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E-Book, Deutsch, 496 Seiten

Smith Revolution in Russland

Das Zarenreich in der Krise 1890–1928

E-Book, Deutsch, 496 Seiten

ISBN: 978-3-8053-5124-9
Verlag: wbg Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



»Revolution in Russland«, das neue Buch des britischen Historikers Stephen A. Smith, sticht hervor durch zahlreiche neue, vor allem russische Quellen sowie durch seine ungewöhnliche Chronologie: 1890-1928. Diese große zeitliche Bandbreite - vom späten Zarenreich bis zu den ersten Zwangskollektivierungen Ende der 1920er Jahre - erlaubt es Smith, in bisher nicht dagewesenem Umfang die sozialen und kulturellen Grundlagen und Auswirkungen der Russischen Revolution zu berücksichtigen. Ebenso fesselnd wie informativ erzählt Smith, wie der Krieg zum Sturz Nikolaus II. während der Februarrevolution 1917 führte; warum die demokratische Regierung in diesem Jahr scheiterte; wie die Bolschewiki den Bürgerkrieg gewinnen konnten; und wie Stalin an die Macht kam. Er liefert somit eine umfassende Synthese der wichtigsten Ursachen, Entwicklungen und Auswirkungen der Russischen Revolution auf aktuellstem Stand der Forschung und präsentiert dem Leser immer wieder neue, ungewöhnliche Perspektiven.

