Sommer | Palmyra | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Sommer Palmyra

Biographie einer verlorenen Stadt

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-8053-5136-2
Verlag: wbg Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Als Karawanenstadt an der Handelsroute zwischen östlichem Mittelmeer und dem Arabischen Meer gelegen, nahm das syrische Palmyra während seiner Blütezeit vom 1. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. eine überragende politische und kulturelle Stellung ein. Dann verlor die Stadt an Bedeutung und geriet schließlich fast in Vergessenheit, bis sie im 17. Jahrhundert von einem italienischen Reisenden wiederentdeckt wurde. Schon im 18. Jahrhundert waren die Ruinen von Palmyra zu einem der am häufigsten gemalten Motive des Nahen Ostens geworden. Bis heute begeistert die Wüstenstadt Geschichtsinteressierte und Wissenschaftler gleichermaßen.
Michael Sommer, einer der führenden Spezialisten für den östlichen Mittelmeerraum, erzählt die Geschichte Palmyras von den Anfängen der Stadt über ihre Blütezeit und den allmählichen Niedergang bis hin zur heutigen Bedrohung dieses einzigartigen UNESCO-Weltkulturerbes. Eine bisher einzigartige Studie, hochgelehrt und brillant geschrieben.
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I. Reisewege nach Palmyra
Ihr Städte des Euphrats! Ihr Gassen von Palmyra! Ihr Säulenwälder in der Eb’ne der Wüste! Was seid ihr? Euch hat die Kronen, Dieweil ihr über die Gränze Der Othmenden seid gegangen, Von Himmlischen der Rauchdampf Und hinweg das Feuer genommen; Jezt aber siz’ ich unter Wolken (deren Ein jedes eine Ruh’ hat eigen) unter Wohleingerichteten Eichen, auf Der Heide des Rehs, und fremd Erscheinen und gestorben mir Der Seeligen Geister Friedrich Hölderlin So dichtete vor über 200 Jahren Friedrich Hölderlin und er besang in dem mit „Lebensalter“ überschriebenen Gedicht die Hybris einer großen Zivilisation, die „über die Grenze“ des Menschen („Othmenden“) Möglichen gegangen sei. Die „Städte des Euphrats“ spielen auf das Babel der hebräischen Bibel und die Hure Babylon aus dem Neuen Testament an; auch der „Rauchdampf“ ist eine biblische Reminiszenz: „Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf“, übersetzte Luther den Propheten Joel.1 Das seit dem 17. Jahrhundert von westlichen Reisenden immer wieder aufgesuchte Palmyra steht mit seinen „Säulenwäldern“ für Hölderlin sinnbildlich für die untergegangene Zivilisation der Antike, der er das Idyll unverfälschter, von jedem menschlichen Wirken freier Natur entgegenstellt. Alles, und eben auch die Kronen historischer Größe, ist vergänglich, kein „Lebensalter“ hat Bestand. Wiederentdeckung
Angeregt wurde Hölderlin zu dem Gedicht durch den französischen Orientreisenden und Geschichtsphilosophen Constantin François Comte de Volney (1757–1820), der 1791 seine Gedanken über den Untergang großer Reiche in einem Les Ruines Ou Méditations Sur Les Révolutions Des Empires betitelten Essay publizierte. Der Essay ist eigentlich ein Prosagedicht: Ein Geist nimmt Volneys Ich bei der Hand und erklärt ihm im Angesicht der Ruinenlandschaft mitten in der Syrischen Wüste den Sinn Palmyras und seiner Vernichtung: Zivilisationen kommen und gehen, erklärt der Geist, aber am Ende triumphiere doch nur der Fortschritt über das Überlebte. Die Schrift plädiert angesichts der Französischen Revolution und ihrer Verheerungen für einen vorsichtigen Optimismus, zu dem ihn gerade die Zeugen einer großen Vergangenheit inspirieren. Bei aller Wehmut akzeptiert er, dass das Alte fallen muss, um Neuem Platz zu machen. Volney hatte selbst auf einer ausgedehnten Reise durch den osmanischen Orient Palmyra besucht und seine Eindrücke in einem Reisebericht niedergeschrieben.2 Freilich wandelte der französische Graf, als er 1783 in den osmanischen Orient aufbrach, längst auf ausgetretenen Pfaden. Bereits von 1160 bis 1173 bereiste der spanische Jude Benjamin von Tudela Syrien, das Heilige Land und Mesopotamien. Er behauptet, auf dieser Reise auch „Tarmod“ besucht zu haben, die Stadt „in der Einöde“, die Salomo gebaut habe. Ähnlich wie in Baalbek habe er dort Gebäude aus „riesigen Steinen“ gesehen. „Tarmod“, womit unzweifelhaft Tadmor gemeint ist – so heißt Palmyra auf Hebräisch –, habe zudem eine jüdische Gemeinde von 2000 Personen beherbergt; sie seien kriegserprobt gewesen und hätten „mal mit den Christen, mal mit den Arabern“ paktiert.3 Benjamin mag wirklich in Palmyra gewesen sein. Ebenso gut ist vorstellbar, dass sein Bericht frei – wenngleich gut – erfunden ist, schließlich scheint die Zahl von 2000 Juden deutlich zu hoch gegriffen. Die ersten europäischen Orientreisenden der Neuzeit, der Italiener Pietro della Valle und der Franzose Jean-Baptiste Tavernier, machten beide noch einen Bogen um die Oase, um direkt nach Mesopotamien und Persien zu gelangen. Offenbar barg die Reise durch die Syrische Wüste große Gefahren, vor allem der Beduinen wegen. Der portugiesische Jesuit Manuel Godinho behauptete immerhin, er sei Palmyra auf seiner Syrienreise 1663 nahe genug gekommen, um Säulen, Türme, Wasserleitungen und ein großes, Salomos Tempel gleichendes Gebäude „aus Marmor“ ausmachen zu können, unzweifelhaft den Bel-Tempel.4 Wenige Jahre nach Godinhos Abstecher in die Syrische Wüste, im Sommer 1678, unternahmen 16 Kaufleute der British Levant Company von Aleppo aus eine Expedition in die Oasenstadt, wurden aber von Stammeskriegern des Emirs Melkam gefangen genommen und erst gegen Lösegeld freigelassen. 