Stelling | Freddie und die Bändigung des Bösen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Stelling Freddie und die Bändigung des Bösen

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-641-25567-1
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Freunde halten immer zusammen. Oder etwa nicht?
Freddie und Mattis sind Freunde seit der Kita. Jetzt werden sie beide zwölf, und immer noch bringt Mattis die meisten Erwachsenen auf die Palme mit seiner großen Klappe und jeder Menge dummen Ideen. Im Gegensatz zu Mattis will Freddie eigentlich nicht im Mittelpunkt stehen. Vielmehr macht er bei allem, was Mattis so anzettelt, einfach mit – und sei es nur, um das Schlimmste zu verhindern. Am Ende hat Mattis es jedenfalls Freddie zu verdanken, dass er doch nicht von der Schule fliegt. Denn Freunde halten zusammen, immer. Findet Freddie. Oder?
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Hausschuhe und Pfandflaschen Das hier ist die Geschichte von Freddie. Ich überlege, wie ich ihn beschreiben soll; ist nicht ganz einfach, einen Menschen so zu beschreiben, dass andere ihn sich vorstellen können. Er ist elf, wird bald zwölf, und das könnte was über ihn aussagen – wenn man glaubt, dass das Alter eine Rolle spielt. Tut es wohl. Es macht vermutlich schon einen Unterschied, ob einer elf ist oder siebzehn: Mit elf darf man weniger. Weiß vielleicht auch weniger, gleichzeitig weiß keiner, was ein anderer so weiß. Hängt ja auch davon ab, was er schon erlebt hat. Und ob er schlau ist. Oder dumm. Freddie ist schlau, allerdings nicht besonders gut in der Schule. Weil er oft keine Lust hat, die Sachen zu machen, die in der Schule gefragt sind, und zu Hause hat er auch keine Lust, Malreihen zu üben oder Vokabeln zu lernen. Er spielt lieber Brawl Stars und Minecraft und guckt Videoclips auf Youtube. Darüber weiß er viel, aber das interessiert wiederum die Lehrer und Lehrerinnen in der Schule nicht. Freddie ist jeden Tag acht Stunden in der Schule, außer freitags, da geht die Schule nur bis halb zwei. Die Gebrüder-Grimm-Schule, die Freddie besucht, ist eine Ganztagsschule, was Nina, Freddies Mutter, super findet – weil sie selbst den ganzen Tag arbeiten muss und Freddie dann nicht so viel allein zu Hause ist und Brawl Stars spielt. Sondern was Ordentliches lernt. Ordentlich ist Freddie. Er bringt seine Wäsche in den Wäschekorb und stellt das Geschirr in die Spülmaschine und sortiert seine Stifte nach Farben. Mattis, Freddies bester Freund, findet das komisch. Gleichzeitig leiht er sich gerne Freddies Stifte, weil seine eigenen dauernd weg sind oder ausgetrocknet oder stumpf. Er isst auch gerne Freddies Pausenbrot, wenn er seine eigene Brotbox im Chaos zu Hause vergessen hat. Wie einer ist, lässt sich besonders gut im Vergleich zu anderen erzählen. Im Vergleich zu Mattis ist Freddie ordentlich und angepasst. Weil Mattis eben dauernd sein Zeug vergisst, seine Stifte nicht anspitzt und im Unterricht gerne dazwischenruft. Dieses Schuljahr hat er schon zwei Verwarnungen von der Schulleitung kassiert. Im Vergleich zu den meisten Mädchen aus Freddies Klasse ist Freddie dann aber wiederum nicht besonders ordentlich – weil die auch noch Schönschrift üben und ihre Hausschuhe tragen. Hausschuhe tragen geht als Junge nicht. Nicht, wenn man auch nur irgendwas auf sich hält. Obwohl – Mattis könnte vermutlich Hausschuhe tragen. Wenn einer als Chaosbruder gilt und der zweitbeste Fußballspieler der Jahrgangsstufe ist und sich ständig mit den Lehrer- und Erzieherinnen anlegt, kann er