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E-Book, Deutsch, 152 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 235 mm

Storl Der Weise vom Mont Aubert

Erinnerungen an Arthur Hermes. Ein Leben im Einklang mit der Natur

E-Book, Deutsch, 152 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 235 mm

ISBN: 978-3-03902-231-1
Verlag: AT Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Immer wieder taucht in Wolf-Dieter Storls Büchern eine mysteriöse Gestalt auf – Arthur Hermes. Um wen es sich dabei handelt, was er lehrte und welchen Einfluss er auf den Pflanzenweisen aus dem Allgäu hatte, erfährt man in diesem Buch. Storls Erinnerungen an seinen Lehrmeister führen in die Welt der Bauern, des traditionellen Landvolkes, dessen Wissen über den Umgang mit Tieren und Pflanzen uralt ist. Ihr Leben war geprägt von der unsichtbaren energetischen (ätherischen), seelischen und spirituellen Umwelt. Und in dieser Welt lebte der »Bauernphilosoph« Hermes. In den 1950er-Jahren vermochte er Bäuerinnen und Bauern von der biodynamischen Landwirtschaft zu überzeugen, auf die viele der heutigen Demeter-Betriebe zurückgehen. Dass es in der Schweiz gegenwärtig über 7000 Bio-Höfe gibt, ist zum Teil diesem fast vergessenen Pionier zu verdanken. Ein Buch über eine Zeit des Aufbruchs und eine herausragende Persönlichkeit, die für das Leben des berühmten Autors Storl prägend war.
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»die bäume sollen wieder meine brüder sein wir lassen unsere wunden heil’n in den zweigen soll’n die vögel wiederwohnen und mit mir die kirschen teil’n ich will auch wieder mit den tieren sprechen können und ich will das gras verstehen was es flüstert in den lauen sommernächten ich hab mich so lang danach gesehnt.«3 Gerhard Gundermann, Lausitzer Liedermacher DER EINSIEDLERHOF IM WAADTLAND
Im selben Jahr erschien eine junge Amerikanerin im Dorf. Für mich war es Liebe auf den ersten Blick, und wir wurden ein Paar. Wir beide hingen an Hermes, der für mich den Archetypus des »alten Weisen« im Sinne Carl Gustav Jungs verkörperte; für meine Freundin war er gewissermaßen ein seelischer Wegweiser, ein Ersatzvater, der ihr half, die Wirrnisse einer ziemlich chaotischen amerikanischen Jugendzeit auszusortieren. Irgendwann hatten wir einen kleinen Streit, wie es bei Liebenden manchmal vorkommt, und sie verließ das Dorf. Das war für mich ein Anlass, den Weisen auf seinem Bergbauernhof im Jura-Gebirge aufzusuchen und ihn um Rat zu fragen. Als ich dort ankam, wer war da? Meine Freundin. Sie glaubte, ich sei ihr gefolgt, aber ich hatte wirklich nicht gewusst, wohin sie gegangen war. Der alte Hermes versöhnte uns und – um die Geschichte kurz zu fassen – er war es, der uns sozusagen vermählte. Das ist inzwischen lange her, so lange, dass unsere goldene Hochzeit vor der Tür steht. Mehrere Wochen blieben wir auf dem Einödhof, dem »Michaelshof«, wie er ihn nannte. (Die Einheimischen der Gegend kennen den Ort als Les Biolles.) Es war, als seien wir in einer anderen Welt gelandet. Schon der Geruch in dem alten Wohngebäude war anders: Nichts Künstliches, nichts Chemisches mogelte sich an der Nase vorbei. Es duftete nach Herdfeuer, nach Kräutern, nach Stall und Heu. Das alte Haus, aus Jura-Kalksteinblöcken gebaut, befand sich mitten in einer großen Lichtung des kalkliebenden Buchenmischwaldes. Die Wiesen und Äcker der Waldlichtung waren die reinsten Kräuterwiesen: Quendel, Dost, Beifuß, Schafgarbe und andere Kräuter würzten die Luft. Da nie