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E-Book, Englisch, 504 Seiten

Umlauf / Werner / Kaufmann Strategien für die Bibliothek als Ort

Festschrift für Petra Hauke

E-Book, Englisch, 504 Seiten

ISBN: 978-3-11-048103-7
Verlag: De Gruyter
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Mit dieser Festschrift gratulieren Fachkolleginnen und Fachkollegen aus aller Welt sowie Lehrende und Studierende des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Petra Hauke zum 70. Geburtstag. Gewürdigt wird eine Persönlichkeit, die als Lehrbeauftragte, Dozentin, Herausgeberin und auf internationaler Ebene als Mitglied verschiedener Fachkommissionen der IFLA tätig war – und auch weiterhin in dieser ganzen Breite wirken wird. Das Themenspektrum dieses Bandes orientiert sich an der Vielfalt der Gebiete, in denen Petra Hauke für das Bibliothekswesen und die Bibliotheks- und Informationswissenschaft unübersehbar Impulse gesetzt hat.
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Georg Schrott Andere Welten
Überlegungen zur Präsentation und Rezeption frühneuzeitlicher Klosterbibliotheken – Waldsassen und andere Beispiele Abstract Die vormoderne Klosterbibliothek ist ein in mancher Hinsicht paradoxes Phänomen. Dem Ideal nach „starb“ ein Mensch gemäß damaligem Sprachgebrauch „der Welt“, wenn er in ein Kloster eintrat. Die monastische Klausur wurde als Sphäre außerhalb der Welt verstanden. In der Realität waren und sind Klöster aber in vielfältiger Weise auf die Welt außerhalb und auch auf die Öffentlichkeit bezogen. In der Bibliothekskultur zumindest der Prälatenklöster ist dies an dem Umstand abzulesen, dass die Büchersäle oft als Schauräume gestaltet wurden. Dadurch ergab sich für die Konvente die Notwendigkeit, sie Fremden in geeigneter Weise zur Schau zu stellen, und für Außenstehende die Möglichkeit, sie zu rezipieren und zu kommentieren. Noch in anderer Weise erfolgte eine Verschränkung von Kloster und Welt. Eine Klosterbibliothek sammelte nicht nur Weltwissen und machte es verfügbar, sondern war von ihrem Auftraggeber oft als regelrechte Repräsentation der Welt konzipiert. In ihr erfolgte somit geradezu eine Umkehrung der Verhältnisse: Nicht das Kloster befand sich in der Welt, sondern die Welt im Kloster. 1Die Waldsassener Stiftsbibliothek
1.1In einer anderen Welt
Die meisten Besucher, die die Waldsassener Klosterbibliothek2 betreten, geraten ins Staunen. So mancher wird keine oder nur wenig Erfahrung mit barocken Räumen haben und von der fremdartigen Ästhetik fasziniert sein. Nicht wenige werden sich in eine andere Zeit versetzt fühlen. Digital Natives könnten die Begegnung mit jahrhundertealtem analogem Schrifttum als Kontrasterfahrung erleben, können von der Aura der ledergebundenen Folianten erfasst werden. Vor allem aber sind es immer wieder die lebensgroßen Atlanten von Karl Stilp (siehe Abb. 1), um die sich die Betrachter scharen. Dass sie – abgesehen von den Augäpfeln – ungefasst sind, hat keinerlei Auswirkungen auf ihre ungemeine Lebendigkeit, auch holzsichtig sprechen sie ihr Gegenüber aus Fleisch und Blut unmittelbar an. Doch gleichgültig, welcher Aspekt die stärkste Wirkung auf den Besucher ausübt: Bei einer Besichtigung des Bibliothekssaals kann man sich fühlen wie in einer anderen Welt. Abb. 1: Stiftsbibliothek Waldsassen, Atlant an der Ostwand: Der aufschneiderische Soldat. Foto: Wolf-Christian von der Mülbe. Mit freundlicher Genehmigung des Archivs von der Mülbe, München. Dass es Tausenden von Menschen überhaupt möglich ist, die Bibliothek zu besuchen, ist freilich einer historischen Entwicklung zu verdanken, die von ihrem Bauherrn nie beabsichtigt und auch kaum gewünscht war. Die Zeiten haben sich geändert und damit auch die Präsentationsformen und die Wahrnehmung der Bibliothek. Dieser Entwicklung soll zunächst am Waldsassener Beispiel nachgegangen werden, allgemeinere Überlegungen zur Präsentation und Rezeption frühneuzeitlicher Klosterbibliotheken schließen sich an. 1.2Die Wahrnehmung der Bibliothek
Im Jahr 1744 starb in Waldsassen Abt Eugen Schmid (reg. 1724–1744), ein ausgeprägt bibliophiler Prälat.3 Seine Liebe zu den Büchern würdigte auch der Verfasser der Leichenpredigt, der Benediktiner Wolfgang Haeckhl aus dem benachbarten Kloster Michelfeld. Abt Eugen, so heißt es in seiner Rede, „erbauete eine sehr prächtige Weltberühmte Bibliothec, in welcher die Kunst mit der Zierde, diese mit der unvergleichlichen Schönheit in die Wett streitet: Allen diesen benihmet den Vorzug der unermäßliche Schatz deren sowohl am Alterthum als Gelehrtheit unschätz-und [sic!] unzahlbaren Bücheren, welche EUGENIUS mit unglaublichen Kosten gesamlet“4. Der Prediger folgt – wie allgemein üblich – recht feststehenden rhetorischen Vorgaben5, die fast zwangsläufig zu einem überschwänglichen Lob für den Verstorbenen führten. Das verlangten die Konventionen einer repräsentativen klösterlichen Trauer-Solennität in der Frühen