Tu / Marchal | Menschsein lernen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 155 Seiten

Reihe: Fröhliche Wissenschaft

Tu / Marchal Menschsein lernen

Entwurf eines Humanismus im konfuzianischen Geist

E-Book, Deutsch, 155 Seiten

Reihe: Fröhliche Wissenschaft

ISBN: 978-3-7518-0551-3
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Tu Weiming zählt zu den renommiertesten chinesischen Philosophen. Sein 2018 auf dem Weltkongress für Philosophie gehaltener Vortrag über einen neuen Humanismus, Menschsein lernen ist die Krönung seines lebenslangen Bemühens, den Konfuzianismus in einen Dialog mit den spirituellen Traditionen der Welt zu bringen und die Herausforderungen zu durchdenken, denen sich das 21. Jahrhundert stellen muss. Tu strebt danach, menschliche Subjektivität im Lichte der konfuzianischen Tradition neu zu bestimmen. Auf dieser Grundlage entwirft er die Vision eines allumfassenden, dicht geknüpften Lebensnetzes, das über die vier sich in einer ständigen Kreisbewegung aufeinander beziehenden Aspekte »Selbst«, »Gemeinschaft«, »Erde« und »Himmel« auch eine ethische Perspektive eröffnet. Tus »geistiger Humanismus« soll dabei helfen, Egoismus, Ethnozentrismus, Nationalismus, aber auch Anthropozentrismus zu überwinden, denn der konfuzianische Übungsweg will den Menschen befähigen, »ein würdiges Gegenüber im kosmischen Prozess zu werden«. Wer sich mit gegenwärtigem Denken beschäftigen möchte, in globaler Perspektive und jenseits altbekannter europäischer Geisteswelten, kommt an Tu Weiming nicht vorbei.