Gifte oder Kunstdünger angewendet wurden, begegnete einem eine farbige, summende Schmetterlings- und Käferwelt. Vögel zwitscherten dazu ihre Melodien. Der Hof nestelte an einer leichten runden Erhöhung, einem »Druidenhügel«, auf dem mit Efeu umwundene Eichen, auch einige Ulmen, Birken, Bergahorn und Eschen wuchsen. Am Rand der Erhöhung gediehen Stechpalme, Haselnussstauden, Weißdorn, Eberesche und Wildrosen – alles Gehölze, die einst der keltischen Urbevölkerung heilig waren und in deren Baum- und Pflanzenkulten eine Hauptrolle spielten.4 Eine mächtige Douglasie, die Hermes besonders mochte, war ebenfalls da. Im Schatten der Bäume lagen große, runde Findlinge, Steine aus Granit, nicht aus dem lokalen Kalkstein. Jemand muss sie, vor langer Zeit, herangeschleppt haben. Einige der Steine hatten tellergroße Aushöhlungen. »Das sind Schalensteine«, erklärte Hermes, »aus der Zeit der steinzeitlichen Hünengräber!« »Darin wurden Pflanzensäfte als Opfer gegossen, kein Blut, sondern Pflanzensäfte«, ergänzte er wissend, als sei er persönlich dabei gewesen. Ich hatte an der Universität unter anderem Urgeschichte studiert und sogar unterrichtet, und tatsächlich schien dieser Ort eine Megalithstätte zu sein, ein Heiligtum jungsteinzeitlicher Bauern. Vorkeltisch also. Ein aufrechter, ungefähr drei Meter hoher Hinkelstein (Menhir) am Rande des Hügels unterstrich die Vermutung. »Ja, der Michaelshof ist ein heiliger Ort«, erzählte Hermes weiter, »Mönche hatten hier einst Schafzucht betrieben, und im Mittelalter gehörte der Einsiedlerhof als Lehen zum Mysterienort Chartres. Deswegen bin ich auch mal nach Chartres, zur Kathedrale Notre Dame gepilgert.« Es sei ein tief bewegendes Ereignis gewesen, dort zu sein. In Chartres hatte der König Karl der Kahle im Jahr 876 eine Kirche errichtet. Der Ort war aber schon in vorchristlichen Zeiten ein magischer Kraftort gewesen. Die Legende erzählt, dass keltische Druiden dort einst eine »Jungfrau, die gebären wird«, eine Virgo partitura, verehrten. Die Keltenpriester hätten aus dem Holz eines Birnbaumes diese »Jungfrau unter der Erde« geschnitzt und neben den dortigen Brunnen aufgestellt. Der westfränkische König übergab dem zum christlichen Wallfahrtsort gewordenen Heiligtum eine der wichtigsten Reliquien der Kirche: das »heilige Hemd«, das Maria bei der Geburt des Christkindleins getragen hatte. (Anderen Überlieferungen zufolge sei es der Kittel gewesen, den die heilige Jungfrau anhatte, als Erzengel Gabriel ihr verkündete, sie sei schwanger mit dem Sohn Gottes.) Les Biolles. Am Abend holte Arthur Hermes eine Karte und ein Lineal hervor und versuchte zu zeigen, dass viele Kraftorte – Chartres, Carnac, Extern-Gesteine, Stonehenge, Glastonbury und andere – durch gerade Linien verbunden sind, auf denen ganze Reihen von Dolmen, Menhiren, Megalithen und Hünengräbern wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht sind. Der Michaelshof, sagte er, liegt auf einem Kreuzungspunkt solcher Kraftlinien. Ganz konnte ich Hermes bei seinen Darlegungen nicht folgen, ich war mir nicht sicher, ob das, so schön es auch klang, nicht eine an den Haaren herbeigezogene Fantasterei war. Rosen und Flieder
