Staub | Regulierung in der Krise | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 120 Seiten, Gewicht: 1 g

Staub Regulierung in der Krise

Schweizerische Bankenregulierung und Finanzkrise ökonomische Lagebeurteilung und kritische Synopsis

E-Book, Deutsch, 120 Seiten, Gewicht: 1 g

ISBN: 978-3-03823-997-0
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Im Zusammenhang mit der jüngsten Finanzkrise haben verschiedene Bereiche der schweizerischen Bankenregulierung tief greifende Änderungen und Verschärfungen erfahren. Der Autor gibt in kompakter Form einen Überblick über relevante Neuerungen und getroffene Massnahmen, und zwar mit explizitem Bezug auf die institutionelle Ausgangslage auf dem Finanzplatz Schweiz. Schwerpunkte sind Eigenkapital- und Liquiditätsregulierung, das 'Too big to fail'-Paket sowie die Regulierung zur Verbesserung der Systemstabilität. Die Darstellung erfolgt aus einer ökonomisch fundierten Perspektive, wobei bewusst ein hoher Bezug zur regulatorischen und regulierungspolitischen Praxis angestrebt wird. Der Autor nimmt eine Lagebeurteilung aktueller Probleme und Herausforderungen vor und diskutiert Leitlinien für die zukünftige Ausgestaltung der Bankenregulierung. Sowohl geeignet für Studierende der Wirtschaftswissenschaften als auch für eine interessierte Öffentlichkeit.
Staub Regulierung in der Krise jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