Tu Weiming (???), 1940 in Kunming, Provinz Yunnan, geboren, ist Dekan und Professor für Philosophie am Institut für fortgeschrittene Geisteswissenschaften an der Peking-Universität sowie Senior Fellow am Asia Center der Harvard-Universität. Er vertritt einen »Neuen Konfuzianismus« und verfasste mehr als 30 Werke in chinesischer und englischer Sprache. Sein programmatischer in viele Sprachen übersetzter Essay Menschsein lernen ist sein erstes Buch in deutscher Sprache.
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Ein Wanderer zwischen den Welten
Helwig Schmidt-Glintzer Im vergangenen 20. Jahrhundert hat China sich neu zu erfinden gesucht und wiederholt in radikaler Weise alle Traditionen und alles »Alte« über Bord zu werfen getrachtet. Dabei wurde gelegentlich übersehen, dass ohne das Alte etwas Neues überhaupt nicht entstehen würde. So kam letztlich auch China von seinen Traditionen nicht los, die eben nicht nur aus den frühen Zeiten des Altertums sich speisten, sondern auch aus den geistigen Bewegungen und den Wirklichkeiten des späten Kaiserreiches in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit zwischen Weltoffenheit und Rückzug, zwischen Fremdherrschaft und Sinisierung. Dies haben viele gewusst, auch wenn die Stimmen mancher zwischenzeitlich kaum Gehör fanden. Dennoch ist die Fortführung und Weiterentwicklung jahrtausendealter und im kaiserzeitlichen China entwickelter Traditionen in der chinesischen Welt niemals gänzlich abgerissen. Sie wurde unter dem Etikett des Konservatismus vermerkt,1 aber auch als Neubelebung des Neokonfuzianismus beschrieben und in China selbst, nicht zuletzt auch von Chinesen, die in fernen Ländern Fuß gefasst hatten, weiter vorangetrieben. In dieser Welt der Fortführung von Traditionen und der Selbstvergewisserung chinesisch-konfuzianischer Identität hat der im Jahre 1940 in Kunming, der Hauptstadt der südwestlichen Provinz Yunnan, geborene Tu Weiming ??? früh schon einen prominenten Platz eingenommen und ist dann zu einem der profiliertesten Repräsentanten dieser Strömung geworden. In einer Zeit, in der chinesische Intellektuelle sich dem neuen Weg hin zum Aufbau eines sozialistischen oder gar kommunistischen China verschrieben und darin neu zu akkomodieren suchten, haben andere jenseits der chinesischen Mauern ein anderes China zu konzipieren gesucht. Während die einen in Hongkong, auf Taiwan und vor allem in den USA ihre Chancen nutzten, haben sich doch viele der Intellektuellen Chinas der von Mao Zedong zunächst propagierten Neuen Demokratie angeschlossen, sind dann mehr oder weniger dem Auf und Ab der innerchinesischen Politik gefolgt und haben dabei nicht selten schwer gelitten. Dafür gibt es viele Beispiele, von denen hier nur der Hegel-Spezialist He Lin ?? (1902–1992)2 und der Philosophie-Historiker Feng Youlan ??? (1895–1990) genannt sein sollen. Alle sahen sie sich einerseits in der Tradition der 4.-Mai-Bewegung von 1919,3 mit der sie sich andererseits aktiv auseinandersetzten. Feng Youlan beispielsweise verstand sich zunächst als »Vermittler zwischen den ikonoklastischen Konfuzius-Kritikern der Bewegung des 4. Mai einerseits und den verknöcherten Traditionalisten andererseits«4 – und in diesem Sinne verfasste er auch seine Darstellungen der chinesischen Philosophie.5 Nach Gründung der Volksrepublik bekundete Feng Youlan seine Bewunderung für die Landreform der Kommunisten und bot seine aktive, praktische Hilfe an.6 In seinem 1976 erschienenen Buch über Konfuzius, so Christoph Harbsmeier, vertritt Feng »die Auffassung, dass Konfuzius schon im Kontext seiner eigenen Zeit ein reaktionärer Apologet der traditionellen hocharistokratischen Herrscherklasse und des Sklavenhaltertums war«.7 Das Konfuzius-Bild in China wie im Westen hat sich zwischenzeitlich weiter gewandelt. Doch soll dies hier ebenso wenig weiterverfolgt werden wie die Kampagnen und Säuberungen im China der 1950er Jahre. Es muss aber doch von der Kulturrevolution (1966–1976) die Rede sein, in der nicht zuletzt zahlreiche Intellektuelle verfolgt wurden und schwer gelitten haben. Ebenso wie in den folgenden Jahrzehnten wurde dabei immer wieder die 4.-Mai-Bewegung als Aufbruch in ein geistig neues und die alten Traditionen hinter sich lassendes China adressiert. Da war es kein Zufall, dass die europäischen Sinologen ihre seit 1948 stattfindende Junior Sinologues Conferences im Jahre 1968 als XX International Congress of Chinese Studies in Prag zum »The May Fourth Movement in China« anberaumt hatten. Wegen der Zerschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Paktes kam diese Konferenz nicht zustande, und die für Prag vorbereiteten Beiträge wurden dann auf der 21. Konferenz 1969 im italienischen Senigallia (Ancona) in gedruckter Form vorgelegt.8 Der Verfasser dieser Zeilen, der sich im Herbst 1967 aus Interesse an der Philosophie Chinas und insbesondere an den altchinesischen Logikern in Göttingen für das Fach Sinologie eingeschrieben hatte, wurde 1968 in München Zeuge dieses Umbruchs und reiste 1969 zu der Konferenz nach Senigallia, wo er einen weiteren Austausch mit Gelehrten begründete, die sich mit altchinesischen Logikern beschäftigten, wie Ralf Moritz und Angus C. Graham.9 In dieser Zeit hatte sich Tu Weiming längst der Geistesgeschichte Chinas zugewandt und in Taiwan 1961 an der Donghai Universität einen Bachelor in Sinologie erworben. Er wechselte sodann in die USA, wo sich ein breites Spektrum der Beschäftigung mit China und nicht zuletzt mit der intellektuellen Tradition in China entwickelt hatte. Diese Aufmerksamkeit für China bezog sich in besonderer Weise auf die konfuzianischen Traditionen. Während die Frage nach dem Charakter der konfuzianischen Kultur in den 1980er und 1990er Jahren mit den wirtschaftlichen Erfolgen der auch als »vier kleine Drachen« bezeichneten »Tigerstaaten« Singapur, Taiwan, Südkorea und Hongkong und in der Folge auch mit den ökonomischen Erfolgen der Volksrepublik China seit der Öffnung 1978 in Verbindung gebracht wurde, gab es seit Jahrzehnten bereits ein vielfältiges Nachdenken über die Perspektiven für ein konfuzianisches China. Besondere Aufmerksamkeit hatte die Trilogie zu den historischen Vermächtnissen von Joseph R. Levenson, Confucian China and Its Modern Fate (1968), erregt. Überhaupt war das Jahr 1968 in vielfacher Hinsicht ein Schlüsseljahr – auch für die Weichenstellungen zur weiteren Beschäftigung mit chinesischen Traditionen. So war es kein Zufall, dass in jenem Jahr nicht nur eine der frühesten Publikationen Tu Weimings in der in Honolulu auf Hawaii erscheinenden Zeitschrift Philosophy East and West publiziert wurde, sondern auch seine PhD-Schrift an der Harvard University zum Thema »The Quest for Self-Realization – A Study of Wang Yang-ming’s Formative Years (1471–1509)« angenommen wurde und er mit einem Vortrag unter dem Titel »Towards an Integrated Study of Confucianism« auf dem 14. Internationalen Kongress für Philosophie in Wien (2.–9. September 1968) auftrat. Es war vor allem aber das weltoffene Klima in den USA zu jener Zeit, das der Förderung des Neukonfuzianismus weite Räume eröffnete und in dem sich Tu Weiming in einem vielstimmigen Umfeld der Konfuzianismusstudien profilieren und seine Positionen vortragen konnte. Die Traditionen der Selbsterziehung und die Frage nach der Besonderheit Chinas wurden allseits erörtert. Wm. Theodore de Bary von der Columbia University trug die bereits auf einer Konferenz 1966 vorgetragenen Beiträge in dem Sammelband Self and Society in Ming Thought (Vorwort 1968, erschienen New York 1970) zusammen. Während es ein breitgestreutes Interesse an der Frage danach gab, wie man Chinese werden bzw. trotz aller Modernisierung bleiben könne,10 interessierte sich Tu Weiming vor allem dafür, wie man das Menschsein lernen könne und welche Wege hierzu in der konfuzianischen Tradition entwickelt wurden. Diese Frage, zu der er sich immer wieder geäußert hat, erörterte er in vielfältigen akademischen Kontexten, auch um sie immer wieder neu zu überprüfen. Dabei blieb er ein Lernender und gab doch selbst vielfältige Anstöße. Nachholende Modernisierung und Ungleichzeitigkeit im Fortschritt zwangen zu neuen Begrifflichkeiten. So verdanken wir ihm, dass Shmuel N. Eisenstadt in seinen späteren Jahren in der Auseinandersetzung mit Ostasien und der Anerkennung von dessen Eigenrecht, einen Begriff Max Webers aufgreifend, zu dem Konzept der »Multiple Modernities« fand.11 Anregungen dazu gingen auch von einer Konferenz zu Max Webers Studie über Konfuzianismus und Taoismus in Bad Homburg vor der Höhe im Jahre 1980 aus, an der beide teilnahmen.12 Als eigenständiger Denker beteiligte sich Tu Weiming an der Reformulierung der konfuzianischen und neukonfuzianischen Traditionen, seit der Öffnung Chinas auch an der Beijing University, wo er seine zweite akademische Heimat fand. Er verband den Austausch mit den wichtigsten Philosophen Chinas mit der engagierten Teilnahme an den in China, aber auch in den USA geführten Debatten zum Konfuzianismus und wurde so zu einem der wichtigsten Repräsentanten einer chinesischen philosophischen Moderne. Er vertrat dabei die Auffassung, der Konfuzianismus seiner Zeit durchlaufe nach der neokonfuzianischen Renaissance in der Song-, Yuan- und Ming-Zeit (10. bis 17. Jahrhundert) nun eine »dritte Welle« der Erneuerung, und wurde so zum Wortführer einer »schöpferischen Reformulierung« des Konfuzianismus,13 der sich als solcher den anderen...