Über der handgeschnitzten Haustür wucherte eine Kletterrose, sodass man durch einen Rosenbogen hindurch über die Schwelle trat. Man kennt das ja aus Märchen und Sagen, dass Heiligtümer oft von Rosen umkränzt sind. »Die rote Rose deutet die volle Verkörperung der Seele an«, belehrte uns Hermes, »die Inkarnation des göttlich Geistigen. Die fünf blutroten Blütenblätter erinnern an die fünf Wunden des Heilands, der mit vier Eisennägeln an das Erdenkreuz genagelt und mit einem Speer verwundet wurde. Sie erinnern an das eisenhaltige Blut – ›diesen besonderen Saft‹, wie ihn Goethes Mephistopheles nennt –, das es ermöglicht, dass sich der Geist an einen materiellen Körper binden kann. Die roten Rosen versinnbildlichen das Leiden, den Tod, aber auch die Erlösung. Die weiße Lilie dagegen symbolisiert die noch unverkörperte Seele. Deswegen erschien Erzengel Gabriel bei der Verkündigung, dass Maria schwanger würde, mit einer Lilie in der Hand. Die weiße, reine Blume symbolisiert das vom Himmel herabkommende, noch nicht verkörperte Christkind.« Hermes widmete das Rosenspalier dem christlichen Mystiker und Alchemisten Christian Rosenkreutz, der angeblich im 17. Jahrhundert gelebt haben soll und über den Rudolf Steiner einmal eine Vortragsreihe gehalten hatte. Einige Anthroposophen halten Rudolf Steiner für eine Wiederverkörperung dieses Eingeweihten. Ich weiß nicht, ob Arthur Hermes das ebenfalls glaubte. Auf jeden Fall war mir das alles eine Spur zu esoterisch-mystisch, schließlich war ich naturwissenschaftlich geschult. Druidenhügel neben dem Hof. Der mittlerweile komplett umgebaute und durch weitere Gebäude erweiterte Hof. Trat man durch die Tür, empfingen einen ungewöhnliche Gerüche, die wie ein Widerhall aus längst vergangenen Tagen in der Luft hingen. Der Gang und die Räume waren ziemlich dunkel, wie es in alten Bauernhäusern oft der Fall ist. Nischen und Schränke waren vollgestopft mit allem möglichen, von Staub und teilweise von Spinnengeweben bedecktem Kram – mit Kristallen, Wurzeln, Statuetten, Knochen, Geweihen und Tierschädeln, alten Büchern und vergilbten Skripten; auch Meeresfossilien, wie man sie gelegentlich in den Ablagerungen im Jura-Kalkstein findet, waren zu sehen. Vor den kleinen Fenstern des Wohnzimmers blühte in einem großen Topf eine Zimmerlinde und daneben eine stachelige, rotblühende Christrose. Links neben der Haustür befand sich das Eingangstor zum Stall. Die beiden Kühe drinnen hatten die Namen von Flüssen: Elbe und Donau sollten Milch in reichlichen Strömen spenden. An der Ostecke des Hauses stand ein alter knorriger Holunderbusch. Hermes verehrte den Holunder, der bei seinen altgermanischen Vorfahren der Frau Holle, der Mutter der Seelen, geweiht war. Er verehrte ihn so sehr, dass er jedes Mal, wenn er vorbeiging, ganz nach dem altüberlieferten Spruch »Vor dem Wachholder musst du das Knie beugen, vor dem Holunder den Hut ziehen«, seinen Hut zog. Aus den zu Mittsommer gepflückten Hollerblüten braute er seinen »Fliedertee«, der bei Grippe oder Erkältungskrankheiten zum Einsatz kam. Aus den reifen schwarzen Beeren des Strauchs kochte er jeden Herbst eine leicht mit Honig gesüßte, mit Zimt und Nelken gewürzte, tiefpurpurfarbene Suppe. Diese wurde mit Grießklößen verspeist. »Holunderbeerensuppe gibt Kraft und bereitet Leib und Seele auf die dunkle Jahreszeit...


Storl, Wolf-Dieter
Kulturanthropologe und Ethnobotaniker. Lehrte als Dozent an verschiedenen Universitäten und hat zahlreiche Bücher publiziert, die zu erfolgreichen Longsellern wurden. Er lebt auf einem Einödhof im Allgäu.

Wolf-Dieter Storl ist Kulturanthropologe und Ethnobotaniker. Lehrte als Dozent an verschiedenen Universitäten und hat zahlreiche Bücher publiziert, die zu erfolgreichen Longsellern wurden. Er lebt auf einem Einödhof im Allgäu.


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