auch Hausschuhe tragen, ohne peinlich zu wirken. Aber Stifte sortieren und Hausschuhe tragen – ihr seht schon, es ist kompliziert. Außerdem wisst ihr vermutlich ohnehin, wie es ist. Weil ihr auch in die Schule geht. (Oder gegangen seid.) In Deutschland gibt es Schulpflicht seit 1919, und sie ist im Grunde eine gute Idee, weil sie Leute davor schützt, für ihre Familie Geld verdienen zu müssen, bevor sie was gelernt haben. Gleichzeitig ist die Schulpflicht ziemlich grausam für Leute, die nicht so gern den ganzen Tag mit fünfundzwanzig anderen auf engstem Raum zusammen sind – und sich da ständig messen und vergleichen lassen. Das meiste, vielleicht sogar alles, hat zwei Seiten: eine gute und eine schlechte. Und irgendwie muss man damit klarkommen. Freddie kommt insgesamt ganz gut klar, denke ich. Das will ich auch denken – weil ich ihn mag. Er ist nett, der Freddie. Keiner, mit dem alle sofort befreundet sein wollen, aber das ist auch so was Seltsames: Manche stechen irgendwie raus. Aus den sechsundzwanzig Leuten in einer Klasse. Oder gar den sechshundert an einer Schule! Freddie nicht, den kann man erst mal übersehen. Oder denken: »Ach so, ja. Der Freddie. Bester Freund von Mattis, schon immer, seit der Kita schon. Warum eigentlich?« »Hey, Mattis, was magst du an Freddie?« »Was?« »Warum Freddie dein Freund ist!« »Hä? Was willst du?« (Mattis ist nicht besonders auskunftsfreudig.) »Ich will wissen, was du an Freddie magst!« »Was weiß ich, keine Ahnung.« Ich frag nicht weiter. »Wer bist du überhaupt?«, fragt Mattis misstrauisch. Wir stehen beim Netto in der Schlange. Netto ist der Supermarkt ganz in der Nähe der Gebrüder-Grimm-Schule. Da trifft man sie, die Grimm-Schüler, wenn sie sich vor oder nach der Schule Kekse und Chips und Softdrinks kaufen. Während der Schulzeit trifft man auch manchmal welche, aber nur die großen, die das Schulgelände verlassen dürfen – oder welche, die’s nicht dürfen und trotzdem machen, so wie Mattis. Vielleicht ist er deshalb misstrauisch: weil er Angst hat, dass ich ihn verpetzen könnte. »Ich? Ich bin nur die Erzählerin.« Mattis zieht die Augenbrauen zusammen. Sagt nichts mehr, aber er ist jetzt auch dran mit Bezahlen: Zwei Anderthalb-Liter-Flaschen Eistee hat er vor sich aufs Band gelegt. Ich finde das ja eklig, vor allem, weil die Getränke bei Netto nicht gekühlt sind. Ungekühlter Eistee ist wahnsinnig süß, und draußen hat es jetzt, um halb elf am Vormittag, schon mehr als fünfundzwanzig Grad. Aber bitte. Man kann ja so tun, als wären’s drei Liter flüssige Gummibärchen. Mattis bezahlt, klemmt sich unter jeden Arm eine Flasche und haut schnell ab; gleich ist die Hofpause vorbei, aber Mattis schafft es gerade noch, mit seinen zwei Eistee-Flaschen an Frieder, dem Erzieher, vorbei ins Schulgebäude zu flitschen, die Treppe hoch zum Klassenzimmer der Stadtmusikanten. In der Gebrüder-Grimm-Schule haben die Klassen Märchennamen statt Nummern, und es sind auch keine Klassen, sondern Lerngruppen, weil immer drei Jahrgangsstufen zusammen lernen. Bei den Stadtmusikanten die Jahrgänge vier bis sechs. Freddie und Mattis gehören also zu den Ältesten in ihrer Gruppe, und Birgit, die Lehrerin, sagt, dass sie deshalb Vorbildfunktion hätten und sich dessen bitte bewusst sein sollen. Wie sie sich benehmen, würde zum Maßstab für die Jüngeren, sagt Birgit, und deshalb wolle sie, dass sie sich besonders gut verhalten. Ihre Hausschuhe tragen. Nicht während der Schulzeit zu Netto gehen. Nicht zwei Flaschen Eistee im Spind bunkern, oder wenn, dann auch den Mitschülern und Mitschülerinnen was davon abgeben. Und die Flaschen, wenn sie leer sind, zurück zu Netto zum Pfandautomaten bringen, statt sich damit auf dem Gang zwischen den Spinden zu verdreschen – Freddie sagt nichts, wenn Birgit solche Reden hält. Er mag Birgit, aber gleichzeitig ist sie seine Lehrerin. Und wenn sie Lehrerin ist, hört er ihr nicht richtig zu, nein, anders, dann hört er sie nicht, dann wird er nämlich zum Schüler, und Schüler hören eben nie richtig zu. »Wem gehören die leeren Flaschen da draußen?