1691 kehrten sie zurück; diesmal begleitete sie William Halifax, ein Oxforder Don und Geistlicher, der seit 1688 als Kaplan der britischen Kaufmannskolonie in Aleppo diente. Die Expedition erreichte nach sechstägiger Reise am 4. Oktober Palmyra, wo sich die Reisenden vier Tage lang aufhielten. Am 16. Oktober trafen sie wohlbehalten wieder in Aleppo ein. Halifax lieferte der Royal Society in London einen ausführlichen Bericht über die Reise, der 1695 in den Philosophical Transactions der Gesellschaft publiziert wurde und in der Behauptung gipfelt, keine Stadt der Welt habe den Ruhm Palmyras überbieten können.5 Ausführlich berichtete Halifax vom Bel-Tempel und den dort sichtbaren „Arabick Inscriptions“. Er fuhr fort mit Beschreibungen des dreitorigen Bogens, der Kolonnade, der Moschee im Stadtzentrum und des „Little Temple“, des später sogenannten Ba?al-Šamen-Tempels. Der Bericht schließt mit einem Eindruck aus dem Tal der Gräber, dessen Bauten er für Kirchtürme hielt. Halifax nahm Inschriften auf, und ein anonymer Angehöriger der Expedition zeichnete eine Stadtansicht von Südosten, die später als Kupferstich in den Philosophical Transactions erschien.6 Während der gleichen Expedition entstand auch der Entwurf für ein Gemälde, das der niederländische Künstler Gerard Hofstede van Essen 1693 anfertigte und das in großem Format ebenfalls ein Panorama der Ruinenlandschaft zeigt.7 Nachrichten von der Expedition, die sich in Windeseile in ganz Europa verbreiteten, und vor allem die Publikation in den Philosophical Transactions lösten einen ersten Palmyra-Boom in Wissenschaft und Künsten aus. Forscher begannen, systematisch die Inschriften der antiken Stadt zu sammeln und sich mit ihrer epigraphischen Hinterlassenschaft zu beschäftigen; Reisende, darunter die Franzosen Giraud und Sautet (1706) sowie ihr Landsmann Claude Granger (1735), zog es in immer größeren Scharen in die Wüste, wo sie die Ruinen bestaunen wollten; Palmyra beschäftigte die Phantasie von Malern und Schriftstellern; Zenobia eroberte die Opernbühnen Europas.8 Den nächsten Durchbruch markiert die Orientreise der britischen Altertumsforscher Robert Wood und James Dawkins. Die beiden Wissenschaftler, in deren Tross sich auch der italienische Architekt, Bauingenieur und Zeichner Giovanni Battista Borra befand, erreichten Palmyra im März 1751. Anders als die Reisenden zuvor, die hauptsächlich Impressionen aus der Oasenstadt geliefert hatten, machten sich Wood, Dawkins und Borra daran, ihre architektonischen Zeugnisse präzise zu vermessen und bauzeichnerisch zu erfassen. Die von Woods verantwortete, 1753 zugleich in England und Frankreich erschienene umfangreiche Publikation setzte, gemeinsam mit ihrem Zwillingswerk über Baalbek, Maßstäbe in der Dokumentation antiker Architektur. Zugleich übte sie, ähnlich wie die akribischen Studien des italienischen Architekten Giovanni Battista Piranesi, großen Einfluss auf die neoklassische Architektur Europas aus.9 A View of the Ruines of Palmyra alias Tadmor taken on the Southern Side, anonymer Kupferstich, Phil. Trans. R. Soc. Lond. 218 (1695), 125. Nur ein Jahr nach dieser richtungweisenden Arbeit gelang es dem Abbé Jean-Jacques Barthélemy, das palmyrenische Alphabet zu entziffern und damit die zu diesem Zeitpunkt bereits in großer Zahl gesammelten Inschriften lesbar zu machen.10 1785 bereiste der französische Landschaftsmaler und Zeichner Louis François Cassas Syrien und hielt sich einen ganzen Monat in Palmyra auf. In diesen Wochen fertigte er zahlreiche exakte Bauzeichnungen an, unter anderem des Bel-Tempels, publizierte später aber auch seine Eindrücke in einer phantasievollen Voyage pittoresque, in der er zeitgeisttypisch das „Morgenland“ zur Projektionsfläche romantischer Fremdheitskonstruktionen werden ließ.11 Als erste europäische Frau gelangte Lady Hester Stanhope, die Nichte des britischen Premierministers William Pitt des Jüngeren und selbstproklamierte Herrin von Joun, nach Palmyra. 1813 hielt sie, in ihrer Entourage die Oberhäupter der versammelten Stämme und an der Spitze einer Karawane aus 22 Kamelen, festlich Einzug in Palmyra, wo sie sich als „neue Zenobia“ feiern ließ. Hunderte Mädchen standen auf den Konsolen der Säulen Spalier und schwenkten Palmwedel, während sie die Kolonnadenstraße...