3  Regulierung der Liquidität Neben der Regulierung des Eigenkapitals einer Bank, wie sie im vorangehenden Kapitel besprochen wurde, spielt auf internationaler wie nationaler Ebene auch die Regulierung der Liquidität eine wesentliche Rolle. Die Frage, in welcher Weise die Bankenregulierung Anforderungen an die Liquiditätsausstattung einer Bank stellt bzw. stellen soll, bildet den Gegenstand dieses Kapitels. Vereinfachend lässt sich der Unterschied in der Zielrichtung wie folgt charakterisieren: Eigenkapitalregulierung ist primär auf die Verhinderung (bzw. Reduktion des Risikos) von Insolvenz gerichtet, während Liquiditätsregulierung auf die Verhinderung (bzw. Reduktion des Risikos) von Illiquidität abzielt. Entsprechend hängen die regulatorischen Präferenzen unter anderem wesentlich von der Art der Diagnose von Bankenproblemen und Systeminstabilitäten ab: Wer die Gefahr von Insolvenz als zentrales Problemfeld betrachtet, wird vergleichsweise hohen Wert auf strenge Eigenkapitalnormen legen. Wer demgegenüber davon ausgeht, dass zur empirischen Erklärung beobachteter Krisen vor allem mangelnde Liquidität herangezogen werden muss, wird die Notwendigkeit strikter Liquiditätsnormen hervorheben. Diese vereinfachende Unterscheidung ist jedoch problematisch und in gewisser Weise sogar unzulässig. Das liegt vor allem daran, dass es sich bei Insolvenz und Illiquidität zwar um konzeptionell trennbare Probleme handelt, diese jedoch in der Realität, und besonders im Kontext von Krisen, häufig schwierig abzugrenzen sind bzw. gleichzeitig auftreten – und sogar interagieren können. Das heisst insbesondere auch, dass Eigenkapital- und Liquiditätsregulierung nicht als Substitute zur Erreichung der gleichen Ziele interpretiert werden müssen, sondern durchaus als regulatorische Komplemente gesehen werden können, die sich bei geeigneter Ausgestaltung sinnvoll ergänzen. 3.1  Begründung Einen nützlichen Ausgangspunkt für das Verständnis der Liquidität als Zielgrösse regulatorischer Bestrebungen bildet die Fristentransformation von Banken. Sie gehört, nebst der Transformation von Beträgen und Risiken, zu den idealtypischen Funktionen einer Bank. Unter Fristentransformation ist zu verstehen, dass eine (repräsentative) Bank typischerweise und «im Durchschnitt» relativ kurzfristige Positionen auf der Passivseite ihrer Bilanz in relativ langfristige Positionen auf der Aktivseite transformiert. Als einfaches, aber illustratives Beispiel kann man sich eine Bank vorstellen, deren Tätigkeit sich darauf beschränkt, kurzfristige, im Prinzip jederzeit einlösbare Einlagen (Depositen) des Publikums entgegenzunehmen (Passivseite) und langfristige Kredite an Unternehmungen zu vergeben (Aktivseite). Aggregiert lässt sich das als Transformation kurzer in lange Fristen interpretieren. Insbesondere zur Begründung kurzfristiger Depositenverträge besteht eine theoretische Literatur, welche die Optimalität solcher Kontrakte mikroökonomisch zu erklären versucht. Ein erster Ansatz argumentiert dabei über den stochastischen Liquiditätsbedarf von Einlegern (Konsumenten), die in Unkenntnis ihres zukünftigen Konsumbedarfs (bzw. von dessen Verteilung über die Zeit) Verträge mit der Bank wählen, die ihnen prinzipiell bzw. mit wenigen Einschränkungen die jederzeitige Verfügbarkeit ihrer Einlagen garantieren (DIAMOND und DYBVIG, 1983). Ein zweiter Ansatz stellt dagegen darauf ab, dass die Drohung der jederzeitigen Rückforderbarkeit von Depositen eine disziplinierende Wirkung auf das Management der Bank ausübe, die mindestens aus Sicht der Einleger im Sinne einer Risikobegrenzung wünschbar erscheint (CALOMIRIS und KAHN, 1991). Unabhängig von der Art der Begründung kurzfristiger Depositenverträge führt die Fristentransformation dazu, dass die typische Bank in gewisser Weise permanent von Illiquidität bedroht ist, weil sie aufgrund der langfristigen Bindung ihrer Kreditverträge auf der Aktivseite nicht sämtliche Einleger auf der Passivseite simultan auszahlen könnte. Dieses Phänomen wird als «latente Instabilität» von Banken (und des Bankensystems) bezeichnet. Diese Instabilität bzw. Gefahr von Illiquidität kann ihrerseits Anreize zu einem Bank Run (Schaltersturm) generieren, indem sie den einzelnen (repräsentativen) Einleger veranlassen kann, seine Einlagen von der Bank zurückzuziehen, bevor andere Einleger dasselbe tun und die Bank ab einem gewissen Punkt die Einleger nicht mehr befriedigen kann (Sequential Service Constraint). Ein Bank Run bezeichnet den simultanen oder «quasi-simultanen» Versuch aller oder vieler Einleger einer Bank, ihre Einlagen abzuheben. In der Literatur wird üblicherweise zwischen zwei verschiedenen Typen von Bank Runs unterschieden. Unter «informationsinduzierten» Runs werden Situationen verstanden, in denen den Rückzügen der Einleger direkte, «objektive» Motive zugrunde liegen, indem diese über Informationen bezüglich «tatsächlicher» Probleme der Bank (z. B. drohende Illiquidität