« Birgits Stimme klingt streng. Sie will mit dem Unterricht beginnen, aber vorher will sie noch ein bisschen Ordnung schaffen – es kann nicht sein, dass das Schulhaus wie eine Müllhalde aussieht. Keiner meldet sich. »Wer hat Putzdienst diese Woche?« Das ist eine rhetorische Frage: Die Leute, die Dienst haben, sind neben der Tafel angepinnt. (Also, nicht die Leute, aber ihre Namen.) »Eric?«, sagt Birgit. Eric erhebt sich widerwillig. Murmelt was in seinen nicht vorhandenen Bart. (Er ist elf.) (Also, Eric, nicht der Bart.) (Der ja auch gar nicht vorhanden ist.) »Wie bitte?«, fragt Birgit. »Nichts«, sagt Eric. Jeder in der Lerngruppe weiß, wem die leeren Flaschen gehören, alle wissen’s außer Birgit, aber niemand wird es laut sagen: Es ist den Ärger nicht wert. Keiner will sich mit Mattis anlegen, dafür gibt es ja den Dienst. Pech für Eric, nächste Woche ist wer anderes dran. Nicht mal die Sechstklässlerinnenmädchen, Liv, Erna, Jolanda, haben Lust, ein Grundsatzgespräch anzufangen. Eric kommt mit den zerbeulten Flaschen zurück. Zögert kurz, wirft sie dann aber nicht in den Mülleimer, sondern stellt sie unter seinen Stuhl. Jetzt geht doch ein kurzes Raunen durch den Raum, merken die Leute auf, ist hinten in der Ecke ein Tuscheln zu hören – interessant, hu ja, es wird doch noch was Interessantes werden aus dieser Situation. Eric hat Anspruch auf die Flaschen erhoben: Wo doch jeder weiß, dass sie Mattis gehören. Mattis wird nicht zulassen, dass seine Flaschen von Eric zu Geld gemacht werden. Wenn Eric sie in den Müll geschmissen hätte, okay, aber jetzt sind sie plötzlich wieder was wert, könnte Eric als der Schlauere dastehen, als der Gewinner, und das wird Mattis nicht zulassen. Freddie seufzt. Freddie mag solche Situationen nicht. Freddie hat im Grunde ganz gern seine Ruhe, aber vergiss es, nicht an Mattis’ Seite, nicht in der Schule, nicht auf dieser Welt. Diese Welt ist Freddies Welt. Schule. Zu Hause. Der Fußballverein, zweimal die Woche. Am Wochenende Spiel. Am Wochenende Bundesliga. Bundesliga, Champion’s League, Brawl Stars, Minecraft. Dude Perfect, Julien Bam. Die Sechstklässlerinnenmädchen, wie sie gucken, die Viertklässlerjungs, denen er ein Vorbild sein soll. Und eben Mattis, sein Freund. Auf den er aufpassen muss. Mattis hat dieses Halbjahr schon zwei Verwarnungen, und kriegt er noch eine, hat das Konsequenzen. Schulkonferenz. Schulverweis? Freddie kann nicht zulassen, dass Mattis von der Schule fliegt. Eigentlich kann er sich das auch nicht vorstellen: Was passiert denn dann? Muss Mattis dann auf eine andere Schule? Es gibt die Schulpflicht, also ja. Mattis müsste,...


Stelling, Anke
Anke Stelling, 1971 geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und wurde für ihre schriftstellerische Arbeit vielfach ausgezeichnet. Ihr Roman »Bodentiefe Fenster« stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises, »Schäfchen im Trockenen« erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse.


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