Neuzeit. An der zitierten Äußerung fällt aus heutiger Sicht auch auf, dass es dem Redner mehr um den Inhalt des Büchersaals zu tun war als um seine künstlerische Ausgestaltung, die nur mit sehr allgemeinen Floskeln charakterisiert wird („in welcher die Kunst mit der Zierde, diese mit der unvergleichlichen Schönheit in die Wett streitet“). Den „Vorzug“ vor der Gestaltung genießt aber der darin enthaltene Bücherschatz. Vergleicht man diesen Text mit anderen Quellen aus dem 18. Jahrhundert, so fällt auf, dass zunächst auch sonst wenig Konkretes über die Gestaltung der Bibliothek gesagt wird. Gäste, die die Bibliothek besichtigen konnten, gab es damals wohl nicht wenige, und manche haben Aufzeichnungen darüber hinterlassen. Monastische Reiseberichte6 erwähnen den Raum nur knapp. So schrieb Pater Mauritius Elbel aus Ossegg/Osek 1765 lapidar: „Die Bibliothek ist geräumig.“7 Kaum ausführlicher ist eine etwas ältere Erwähnung eines anderen Ossegger Zisterziensers, Pater Stephan Schenk, von 1755: „Sehr geräumig ist die Bibliothek; sie enthält eine Unzahl von Büchern jeder Art“8. Ausführlichere Beobachtungen notierte ein protestantischer Gast, der Pfarrer und Hofmeister Johann Michael Füssel, der mit einer kleinen Gruppe von Zöglingen 1784 das Kloster besichtigen konnte und auch Zugang zur Klausur erhielt. Füssel schreibt: Im mitleren Stockwerk liegt die Bibliothek. Man kommt erst in ein kleines, aber desto höheres Gemach, das zwar auch bis an die Decke mit Büchern ausgefüllt, aber doch nur ein Vorschmack von jener ist. Hier werden nur solche Bücher aufbewahrt, die von einem Geistlichen oder Beamten geerbt, und von den Prälaten hinterlassen werden. Von hier steigt man auf einer fast zu steilen Treppe in die eigentliche Bibliothek. Sie füllt einen sehr langen, hohen Saal ganz aus. Die Bücher stehen dreyfach, und sind so schön geordnet, daß man alles mit einem Blick finden kann. Die Repositoria sind in Fächer nach Wissenschaften eingetheilet. Ueber jedem stehet ein Blech, worauf geschrieben ist, von welchem Inhalt die Bücher sind. Nicht blos die Patristik, die in griechischer und lateinischer Sprache eine kostbare vollständige Sammlung ausmachet, die Geschichte und Theologie, sondern auch die Geographie, Mathematik, Jurisprudenz und Medicin haben ihre abgesonderten Plätze. Zwischen zwey Fächern stehet immer eine Statue von Holz, die ... sich oben in Vorstellungen von Nationen, oder in andern oft lächerlichen Spielen der Fantasie endigen. Sie zieren den Saal recht gut; wenn sie nur an einem andern Ort stünden. In dem obern Ende des Saals steht eine Gruppe von der nemlichen Bildhauerarbeit, die mir recht wohl gefiel. Jene Figuren zwischen den Fächern unterstützen eine Gallerie, auf der man herumgehen kann. Sie ist gleichfall voll Bücher. Ihre Fächer symmetrisiren mit den untern. Dies ist eine große Bequemlichkeit. Man hat hier, um ein Buch zu finden, nicht nöthig, erst Stundenlang auf Leitern herum zu steigen, und zu suchen, wie es noch in so manchen Bibliotheken der Fall ist. [...] Von der neuen, deutschen und schönen Literatur ist wenig, oder nichts vorhanden. Die Werke der Protestanten, besonders theologischen Inhalts, sind entweder versteckt, oder werden gar nicht angeschaft. In den übrigen Facultäten hingegen wird man nicht leicht ein wichtiges Werk vermissen. [...] Uns freuten zwey Globi, eine Erd- und eine Himmelskugel, am meisten. Sie sind von solcher Größe, daß jeder zwei Klafter Umfang hat [...]9 Im Unterschied zu seinen zisterziensischen Vorgängern hat der protestantische Besucher Füssel also wohl ein Auge für die Besonderheit der Atlanten, ist aber in erster Linie ebenfalls an Fragen der Bibliotheksorganisation und der Bestandscharakteristik interessiert. Weitere Berichte aus dem 18. Jahrhundert über Bibliotheksbesuche in Waldsassen kennen wir bislang nicht. Im Jahr 1803 erfolgte die Aufhebung der Abtei, wobei das Schicksal zumindest dem Hauptraum der Bibliothek gnädig war. Die nachfolgende Nutzung durch eine Kattun-Fabrik fügte dem Raum keine gravierenden Schäden zu. Freilich wurden die Buchbestände durch den kurbayerischen Staat konfisziert und in die neu eingerichtete Provinzialbibliothek Amberg abgeführt. Doch hat sich dort ein nicht unbeträchtlicher Teil erhalten, und zahlreiche Bände vor allem aus dem Bereich der Homiletica (aus verschiedenen ehemaligen Konventsbibliotheken der Oberpfalz) wurden im letzten Jahrhundert nach Waldsassen ausgelagert und füllen nun wieder die dortigen Regalböden. Vor der Umnutzung zum Fabrikraum im Jahr 1822, besichtigte Goethe den Saal. Da es nun keine Bücher mehr zu sehen gab, konnte er nur den Raum und seine Ausstattung würdigen. Berichtet wird von „allegorisch sein sollende[n] Schnitzwerke[n], z. B. über dem Fache der...


Konrad Umlauf
, Humboldt-Universität, Berlin;
Klaus Ulrich Werner,
Freie Universität Berlin;
Andrea Kaufmann
, Berlin.


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