Stephen A. Smith ist Professor für Geschichte am All Souls College der Universität Oxford und einer der renommiertesten Russland-Historiker der Welt. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Sozialgeschichte Rußlands und der Russischen Revolution sowie die Geschichte Chinas und die vergleichende Kommunismusforschung.
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EINLEITUNG
„Die Revolution war eine große Sache!“, fuhr Monsieur Pierre fort und verriet durch diese kühne und herausfordernde Behauptung sein äußerst jugendliches Alter. „Wie? Revolution und Königsmord sind eine große Sache?“ „Ich rede nicht von Königsmord, ich rede von Ideen.“ „Ja: Ideen von Raub, Mord und Königsmord“, warf eine ironische Stimme erneut ein. „Das waren zweifellos Auswüchse, aber nicht das eigentlich Wichtige. Wirklich wichtig sind die Menschenrechte, die Befreiung von Vorurteilen und die Gleichheit der Bürger.“ Tolstoi, Krieg und Frieden Mit diesen wenigen Sätzen aus der Anfangsszene seines Meisterwerks zeigt Tolstoi auf glänzende Weise, wie stark umkämpft die historische Bedeutung der Französischen Revolution im ganzen 19. Jahrhundert und sogar noch im größten Teil des 20. Jahrhunderts war. 1978 erklärte der französische Historiker François Furet kühn: „Die Französische Revolution ist beendet.“ Zwar ist dieses Urteil fragwürdig, doch weist es darauf hin, dass ein geschichtliches Ereignis, welches einmal Leidenschaften auf Leben und Tod herausgefordert hatte, nun nicht mehr in der Lage war, die zeitgenössische Politik zu spalten oder zum Gegenstand tieferen gefühlsmäßigen Engagements zu werden. Ob sich dies auch von der Russischen Revolution anlässlich ihres einhundertsten Jahrestags sagen lässt, mag bezweifelt werden, selbst wenn die politische Gestalt, der sie zum Leben verhalf, vor mehr als einem Vierteljahrhundert aufhörte zu existieren. Noch ist das Echo der Herausforderung, mit dem die Machtergreifung der Bolschewiki im Oktober 1917 dem globalen Kapitalismus den Fehdehandschuh hinwarf, nicht verhallt (indes schwächer geworden), unüberhörbar aber werden die zeitgenössischen westlichen Konzeptionen einer durch die Idee von freien Märkten, Menschenrechten und Demokratie bestimmten Politik in Frage gestellt. Furet wies darauf hin, dass es etwas anderes war, die Geschichte der Französischen Revolution zu schreiben, als die Geschichte der fränkischen Eroberungen des 5. Jahrhunderts. „Ein Historiker, dessen Studienobjekt die Französische Revolution ist, muss … Farbe bekennen. … Und die Ausrichtung seiner Arbeit steht fest, noch ehe er zu schreiben beginnt: Sie wird bestimmt durch seine Meinung, jene Form von Urteil, wie sie über die Merowinger nicht verlangt wird … Er muss diese Meinung nur aussprechen, und alles ist gesagt, schon ist er Royalist, Liberaler oder Jakobiner.“1 Natürlich gibt es keine Geschichtsschreibung ganz ohne politischen Widerhall: Die historische Interpretation schließt immer das Engagement mit ein. Zudem ist Historiographie selbst Teil der Geschichte und damit ständiger Revision ausgesetzt. Während nur wenige die Russische Revolution so beurteilen würden wie Pierre Besuchow es in Krieg und Frieden mit der Französischen Revolution tat, sollten wir uns daran erinnern, dass erstere 1945 von vielen auf vergleichbare Weise verteidigt worden wäre, nämlich als Grund und Gründung eines Staats, der, ungeachtet aller Fehler und Mängel, erheblich zur Niederringung des Faschismus beigetragen hatte. Furet kann also mit Fug und Recht behaupten, dass es bestimmte geschichtliche Ereignisse und Persönlichkeiten gibt, die besondere Leidenschaften hervorrufen und deren Geschichte zu schreiben ein spezifisch politisches Unternehmen ist. Auch einhundert Jahre danach ist die Russische Revolution noch solch ein Ereignis. Eben darum habe ich mich bemüht, über die Krise der zaristischen Autokratie, das Versagen der parlamentarischen Demokratie 1917 und den Aufstieg der Bolschewiki zur Macht so leidenschaftslos wie möglich zu berichten. Ich habe alles Moralisieren zu vermeiden und mit Sympathie über jene Persönlichkeiten zu schreiben versucht, gegen die ich Abneigung verspürte, während ich umgekehrt diejenigen kritisch beurteilte, zu denen ich positiv eingestellt war. Doch wer von den Lesern mich gleich zu Beginn mit einem Etikett versehen möchte – und ein Leser hat sicher das Recht zu wissen, wo der Autor steht –, sollte mit der Schlussbetrachtung beginnen. Dieses Buch ist in erster Linie für all jene Leser geschrieben, denen die Thematik noch relativ unbekannt ist, doch hoffe ich, dass es auch für meine akademischen Kollegen einiges von Interesse enthält, da es neuere Forschungen russischer und westlicher Gelehrter zusammenführt und darüber hinaus einige tradierte Interpretationen hinterfragt. Das Buch bietet eine umfassende Darstellung der hauptsächlichen Ereignisse, Entwicklungen und Persönlichkeiten im ehemaligen russischen Imperium vom späten 19. Jahrhundert bis zum Beginn des ersten Fünfjahresplans und der Zwangskollektivierung von 1928/29, als Stalin die sowjetische Bevölkerung einer „Revolution von oben“ aussetzte. Ich möchte die drängenden