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E-Book

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

Steven Industrie 4.0

Grundlagen - Teilbereiche - Perspektiven

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

ISBN: 978-3-17-032593-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Industrie 4.0, d. h. die Anwendung von Digitalisierungstechnologien in der Fertigungsindustrie, ist ein Thema, das seit der Begriffsprägung auf der Hannover Messe Industrie im Jahr 2011 sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch in Politik und Praxis zunehmende Aufmerksamkeit erfahren hat. Mit dem Begriff wird eine Hightech-Strategie bezeichnet, die zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit am Produktionsstandort Deutschland beitragen soll. Bei Industrie 4.0 erfolgt eine durchgängige Digitalisierung der an der Leistungserstellung beteiligten Objekte (Maschinen, Werkzeuge usw.) und sämtlicher Prozessschritte. Das Einführungswerk der Reihe Moderne Produktion stellt die zugehörigen Grundlagen, die Arbeitsweise, die vielfältigen Auswirkungen und die Entwicklungsperspektiven des Konzepts Industrie 4.0 übersichtlich und gut strukturiert zusammen - es ist damit als Lehrbuch und für das Selbststudium bestens geeignet.
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2.         Potentiale von Industrie 4.0 in einer globalisierten Welt
      Eine wichtige Voraussetzung für die Verbreitung von Industrie 4.0 ist der Wandel nicht nur zu weltweit verteilten Produktions- und Logistikprozessen, sondern gleichzeitig zu einer globalen Informationsgesellschaft, in der digitalisierte Informationen zu sehr geringen (Grenz-)Kosten an fast allen Orten verfügbar sind. Diese Entwicklung geht einher mit der Beschleunigung bzw. Dynamisierung zahlreicher Prozesse – von der Technologie- und Produktentwicklung über Produkt- und Marktlebenszyklen bis hin zu Lieferprozessen und Nutzungsdauern. Dabei bedingen sich Globalisierung und Dynamisierung gegenseitig: Weltweit verteilte Wertschöpfungsprozesse erfordern kurze Reaktionsgeschwindigkeiten, und die Dynamik bei der Weiterentwicklung von Innovations- und Fertigungsprozessen führt dazu, dass sich die Aktivitäten zahlreicher Unternehmen in Regionen ausweiten, mit denen zuvor keine Geschäftsbeziehungen bestanden haben. In diesem Kapitel werden zunächst die Bedeutung und die Rahmenbedingungen der Globalisierung im Kontext von Industrie 4.0 herausgearbeitet. Anschließend wird aufgezeigt, welchen Beitrag die Dynamik von Innovationen für die Verbreitung von Industrie 4.0 liefert. Nach einer Diskussion der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Industrie 4.0 wird schließlich mithilfe einer SWOT-Analyse untersucht, welche Chancen, aber auch welche Herausforderungen die Umsetzung von Industrie 4.0 für die deutsche Wirtschaft mit sich bringt. Einige Beispiele für die Globalisierung von Wertschöpfungsprozessen mithilfe von Industrie 4.0 schließen das Kapitel ab. 2.1       Bedeutung der Globalisierung für Industrie 4.0
Die Globalisierung ist ein Megatrend, der sich nicht nur auf wirtschaftliche Aktivitäten, sondern auch auf unser tägliches Leben auswirkt. Einige Beispiele: Dank eines engmaschigen Netzes von Flugverbindungen können wir in kurzer Zeit in fast jeden Winkel der Welt reisen, beim Lebensmitteleinkauf haben wir unabhängig von der Jahreszeit die Auswahl aus unzähligen heimischen und exotischen Obst- und Gemüsesorten, der größte Teil des Angebots an Geräten der Unterhaltungselektronik kommt aus Ostasien, unsere Textilien werden überwiegend in Süd- bzw. Südostasien gefertigt. Durch die wirtschaftliche Integration der EU-Staaten und bilaterale Zoll- und Handelsabkommen mit vielen wichtigen Handelspartnern werden die Kosten des internationalen Austauschs von Waren und Dienstleistungen gering gehalten. Auch die Wertschöpfungsketten vieler Unternehmen sind zu großen Teilen globalisiert, d. h. zahlreiche Teilaktivitäten sowohl auf der Absatz- als auch auf der Beschaffungsseite werden von Partnern unterschiedlichster Größe in anderen Staaten durchgeführt. Dabei nehmen einerseits die Intensität und die Komplexität der grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen ständig zu, andererseits kommt es in vielen Bereichen zu einer Angleichung von Standards, Bedürfnissen und Methoden. Je enger die Wertschöpfung von Unternehmen in unterschiedlichen Regionen miteinander verzahnt ist, desto größer wird die Bedeutung einer möglichst exakten Abstimmung der zugehörigen Produktions- und Logistikprozesse. Dies ist ein Ansatzpunkt für die mit der Digitalisierung verbundene informationstechnische Vernetzung der beteiligten Unternehmen, die die Verarbeitung und Nutzung der zugehörigen Daten in Echtzeit ermöglicht und besonders wichtig ist, wenn die zugrunde liegenden realwirtschaftlichen Prozesse weite Entfernungen überbrücken müssen. Das Beispiel der Herstellung einer Jeans zeigt, wie ein solches globales Zusammenspiel von Wertschöpfungsaktivitäten aussehen kann (vgl. globalisierung-online 2016): Der Rohstoff der Jeans, die Baumwolle, wird in Indien oder Kasachstan angebaut. Nach der Ernte wird sie in die Türkei versandt und dort zu Garn versponnen. Dieses wird anschließend in Taiwan mit Farbstoffen, die in einem deutschen Chemiewerk herstellt wurde, eingefärbt. Aus dem gefärbten Garn wird in Polen der Jeansstoff gewebt. Das Innenfutter und die Schilder mit den Pflegehinweisen kommen aus Frankreich, Knöpfe, Nieten und der Reißverschluss aus Italien. Alle Zutaten werden auf die Philippinen geliefert, wo die Jeans genäht wird. Um den modischen Used-Look zu erzeugen, erfolgt schließlich noch in Griechenland ein Finishing mit Bimsstein, bevor die Jeans in Deutschland in den Handel kommt. Bis dahin haben die Jeans bzw. ihre Bestandteile eine Strecke von 50.000 bis 60.000 km zurückgelegt. Alle genannten Aktivitäten müssen sowohl organisatorisch als auch zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Bei anderen Produkten sehen die Wertschöpfungsketten noch wesentlich komplexer aus. Kraftfahrzeuge setzen sich beispielsweise aus Zehntausenden von Teilen zusammen, die vom Fahrzeughersteller bzw. OEM aus unterschiedlichen Beschaffungsquellen – von Systemlieferanten, die komplette Baugruppen anliefern, bis hin zu Lieferanten, von denen nur einzelne Kleinteile geliefert werden – bezogen und in mehrstufigen Montageprozessen zusammengeführt werden ( Abb. 2.1). Supply Chains in der Automobilindustrie sind, nicht zuletzt aufgrund der großen Bedeutung dieser Branche für die Gesamtwirtschaft, bereits seit vielen Jahren unter verschiedensten Aspekten untersucht worden (vgl. z. B. Pollmeier 2008). Die durch die Digitalisierung gegebenen Möglichkeiten zur Integration einerseits von Datenbeständen und andererseits von Wertschöpfungsaktivitäten führen dazu, dass sich Supply Chains zu Industrie 4.0-Netzwerken wandeln, in denen Produkte arbeitsteilig erstellt und gegenseitige Services erbracht werden (vgl. Reder 2018 und Kapitel 5). Durch Ausnutzung der aufgrund der Globalisierung gegebenen Möglichkeiten kann ein Industrie 4.0-Netzwerk lokale Wettbewerbsvorteile auf weltweiten Märkten nutzen und über die Ausnutzung der internationalen Arbeitsteilung seine Wertschöpfungsaktivitäten so lokalisieren, dass eine Standortarbitrage erfolgt (vgl. Steven 2005, S. 195 ff.). Waren und Dienstleistungen werden jeweils dort bezogen, wo sie unter Berücksichtigung aller anfallenden Kosten das beste Preis-/Leistungsverhältnis aufweisen. Abb. 2.1: Bestandteile eines Kraftfahrzeugs (Quelle: Volkswagen AG) Die grenzüberschreitenden Wertschöpfungsaktivitäten eines solchen Industrie 4.0-Netzwerks können von der sporadischen Bearbeitung einzelner Auslandsmärkte bis zum strategisch angelegten Aufbau von weltweit tätigen Lieferketten reichen. Dabei ist zwischen der Globalisierung von Beschaffungs- sowie von Absatzaktivitäten zu unterscheiden: •  Auf der Beschaffungsseite eines Industrie 4.0-Netzwerks besteht das wesentliche Ziel der Globalisierung darin, den Zugang zu den für die Produktion benötigten Ressourcen zu sichern. Hier gilt es, systematisch nach qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Beschaffungsquellen für die verschiedenen Teile sowie nach geeigneten Produktionsstandorten für die ausgelagerten Wertschöpfungsaktivitäten zu suchen. Gleichzeitig müssen die Lieferketten unter Einsatz von digitalen Technologien so organisiert werden, dass trotz der teilweise großen Entfernungen eine schnelle Reaktion auf wechselnde Anforderungen möglich ist. •  Die Globalisierung auf der Absatzseite des Industrie 4.0-Netzwerks bezieht sich auf die Erschließung zusätzlicher, möglichst kaufkräftiger Absatzmärkte in bislang nicht belieferten Regionen. Dies kann in der Produktion eine Anpassung der Produkte an länderspezifische Gegebenheiten erfordern, z. B. in Form von mehrsprachigen Bedienungsanleitungen und Aufschriften oder von verschiedenen Netzsteckern bzw. Adaptern für unterschiedliche Stromspannungen. Weiter muss entschieden werden, ob das Unternehmen die neuen Märkte direkt bearbeiten oder geeignete Vertriebspartner in den jeweiligen Regionen einschalten will. In einem globalen Industrie 4.0-Netzwerk lassen sich durch die Verlagerung solcher Aktivitäten, die nicht zu den Kernkompetenzen eines Unternehmens zählen, auf spezialisierte Zulieferer oft erhebliche Skalen- und Synergieeffekte realisieren. Daher weisen die Wertschöpfungsnetzwerke der großen Automobilhersteller komplexe und weltweit verteilte Beschaffungs- und Produktionsstandorte sowie Absatzmärkte auf. In den letzten Jahrzehnten haben sowohl der Umfang als auch die strategische Bedeutung des internationalen Leistungsaustauschs erheblich zugenommen. Dies ist effizient im Sinne des von Daniel Ricardo aufgestellten Theorems der komparativen Kosten. Danach sollte sich jedes Land auf die Herstellung und den...


Prof. Dr. Marion Steven ist Inhaberin des Lehrstuhls für Produktion an der Ruhr-Universität Bochum.


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