Tu, Weiming
Tu Weiming (???), 1940 in Kunming, Provinz Yunnan, geboren, ist Dekan und Professor für Philosophie am Institut für fortgeschrittene Geisteswissenschaften an der Peking-Universität sowie Senior Fellow am Asia Center der Harvard-Universität. Er vertritt einen »Neuen Konfuzianismus« und verfasste mehr als 30 Werke in chinesischer und englischer Sprache. Sein programmatischer in viele Sprachen übersetzter Essay Menschsein lernen ist sein erstes Buch in deutscher Sprache.

Marchal, Kai
Kai Marchal, 1974 in Wilhelmshaven geboren, lebt mittlerweile in Taipeh und lehrt Philosophie an der National Chengchi University. Er veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche und literarische Texte in deutscher, englischer und chinesischer Sprache.

Schmidt-Glintzer, Helwig
Helwig Schmidt-Glintzer, 1948 geboren, hatte nach einem Studium der Sinologie und diversen Forschungsreisen nach Ostasien von 1981 bis 1993 den Lehrstuhl für Ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaft an der Universität München inne, bevor er von 1993 bis 2015 als Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel tätig war. Er ist heute Direktor des China Centrums Tübingen.

Tu Weiming (???), 1940 in Kunming, Provinz Yunnan, geboren, ist Dekan und Professor für Philosophie am Institut für fortgeschrittene Geisteswissenschaften an der Peking-Universität sowie Senior Fellow am Asia Center der Harvard-Universität. Er vertritt einen »Neuen Konfuzianismus« und verfasste mehr als 30 Werke in chinesischer und englischer Sprache. Sein programmatischer in viele Sprachen übersetzter Essay Menschsein lernen ist sein erstes Buch in deutscher Sprache.

Kai Marchal, 1974 in Wilhelmshaven geboren, lebt mittlerweile in Taipeh und lehrt Philosophie an der National Chengchi University. Er veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche und literarische Texte in deutscher, englischer und chinesischer Sprache.

Helwig Schmidt-Glintzer, 1948 geboren, hatte nach einem Studium der Sinologie und diversen Forschungsreisen nach Ostasien von 1981 bis 1993 den Lehrstuhl für Ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaft an der Universität München inne, bevor er von 1993 bis 2015 als Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel tätig war. Er ist heute Direktor des China Centrums Tübingen.


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