oder Insolvenz) verfügen (z. B. JACKLIN und BHATTACHARYA, 1988). Davon zu unterscheiden sind Bank Runs ohne Informationsinduzierung, die im Sinne reiner «Self-Fulfilling Prophecy»-Phänomene ablaufen: Der Run entsteht ohne äusseren Anlass, weil er von den Einlegern erwartet wird. In entsprechenden Modellen kann gezeigt werden, dass auch solche Bank Runs als Gleichgewichtsphänomene interpretierbar sind (DIAMOND und DYBVIG, 1983). Dabei liegt der Mechanismus zugrunde, dass es für den einzelnen Einleger rational sein kann, die Bank zu stürmen, falls er erwartet, dass die anderen Einleger dies ebenfalls tun. Eine einfache spieltheoretische Modellierung solcher Bank Runs findet sich in GIBBONS (1992). Im Zusammenhang mit der jüngsten Finanzkrise haben Liquiditätsstörungen phasenweise eine wichtige Rolle gespielt. Dabei ist zu beachten, dass sich die entsprechenden Runs nicht nur auf individuelle Einleger zu beziehen brauchen, sondern insbesondere auch auf den Interbankenmarkt. Informationen und Gerüchte über Probleme einzelner Banken können dabei eine Vertrauenskrise zwischen Banken auslösen, was deren Refinanzierung auf dem Interbankenmarkt substanziell erschweren kann. Als verbreitetes Rezept, um die Anreize für einen Schaltersturm zu eliminieren oder mindestens zu reduzieren, wird normalerweise eine Depositenversicherung bzw. ein System zur Einlagensicherung empfohlen (vgl. z. B. esisuisse, Einlagensicherung der Banken und Effektenhändler). Soweit die Einlagen im Rahmen eines staatlichen oder privat organisierten Systems versichert sind, besteht grundsätzlich kein Anreiz mehr, sich an einem Schaltersturm zu beteiligen. Auf die damit allerdings verbundenen informations-ökonomischen Probleme in Form von Moral Hazard und Adverse Selection soll hier nicht eingegangen werden. Wichtiger ist im vorliegenden Zusammenhang die Erkenntnis, dass die beschriebene latente Instabilität oder Illiquidität von Banken auch Ansatzpunkt für regulatorische Interventionen im Sinne vorgegebener Liquiditätsuntergrenzen bzw. einer vorgeschriebenen Mindestausstattung an Liquidität sein kann. 3.2  Neue Methodologie In der regulatorischen Praxis befindet sich die Liquiditätsregulierung gegenwärtig in einer ausgeprägten Umbruchphase. Eine neue Methodologie im Bereich Liquidität gehört, wie bereits im vorangehenden Kapitel erwähnt, als fester Bestandteil zum Komplex von Basel III. Während allerdings die Komponenten zum Eigenkapital innerhalb von Basel III weitgehend definiert sind, folgen die Revisionsbestrebungen bei der Liquidität einer leicht verschobenen Zeitplanung. Mit anderen Worten befindet sich die Regulierungsdiskussion im längerfristigen Überblick momentan an einem Punkt, wo sich das Schwergewicht der Revisionsanstrengungen, international wie national, vom Eigenkapital auf die Liquidität verlagert. Soweit die diesbezüglichen Entwicklungen absehbar sind, dürften sie, sowohl auf der Ebene internationaler Standards wie auch in der schweizerischen Umsetzung, eine markante Änderung gegenüber der bisherigen Regelung mit sich bringen. In der Schweiz waren die Liquiditätsanforderungen («Gesamtliquidität») bisher in der Bankenverordnung (Verordnung über die Banken und Sparkassen, BankV) geregelt. Innerhalb von Basel III ist die Einführung zweier neuer Liquiditätsstandards vorgesehen (Basel Committee on Banking Supervision, 2010b). Erstens handelt es sich dabei um die sogenannte «Liquidity Coverage Ratio» (LCR), zweitens um die ebenfalls neue «Net Stable Funding Ratio» (NSFR). Erstere befindet sich seit 2011 in einer «Observation Period» des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht und soll voraussichtlich ab 2015 zum geltenden Standard werden. Letztere ist demgegenüber weiterhin «under review» und dürfte aller Voraussicht nach erst ab 2018 offiziell eingeführt werden. Die Liquidity Coverage Ratio ist eine kurzfristige Liquiditätskennzahl, die sich auf einen Zeithorizont von einem Monat bezieht. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass Banken über genügend qualitativ hochwertige, liquide Aktiva (High Quality Liquid Assets, HQLA) verfügen, um ihre Liquiditätsbedürfnisse in einem vordefinierten Stressszenario decken zu können. Technisch ausgedrückt, muss der Quotient aus dem Bestand an entsprechenden Aktiva und dem für die nächsten 30 Tage erwarteten Netto-Mittelabfluss unter Stress mindestens 100 Prozent betragen. Die entsprechende Berechnung erfolgt mittels vorgegebener Zu- und Abflussraten für die einzelnen Kategorien von...


Markus Staub hat an der Universität Basel Wirtschaftswissenschaften studiert und zum Thema Systemrisiko promoviert. Er ist Lehrbeauftragter für Banken- und Finanzmarktregulierung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. Ausserdem ist er Mitglied der Direktion der Schweizerischen Bankiervereinigung, wo er den Bereich Bankenpolitik und Bankenregulierung leitet.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.