Taubner / Aguilar-Raab / Benecke | Psychodynamische Prävention psychischer Störungen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Taubner / Aguilar-Raab / Benecke Psychodynamische Prävention psychischer Störungen

Eine Begründung und Einführung in die Kernkonzepte und Praxisformate

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-17-033481-6
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Prävention psychischer Störungen bezeichnet alle Maßnahmen, die Ersterkrankungen oder Rückfälle verhindern und bestehende Leiden verbessern. Psychodynamische Prävention ergänzt das Feld um einen Fokus auf Konflikte, Affekte, Beziehungen und Entwicklungsverläufe. Psychodynamische Prävention bezieht sich daher auf psychodynamische und transgenerationale Mechanismen der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen sowie spezifische Schwierigkeiten der Verhaltensänderung. Nach einer Einführung in die Grundlagen der Präventionstheorie, wird es im zweiten Teil des Buches um konkrete Präventionsansätze gehen. Wir haben diese unterteilt in universelle, selektive und indizierte Präventionsprogramme. Jedes Programm wird mit seinen Kernideen, der konkreten Umsetzung und bisherigen Evaluierung vorgestellt. Damit möchten wir den Leser*innen einen kompakten Überblick über die aktuelle Vielfalt psychodynamischer Präventionsansätze geben.
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2          Was ist Prävention?
      Einführung
In diesem Kapitel findet eine Einführung in die Prävention psychischer Störungen statt sowie eine Darstellung üblicher Klassifikationssysteme von Präventionsprogrammen. Aufgrund der hohen Prävalenz psychischer Erkrankungen in der Weltbevölkerung ergibt sich der deutliche Bedarf präventiver Ansätze, um die Inzidenz psychischer Störungen zu vermindern. Eine besondere Herausforderung erfolgreicher Prävention ist, Menschen zu einer Verhaltensveränderung zu bewegen. Hier können psychodynamische Theorien der Entwicklung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen beitragen zu verstehen, warum sich Menschen trotz besseren Wissens nicht nur einmalig, sondern häufig dauerhaft schädlich gegenüber ihrer eigenen psychischen und auch physischen Gesundheit verhalten. Risiko- und Schutzfaktoren müssen dabei auf den Einzelfall abgestimmt berücksichtigt werden, da diese kontext- und personenabhängig unterschiedliche Wirkungen entfalten können. Lernziele
•  Prävention definieren und von Gesundheitsfürsorge abgrenzen können •  Prävention klassifizieren können (Verhaltens- vs. Verhältnisprävention, primär, sekundär und tertiär sowie universelle, selektive und indizierte Prävention) •  Die Bedeutung früher Prävention im Bereich der psychischen Störungen aus den epidemiologischen Daten ableiten können •  Krankheit und Gesundheit als Kontinuum definieren •  Die Komplexität der Entwicklung von Krankheit und Gesundheit erkennen und die daraus abgeleiteten Konsequenzen für die Prävention •  Die Grundgedanken der Entwicklungspsychopathologie kennenlernen Von dem lateinischen Wort »praevenire« für »zuvorkommen« oder »verhüten« abgeleitet, bedeutet Prävention im Gesundheitswesen, das Auftreten einer Krankheit und den damit einhergehenden Schaden zu verhindern, Risiken einer Krankheit zu reduzieren bzw. den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv zu verringern und negative Folgeerscheinungen zu minimieren. Alle Maßnahmen, die dazu beitragen, werden als Präventionsmaßnahmen bezeichnet. Anders als intuitiv gedacht, sind Prävention und Gesundheitsförderung keine Synonyme: Gesundheitsförderung umfasst alle Maßnahmen, die dazu dienen, die Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern (vgl. BZgA, 2018), während präventive Maßnahmen darauf abzielen, die Inzidenz und Prävalenz von Krankheiten einzudämmen (Arrango et al., 2018). Sie setzen somit strategisch an unterschiedlichen Stellen an. Public Health bzw. Bevölkerungsgesundheit ist ein interdisziplinäres Arbeitsfeld und vereint Praxis und Wissenschaft zur Erhaltung der Gesundheit, zur Eindämmung von Krankheit und der Verlängerung des Lebens durch gesellschaftlich-organisierte Bemühungen (Acheson, 1988). In der Regel wird zwischen Verhältnis- und Verhaltensprävention unterschieden. Verhältnisprävention fokussiert auf den Kontext und strebt an, Rahmenbedingungen zu verändern, so dass die Wahrscheinlichkeit für einen Krankheitsausbruch reduziert wird – beispielweise Maßnahmen, die das Unfallrisiko am Arbeitsplatz minimieren. Verhaltensprävention setzt an den Möglichkeiten einzelner an, das eigene gesundheitliche Verhalten zu steigern bzw. gesundheitsproblematisches Verhalten zu reduzieren oder zu unterlassen beispielweise durch Wissens- und Kompetenzsteigerung und ist somit im Bereich der medizinischen Psychologie anzusiedeln. Wir werden aus diesem Grund in diesem Band fortführend auf Programme der Verhaltensprävention fokussieren – die Einflussnahme durch Steigerung der Self-Agency ist hierbei entscheidend. Der Begriff Verhaltensprävention mag vor dem Hintergrund eines psychodynamischen Verständnisses missverständlich wirken: Bei psychodynamischen