespräche, der Schlaf und (vielleicht) die Kälte. Vom Emigrationshafen aus gelangen sie in ihre Kapseln und werden in ihnen eingeschlossen. Die Kapseln werden von den Raketen zu den Segelschiffen gebracht. Das ist die herkömmliche Methode. Die neue Methode ist besser. Man entspannt sich in einem gemütlichen Salon oder spielt Karten oder verzehrt eine Mahlzeit. Man benötigt dazu nur das halbe Vermögen eines Planeten oder den Nachweis, dass man mehrere Jahrhunderte lang fehlerlos und mit der Bewertung »Exzellent« seine Pflichten erfüllt hat. Bei den Photonenseglern war das anders. Sie boten jedem eine Chance. Ein junger Mann mit heller Haut und hellem Haar zog aus, um unbeschwerten Mutes eine neue Welt zu erforschen. Ein älterer Mann, mit bereits angegrautem Haar, begleitete ihn. So wie dreißigtausend andere. Und auch das schönste Mädchen der Erde. Die Erde hätte sie festhalten können, aber die neuen Welten brauchten sie. Sie musste fortziehen. Mit einem Lichtsegler. Und sie musste den Weltraum durchqueren – den Weltraum, der immer voller Gefahren ist. Manchmal setzt er seltsame Werkzeuge für seine Zwecke ein – die Schreie eines wundervollen Kindes, das lamellierte Gehirn einer längst verstorbenen Maus, das herzzerreißende Schluchzen eines Computers. Meist gönnt der Weltraum keinen Aufschub, keinen Ersatz, keine Rettung, keine Reparatur. Alle Gefahren müssen vorausgesehen werden, sonst enden sie tödlich. Und das größte aller Risiken ist der Mensch selbst.   »Sie ist wunderschön«, sagte der erste Techniker. »Sie ist noch ein Kind«, bemerkte der zweite. »Sie wird nicht mehr wie ein Kind aussehen, wenn sie zweihundert Jahre draußen gewesen ist«, fuhr der erste fort. »Aber sie ist ein Kind«, beharrte der zweite und lächelte. »Eine wunderschöne Puppe mit blauen Augen, die leise den Weg des Erwachsenenlebens betritt.« Er seufzte. »Sie wird eingefroren«, erinnerte der erste. »Nicht für die ganze Zeit«, widersprach der zweite. »Hin und wieder wird man sie wecken. Man muss sie wecken. Die Maschinen tauen sie auf. Du erinnerst dich doch noch an die Verbrechen auf der Alten Zweiundzwanzig. Nette Leute, aber die falsche Zusammenstellung. Und alles ging schief, ging auf schmutzige, brutale Weise schief.« Beide erinnerten sich an die Alte Zweiundzwanzig. Das Höllenschiff war lange Zeit zwischen den Sternen getrieben, bevor sein Leuchtfeuer die ersehnte Rettung brachte. Aber für eine Rettung war es bereits viel zu spät. Das Schiff selbst befand sich in einem untadeligen Zustand. Die Segel waren im richtigen Winkel gesetzt. Die Abertausende von Kälteschläfern, die hinter dem Schiff in ihren adiabatischen Ein-Mann-Kapseln hergezogen wurden, hätten ebenfalls in einem untadeligen Zustand sein können, doch sie waren zu lange dem offenen Weltraum ausgesetzt gewesen und größtenteils verdorben. Aber im Innern des Schiffes – da lag der Fehler. Der Segler hatte versagt oder war gestorben. Die Reservecrew war geweckt worden. Doch sie kamen nicht gut miteinander aus. Oder sie kamen schrecklich gut miteinander aus, nur auf die falsche Art. Draußen, zwischen den Sternen, allein in einer zerbrechlichen, räumlich beengten Kabine, hatten sie neue Verbrechen erfunden und sie aneinander begangen – Verbrechen, wie sie nicht einmal eine Million Jahre alter, irdischer Schlechtigkeit in den Menschen hatte hervorbringen können. Die Rettungsmannschaften, die die Alte Zweiundzwanzig betreten hatten, waren fast verrückt geworden, als sie die Geschehnisse rekonstruierten, die dem Erwachen der Reservecrew gefolgt waren. Zwei von ihnen hatten um eine Gedächtnislöschung gebeten und den Dienst quittiert. Die beiden Techniker wussten Bescheid über die Alte Zweiundzwanzig, als sie das fünfzehnjährige Mädchen betrachteten, das auf dem Tisch schlief. War sie eine Frau? War sie ein Mädchen? Was erwartete sie, wenn sie während des Fluges aufwachte? Sie atmete sanft. Die beiden Techniker sahen einander über ihren Körper hinweg an, und dann sagte der erste: »Wir sollten lieber den psychologischen Wächter rufen. Das ist eine Aufgabe für ihn.« »Er kann es versuchen«, stimmte der zweite zu.   