Stöwer / Becker / Pohl Erich Rothacker

Sein Leben und seine Wissenschaft vom Menschen

E-Book, Deutsch, 383 Seiten

Reihe: Bonner Schriften zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte.

ISBN: 978-3-86234-903-6
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: Kein



Wissenschaftshistoriker, Philosophen und Geistesgeschichtler haben in den vergangenen Jahren neues Interesse an Erich Rothacker (1888–1965) gezeigt. Der kulturhistorisch versierte Philosoph und Psychologe zählt neben Scheler, Plessner und Gehlen zu den großen Denkern der philosophischen Anthropologie und hatte großen Einfluss auf die deutschen Geisteswissenschaften seiner Zeit. Diese Gesamtbiographie erfüllt ein Forschungsdesiderat, indem sie auf breiter Quellengrundlage Rothackers soziobiographische Lebensbedingungen, seine persönlichen Einstellungen und sein wissenschaftliches Werk kontextualisiert. Sein Denken und Wirken in der NS-Zeit wird detailreich beleuchtet und bewusst in die Analyse der ganzen 'Lebensspanne' eingebettet, um die vielfältigen Interpendenzen zwischen wissenschaftlichem und vorwissenschaftlichem Bewusstsein bei Rothacker verstehend nachzuvollziehen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die wissenschaftshistorische Einordnung von Rothackers Persönlichkeitspsychologie.
 
Ausgezeichnet mit dem Max Dessoire-Preis für herausragende Arbeiten zur Geschichte der Psychologie 2013.
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Weitere Infos & Material


1;Title Page;3
2;Copyright;4
3;Inhalt;5
4;Geleitwort;7
5;Danksagung;9
6;1 Einleitung;11
6.1;1.1 Der Forschungsstand;13
6.1.1;1.1.1 Rothacker im Nationalsozialismus;13
6.1.2;1.1.2 Werkgeschichte;18
6.2;1.2 Die Quellen;21
7;2 Der junge Erich Rothacker;23
7.1;2.1 Familiengeschichte;23
7.2;2.2 Kindheit und Jugend;25
8;3 Der Weg in die Wissenschaft;31
8.1;3.1 Das Studium;31
8.2;3.2 Promotion bei Heinrich Maier;35
8.3;3.3 Geschichtsphilosophische Versuche über Karl Lamprecht;42
8.4;3.4 Wölfflins Stilbegriff;46
8.5;3.5 Postdoktorand in Berlin;50
8.6;3.6 Erster Weltkrieg und Revolution;52
9;4 Philosophie im Geist der Historischen Schule;57
9.1;4.1 Goethes »zarte Empirie«;57
9.2;4.2 Dilthey;60
9.3;4.3 Der Geist der Historischen Schule;64
9.4;4.4 Heidelberger Geist;77
9.5;4.5 Die Gründung und Etablierung der Deutschen Vierteljahrsschrift;81
9.6;4.6 Historischer Relativismus und Philosophie der Geisteswissenschaften;87
9.7;4.7 Karriereziele, Forschungspläne und die Privatdozentenkrankheit;94
9.8;4.8 Weltanschauungskämpfe im Rheinland;102
10;5 Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus;113
10.1;5.1 Wissenschaftspolitische Pläne und Hoffnungen;113
10.2;5.2 Kulturpolitisches Werben;139
10.3;5.3 Das Scheitern der wissenschaftspolitischen Pläne;144
10.4;5.4 Universitätspolitik in Bonn;154
10.5;5.5 Rothackers Gegner;170
10.6;5.6 Die Deutsche Vierteljahresschrift im Dritten Reich;186
10.7;5.7 Wissenschaftlicher Alltag im Krieg;202
11;6 Volk, Kultur und Lehre vom Menschen;211
11.1;6.1 Rothackers Kulturphilosophie;211
11.1.1;6.1.1 Die Entstehung der Geschichtsphilosophie;212
11.1.2;6.1.2 Geschichtsphilosophische und kulturanthropologische Thesen;221
11.1.3;6.1.3 Die kulturelle Bedeutung rassischer Abstammung;241
11.2;6.2 Rothackers Persönlichkeitspsychologie;251
11.2.1;6.2.1 Die Geschichte der Schichtenlehre;253
11.2.2;6.2.2 Rothackers Schichtenlehre;270
11.2.3;6.2.3 Die Schichtenlehre als handwerkliches Modell;284
12;7 Die Nachkriegszeit;289
12.1;7.1 Kampf um Entnazifierung;289
12.2;7.2 Vom Umgang mit der Vergangenheit;300
12.3;7.3 Rothackers Wissenschaft vom Menschen;307
12.3.1;7.3.1 Schichtenlehre im Wissenschaftswandel;307
12.3.2;7.3.2 Kulturanthropologie und Historismus;332
13;8 Zusammenfassung;345
14;Abkürzungen;357
15;Literatur;359
15.1;Publikationen Erich Rothackers;359
15.2;Andere Autoren;362
15.3;Presseberichte über Rothackers Vorträge;383