Präventionsansätzen geht es darum, Möglichkeiten der Einflussnahme während wichtiger Veränderungsfenster im Verlauf der Entwicklung zu definieren – etwa die Entwicklung struktureller Aspekte wie die Bindungs- oder Mentalisierungsfähigkeit zu unterstützen und dies mithilfe psychodynamischer Techniken der Beziehungs- und Aufdeckungsarbeit. Auch sollen Transmissionen dysfunktionaler Prozesse unterbrochen und gleichzeitig Kinder, Jugendliche wie auch Erwachsene darin befähigt werden, mit den intrapsychischen dynamischen (teils konfligierenden) Wirkkräften günstig(er) umgehen zu können. Das interventive Einwirken auf Beziehungsprozesse zwischen Eltern, Lehrer*innen und anderen Fachexpert*innen und Kindern wird nicht etwa vordergründig psychoedukativ im Sinne von Informationsvermittlung umgesetzt, sondern mithilfe von Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen und der Spiegelung, Deutung etc. von Affekten (Affektwahrnehmung, Affektdifferenzierung etc.). Kommen wir noch einmal zurück zur allgemeinen Definition von Prävention. Gemäß dem Zeitpunkt des Einsatzes einer Präventionsmaßnahme wird häufig zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterschieden (Caplan, 1964). Diese Einteilung folgt der Idee, (1) Krankheiten vor ihrem ersten Auftreten in der Allgemeinbevölkerung vorzubeugen wie etwa bei Impfungen der Fall, (2) bei vorliegenden Risikofaktoren bzw. bei definierten Risikogruppen durch beispielweise Früherkennung frühe, symptomfreie Stadien einer Krankheit zu detektieren z.B. Gebährmutterhalskrebs-Screening bei Frauen ab 35 mittels eines Tests auf humane Papillomviren, oder (3) der Abwendung einer Verschlechterung, Chronifizierung bzw. Behinderung einer manifest gewordenen Krankheit durch wirksame Therapie und Rehabilitation wie z.B. Sportgruppenangebote für Herzinfarktpatienten. Eine aktuellere Einteilung unterschiedlicher Präventionsmaßnahmen bezieht sich auf definierte Zielgruppen und dem jeweils verbundenen Risiko, eine Krankheit zu bekommen bzw. durch eine solche geschädigt zu werden (Gordon, 1983). Hier setzt präventives Handeln ein, bevor es zur Krankheit kommt: (1) universelle, (2) selektive und (3) indizierte Prävention. Am Beispiel der Drogenprävention wird im Folgenden die Einteilung verdeutlicht: universelle Maßnahmen wie »keine Macht den Drogen« setzen als Kampagne bei gesunden Personen der Allgemeinbevölkerung an. Maßnahmen für Jugendliche suchtkranker Eltern bzw. für solche, die eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, eine Abhängigkeit zu entwickeln, gehören zur Gruppe selektiver Maßnahmen. Indizierte Maßnahmen kommen dann zum Einsatz, wenn bereits ein problematisches Konsummuster und erste Symptome aufgetreten sind, ohne jedoch das Vollbild einer Abhängigkeit zu erfüllen (vgl. Bühler, 2009). 2.1       Der Bedarf an Prävention bei psychischen Störungen
Psychische Störungen sind allgegenwärtig, viele Menschen sind direkt oder indirekt betroffen: Es erkranken rund 29.2% der Weltbevölkerung mindestens einmal im Verlauf ihres Lebens an einer psychischen Störung (einer Metaanalyse zufolge basierend auf 85 epidemiologischen Studien aus 63 Ländern, siehe Steel et al., 2014). In der Europäischen Union sind jährlich 164,8 Millionen Menschen betroffen (Wittchen et al., 2011), in Deutschland sind es 17,8 Millionen – das sind rund 28 % der erwachsenen Bevölkerung (Jacobi et al., 2014). Am häufigsten sind Angststörungen, Depressionen und Abhängigkeitserkrankungen verbreitet. Viele der bestehenden Leiden werden allerdings nicht diagnostiziert oder gar angemessen behandelt – nur jeder Fünfte begibt sich überhaupt in Behandlung (DGPPN, 2018), was zu Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes und zu Chronifizierungen führen kann. Auch die Lebenserwartung ist bei schweren psychischen Erkrankungen deutlich eingeschränkt (DGPPN, 2018). Darüber hinaus ist aufgrund der wechselseitigen Beziehung meist auch die körperliche Gesundheit durch psychische Probleme beeinträchtigt, wie auch körperliche Erkrankungen nicht selten mit psychischen Beeinträchtigungen einhergehen. Kinder und Jugendliche sind ebenso bedenklich häufig betroffen: in Deutschland liegt die Prävalenz bei mindestens 10% (Ravens-Sieberer et al., 2015), weltweit wird sie bis zu 20% geschätzt (Kieling et al., 2011). Auch hier sind Angststörungen, Depressionen, außerdem Störungen des Sozialverhaltens und hyperkinetische Störungen vertreten. Dies ist allein schon deshalb relevant zu bedenken, da davon ausgegangen wird, dass rund die Hälfte der weltweit betroffenen Erwachsenen bereits an psychischen...


Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych. Svenja Taubner ist Psychoanalytikerin und Direktorin des Instituts für Psychosoziale Prävention am Universitätsklinikum der Universität Heidelberg. Dr. sc. hum., Dipl.-Psych. Corina Aguilar-Raab ist Psychologische Psychotherapeutin (TP, ST) und wissenschaftliche Mitarbeiterin sowie Leiterin der psychotherapeutischen Hochschulambulanz des Instituts für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikum der Universität Heidelberg.


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