Fragen beantworten, die Schüler, Studenten und all jene Leser interessieren, die etwas über die Vergangenheit lernen wollen. Warum versagte die zaristische Autokratie? Warum schlug der Versuch, nach der Februarrevolution von 1917 eine parlamentarische Demokratie zu errichten, fehl? Wie konnte es einer kleinen, radikalen sozialistischen Partei gelingen, an die Macht zu kommen und sich in einem grausamen Bürgerkrieg (1918–1921) zu behaupten? Wie kam Stalin an die Macht? Warum setzte er Ende der 1920er Jahre eine brutale Kollektivierungskampagne und die gewaltsame Industrialisierung in Gang? Zur Grundlegung dieser Ereignisse und Prozesse zielt das Buch darauf ab, Einsichten in das Wesen von Macht zu vermitteln, indem es zeigt, wie die Entschlossenheit, Herrschaft auf gewohnte Weise weiterzuführen, zum Zusammenbruch einer ganzen Gesellschaftsordnung führen kann, oder wie diejenigen, die eine bessere Gesellschaft schaffen wollen, durch ihren Willen, um jeden Preis an der Macht zu bleiben, korrumpiert werden. All das sind in Ehren ergraute Themen, aber seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist sehr viel Quellenmaterial verfügbar, das ein neues Licht auf die politische und soziale Geschichte dieser Periode wirft. Im Lauf der letzten 25 Jahre haben russische und westliche Historiker dieses Material genutzt, um alte Fragen einer Prüfung zu unterziehen, neue Fragen zu stellen und festgefügte Kategorien zu überdenken. Diese auf Archivmaterial beruhende Forschung will das Buch reflektieren und dem Leser einen Eindruck davon vermitteln, wie die geschichtswissenschaftlichen Interpretationen der Russischen Revolution sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt haben. Zugleich bedenkt es die Tatsache, dass diese Revolution weiterhin ein Thema ist, bei dem die Ansichten und Interpretationen der Historiker weit auseinandergehen. Sein Hauptzweck liegt jedoch darin, dem Leser eine weitgespannte Darstellung vom Zusammenbruch der zaristischen Autokratie und dem Aufstieg einer bolschewistischen Partei zu geben, wobei größere Aufmerksamkeit, als vor dem Zerfall der Sowjetunion möglich war, bestimmten Sachverhalten gewidmet wird: den imperialen und nationalen Dimensionen der Revolution, der Vielschichtigkeit der in den Bürgerkrieg verwickelten Kräfte, den Versuchen gemäßigter Sozialisten und anarchistischer Parteien, der von den Bolschewiki betriebenen Machtmonopolisierung Widerstand entgegenzusetzen, den von der Revolution bewirkten massiven wirtschaftlichen Leiden und Entbehrungen, dem Konflikt zwischen Kirche und Staat sowie den ökonomischen und sozialen Widersprüchen der Sowjetunion während der Phase der Neuen Ökonomischen Politik in den 1920er Jahren. Bei Revolutionen geht es um den Zusammenbruch von Staaten, um den Wettstreit zwischen rivalisierenden Machtansprüchen und um den Aufbau einer neuen Staatsmacht. Von daher ist die Grundstruktur des Narrativs politischer Provenienz; sie reicht zurück bis zur Phase der Reformen Alexanders II. in den 1860er Jahren und vorwärts in die Zeit des Hochstalinismus der 1930er Jahre. Die Wahl dieses ausgedehnten Zeitrahmens ist dadurch bedingt, dass einige wichtige Entwicklungslinien beleuchtet werden sollen, die den revolutionären Bruch von 1917 überdauerten. Auf grundlegende Weise werden Entwicklungen im Hinblick auf das Zusammenspiel zwischen Zwängen äußerer (Geopolitik und Rivalitäten im internationalen Staatensystem) wie innerer Art (verursacht durch die Aushöhlung gesellschaftlicher Hierarchien mittels rapider wirtschaftlicher Modernisierung) analysiert. Nicht die Revolutionäre schaffen die Revolution – bestenfalls sind sie daran beteiligt, die Legitimität des bestehenden Regimes zu untergraben, indem sie die Vorstellung lancieren, eine bessere Welt sei möglich. Mithin widme ich den politischen Aktivitäten und Argumenten von Revolutionären vor 1917 weniger Aufmerksamkeit, als dies in manchen Standardgeschichtsschreibungen der Fall ist. Lenin selbst wusste genau, dass Revolutionäre erst dann aus der politischen Isolierung ausbrechen und den Versuch unternehmen können, breitere Massen für die Zerstörung der alten Ordnung zu mobilisieren, wenn die bestehende Ordnung von tiefen Krisen gebeutelt wird. Es gilt für praktisch alle sozialistischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts, dass die alte Ordnung nicht durch eine Krise des kapitalistischen Systems ins...


Smith, Stephen
Stephen A. Smith ist Professor für Geschichte am All Souls College der Universität Oxford und einer der renommiertesten Russland-Historiker der Welt. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Sozialgeschichte Rußlands und der Russischen Revolution sowie die Geschichte Chinas und die vergleichende Kommunismusforschung.

Stephen A. Smith ist Professor für Geschichte am All Souls College der Universität Oxford und einer der renommiertesten Russland-Historiker der Welt. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Sozialgeschichte Rußlands und der Russischen Revolution sowie die Geschichte Chinas und die vergleichende Kommunismusforschung.


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