Sommer, Michael
Michael Sommer studierte Alte Geschichte, Klassische Philologie, Wissenschaftliche Politik, Neuere und Neueste Geschichte sowie Vorderasiatische Archäologie in Freiburg, Basel, Bremen und Perugia, lehrte in Liverpool und ist seit 2012 Professor für Alte Geschichte an der Universität Oldenburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Imperium Romanum, der östliche Mittelmeerraum sowie die Phönizier. Von ihm sind zahlreiche Bücher erschienen, u.a. "Der römische Orient. Zwischen Mittelmeer und Tigris" (2006), "Die römischen Kaiser. Herrschaft und Alltag" (2010) und "Narren im Purpur. Lebensbilder aus der Antike" (2012).

Michael Sommer studierte Alte Geschichte, Klassische Philologie, Wissenschaftliche Politik, Neuere und Neueste Geschichte sowie Vorderasiatische Archäologie in Freiburg, Basel, Bremen und Perugia, lehrte in Liverpool und ist seit 2012 Professor für Alte Geschichte an der Universität Oldenburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Imperium Romanum, der östliche Mittelmeerraum sowie die Phönizier. Von ihm sind zahlreiche Bücher erschienen, u.a. "Der römische Orient. Zwischen Mittelmeer und Tigris" (2006), "Die römischen Kaiser. Herrschaft und Alltag" (2010) und "Narren im Purpur. Lebensbilder aus der Antike" (2012).


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