6 Volk, Kultur und Lehre vom Menschen (S. 211-212)

6.1 Rothackers Kulturphilosophie

Die Entwicklung des politischen Denkens und Handelns Erich Rothackers in den Jahre 1933 bis 1945 wurde im letzten Kapitel geschildert. Im folgenden Kapitel wird es um die Frage gehen, wie sich sein wissenschaftliches Denken in der nationalsozialistischen Herrschaftszeit entwickelte. Es ist auf den Einfluss der politischen Umstände und der in seinen Publikationen zum Ausdruck kommenden politischen Überzeugungen hin zu befragen, allerdings nicht darauf zu reduzieren. Angesichts der Tatsache, dass Rothacker 1934, 1938 und 1942 drei für sein Gesamtwerk bedeutende Monographien verfasste, die Geschichtsphilosophie, Die Schichten der Persönlichkeit und Probleme der Kulturanthropologie, gilt es die Suche nach der Einheit, aber auch Uneinheitlichkeit in seinem Denken weiterzuführen.

In seiner Einleitung zu Untergang des Abendlandes beschrieb Spengler, wie ihm die 1911 begonnene Beschäftigung mit politischen Gegenwarts- und Zukunftsfragen durch den »sich nähernden Weltkrieg« förmlich aus den Fugen geriet. Durch »die große Krisis« ergaben sich ihm neue Einsichten in historische Zusammenhänge und daraus weitere Einsichten in weitere Zusammenhänge von Geschichte und Gegenwart bis hin zur ganzheitlichen Erkenntnis des »großen historischen Organismus«.

Ähnliches muss sich bei Rothacker abgespielt haben. Wie im dritten Kapitel gezeigt wurde, hatte Rothacker schon vor Spenglers großem Wurf, damals vor allem noch unter dem Einfluss von Lamprechts Kulturzeitalterlehre, zugleich angereichert durch die Lektüre der wichtigsten kulturhistorischen, ethnologischen und völkerpsychologischen Schriften, die Frage nach der Struktur »historischer Entwicklung« für sich als philosophisches Interessenfeld entdeckt. Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges, so scheint es, reifte diese Frage zu »Rothackers Sphinx«

Durch die Rezeption der Schriften Diltheys vertiefte er kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Idee, das Wesen der Philosophie in der Geschichtlichkeit des Daseins zu suchen. Da er mit Dilthey den Ursprung und die Struktur des geisteswissenschaftlichen Denkens lebensphilosophisch definierte und auf Weltanschauungstypen zurückführte, lag es nahe, auch das Problem des Ursprungs und der Entwicklung von Kultur im Sinne dieses Paradigmas zu lösen. Im Wintersemester 1920 / 21, wenige Monate nach seinem Antritt als Privatdozent in Heidelberg und stark beeindruckt von SpenglersWerk, las er zum ersten Mal ein geschichtsphilosophisches Kolleg.

Hier stellte er neben Lamprechts Kulturzeitalterlehre auch Spenglers Kulturmorphologie in den Mittelpunkt.548 Spengler hatte mit Entschiedenheit die These von der Autarkie großer Kulturen entworfen, die ihr individuelles Entwicklungsgesetz in sich tragen und sich in einem quasi naturgesetzlichen verlaufenden »biographischen« Prozess aus ihren Urformen entfalten, durch die zyklischen Stadien von Adoleszenz und Reife hindurchgehen, im Alter der Dekadenz verfallen und schließlich untergehen.

Er brachte aus Rothackers Sicht ganz neue Aspekte in die kulturtheoretische Diskussion ein, die trotz aller berechtigten Kritik an Einzelaspekten generell beachtenswert erschienen. Von Goethes Morphologie ausgehend, schien er die impliziten Vorstellungen der Historischen Schule über den Eigenwert der Kulturen und ihre organischen Strukturen kongenial aufzunehmen.War Rothacker schon durch die organische Geschichtsschreibung der Historischen Schule ein Stück vom Fortschrittspositivismus der Lehre Lamprechts weggeführt worden, so regte ihn Spenglers Morphologie der Kulturen zu weitergehenden Überlegungen an.


Schmoeckel, Mathias
Prof. Dr. Mathias Schmoeckel lehrt seit 1999 Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte an der Universität Bonn.

Stöwer, Ralph
Dr. Ralph Stöwer, geboren 1966, ist Wissenschaftshistoriker und derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn.

Becker, Thomas
Dr. Thomas Becker ist Leiter des Archivs der Universität Bonn und Lehrbeauftragter am Institut für Geschichtswissenschaft, Abteilung für rheinische Landesgeschichte.

Scholtyseck, Joachim
Prof. Dr. Joachim Scholtyseck lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn.

Schott, Heinz
Professor Dr. Heinz Schott ist Direktor des Medizinhistorischen Instituts an der Universität Bonn.

Dr. Ralph Stöwer, geboren 1966, ist Wissenschaftshistoriker und derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn.

Dr. Ralph Stöwer, geboren 1966, ist Wissenschaftshistoriker und derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn.


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