Der psychologische Wächter, ein Mann, dessen Namensnummer mit Tiga-belas endete, betrat eine halbe Stunde später gutgelaunt den Raum. Er war ein verträumt wirkender alter Mann mit einem scharfen, wachen Verstand, der sich vermutlich in seiner vierten Verjüngungsphase befand. Er erblickte das wunderschöne Mädchen auf dem Tisch und holte tief Luft. »Was ist mit ihr – soll sie auf das Schiff?« »Nein«, sagte der erste Techniker, »zu einem Schönheitswettbewerb.« »Halten Sie mich nicht zum Narren«, erwiderte der psychologische Wächter. »Sie meinen, man hat tatsächlich vor, dieses wunderschöne Kind ins Auf-und-Hinaus zu schicken?« »Zu Zuchtzwecken«, erklärte der zweite Techniker. »Die Menschen draußen auf Wereld Schemering sind furchterregend hässlich, und sie haben dem Großen Leuchtfeuer signalisiert, dass sie besser aussehende Neusiedler brauchen. Die Instrumentalität kommt jetzt ihrer Forderung nach. Alle Passagiere dieses Schiffes sind hübsch oder schön.« »Wenn sie so wertvoll ist, warum friert man sie nicht ein und legt sie in eine Kapsel? Auf diese Weise wird sie entweder dort ankommen oder nicht. Ein Gesicht, das so schön ist wie dieses«, sagte Tiga-belas, »kann überall für Ärger sorgen. Auch allein auf einem Schiff. Wie lautet ihre Namensnummer?« »Sie steht dort auf der Tafel«, antwortete der erste Techniker. »Alles steht auf der Tafel. Sie werden sich auch um die anderen kümmern müssen. Sie sind bereits eingetragen und warten nur noch darauf, an Bord gebracht zu werden.« »Veesey-koosey«, las der psychologische Wächter laut vor, »oder Fünf-sechs. Das ist ein alberner Name, aber gleichzeitig auch recht hübsch.« Er warf noch einen Blick auf das schlafende Mädchen und studierte dann die Krankengeschichten der anderen Menschen, die zur Ersatzmannschaft gehörten. Nach weniger als zehn Zeilen war ihm klar, warum das Mädchen für Notfälle bereitgehalten wurde, anstatt die ganze Reise durchzuschlafen. Sie besaß ein Tochterpotenzial von 999,999 und das bedeutete, dass jeder normale Erwachsene beiderlei Geschlechts sie nach ein paar Minuten Bekanntschaft als Tochter akzeptieren konnte und würde. Sie besaß keine Fähigkeiten, keine Gaben, keine ausgebildeten Talente. Aber sie konnte fast in jedem, der älter war als sie, die innere Bereitschaft wecken, mit aller Kraft um sein Überleben zu kämpfen. Um ihretwillen. Und erst in zweiter Linie für sich selbst. Das war alles, aber es war außergewöhnlich genug, um ihr einen Platz in der Kabine zu verschaffen. Sie war die fleischgewordene Umsetzung des alten poetischen Verses: »Die schönste aller Töchter der guten alten Erde …« Als Tiga-belas die Aufzeichnungen durchgesehen hatte, war seine Arbeit fast beendet. Die Techniker hatten ihn nicht dabei gestört. Er drehte sich noch einmal um, um noch ein letztes Mal das liebliche Mädchen anzusehen. Sie war fort. Der zweite Techniker hatte den Raum verlassen, und der erste säuberte gerade seine Hände. »Sie haben sie nicht eingefroren?«, rief Tiga-belas. »Ich muss sie noch fixieren, wenn die Sicherung wirksam bleiben soll.« »Natürlich müssen Sie das«, sagte der erste Techniker und nickte. »Wir haben dafür zwei Minuten reserviert.« »Sie haben mir zwei Minuten reserviert«, entfuhr es Tiga-belas, »für Schutzvorkehrungen für einen Flug von...


Smith, Cordwainer
Cordwainer Smith war das Pseudonym von Paul Linebarger. 1913 in Milwaukee, Wisconsin geboren, verbrachte Linebarger seine Kindheit in den unterschiedlichsten Ländern. Sein Vater war pensionierter Richter und politisch aktiv; unter anderem pflegte er Beziehungen zu dem chinesischen Politiker Sun Yat-sen, der Pauls Taufpate war. Linebarger studierte Politikwissenschaft und wurde später Professor für Internationale Politik. Er arbeitete für den militärischen Geheimdienst der USA als Asien-Experte und gehörte dem Beraterstab von Präsident John F. Kennedy an. Er verfasste ein Handbuch über psychologische Kriegsführung, das bis heute als Standardwerk gilt. Daneben schrieb er unter verschiedenen Pseudonymen Kurzgeschichten und Romane; für seine SF-Erzählungen wählte er Cordwainer Smith. „Cordwainer“ ist eine veraltete Bezeichnung für Schuster, Smith bedeutet Schmied. Wie ein Handwerker baute Linebarger nach und nach sein Universum von der „Instrumentalität der Menschheit“ auf, mit dem er in den Fünfziger- und Sechzigerjahren bekannt wurde. Paul Linebarger starb im August 1966 und ist auf dem Nationalfriedhof in Arlington beerdigt.


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