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E-Book

E-Book, Deutsch, 512 Seiten

Vaill Hotel Florida

Wahrheit, Liebe und Verrat im Spanischen Bürgerkrieg

E-Book, Deutsch, 512 Seiten

ISBN: 978-3-608-10803-3
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Madrid 1936 – der Bürgerkrieg verwüstet die spanische Hauptstadt. Ernest Hemingway, Martha Gellhorn, Robert Capa, Gerda Taro, Arturo Barea und Ilsa Kulcsar – dicht am Abgrund begegnen sich drei Liebespaare und erleiden beispielhaft die Extreme des 20. Jahrhunderts.

Es ist Krieg. In dieser angespannten Situation treffen sechs Menschen im Hotel Florida in Madrid aufeinander: Ernest Hemingway hofft, Material für ein neues Buch zu finden, und beginnt eine Affäre mit Martha Gellhorn. Die ehrgeizige Journalistin hungert nach Liebe und Erfahrung und hofft, beides mit Hemingway in Spanien zu finden. Die Idealisten Robert Capa und Gerda Taro fotografieren – anders als alle anderen. Sie erfinden den modernen Fotojournalismus und revolutionieren die Arbeit der Kriegsfotografen, der 'bewaffneten Augenzeugen'. Arturo Barea und Ilsa Kulcsar telegrafieren die Wahrheit über diesen Stellvertreterkrieg zwischen Faschismus und Kommunismus in alle Welt. Sie alle schweben in höchster Gefahr, denn die Wahrheit stirbt in jedem Krieg zuerst.
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Juli 1936: Madrid

Arturo Barea lag auf dem braunen, mit Kiefernadeln bedeckten Waldboden der Sierra de Guadarrama im Nordwesten von Madrid, sein Kopf ruhte im Schoß seiner Geliebten. Es war heller Nachmittag am Sonntag, dem 19. Juli, und in der nach Harz riechenden Luft lag der Gesang der Zikaden. Der große, hagere Barea, die Haare streng nach hinten gekämmt, hatte die Augen eines Heiligen von El Greco und einen sinnlichen Mund. Benommen von der Hitze, dem Wein, den Maria und er zu ihrem Picknick getrunken hatten, und dem anschließenden Sex sehnte er sich danach, einfach nur die Augen zu schließen und sich seiner Schläfrigkeit zu überlassen. Maria aber hatte anderes im Sinn. Sie wollte reden. Diesmal ausnahmsweise nicht über ihren dringenden Wunsch, dass er seine Ehefrau und seine Kinder verlassen und eine ehrenwerte Frau aus ihr machen möge, nachdem sie sechs Jahre lang seine Sekretärin und gelegentliche Bettgenossin gewesen war – ein Thema, das meistens zu nichts als Tränen führte. Heute wollte sie wissen, wo Barea in der Nacht zuvor, die ganze Nacht über, gewesen war: Was er gemacht hatte, als er weder zu Hause noch bei ihr im Bett gewesen war. Die Ereignisse und Eindrücke der letzten zwölf Stunden waren allerdings noch zu frisch, zu unverarbeitet, als dass er darüber hätte reden wollen. Er hatte das Gefühl, dass ihm das Gleichgewicht seines Lebens unwiderruflich aus den Händen glitt, und war zu erschöpft, um sich mit den Folgen auseinanderzusetzen.
Das Leben des 38-jährigen Barea war ein sorgfältig austarierter Balanceakt. Er war in armen Verhältnissen aufgewachsen: Sein Vater, ein Musterungsoffizier bei der Armee, war mit vierzig Jahren gestorben und hatte seiner Familie keinen Peso hinterlassen; seine Mutter musste im Fluss Manzanares die schmutzige Wäsche von Soldaten waschen – an kalten Wintertagen brach sie morgens mit ihrem Wäschestampfer das Eis auf. Außerdem arbeitete sie als Dienstbotin für ihren gut situierten Bruder, um ihren Kindern das Los zu ersparen, im Waisenhaus zu landen. Der Bruder hatte am kleinen Arturo einen Narren gefressen, er schickte ihn in die Escuela Pía, damit er eine Schulbildung bekam, lud ihn in den Zirkus und ins Kino ein, kaufte ihm Bücher an den Ständen an der Plaza de Callao und bestärkte ihn in seinen Träumen, Maschinenbau zu studieren. Weniger begeistert war er von den literarischen Ambitionen, die Arturos zahlreiche Beiträge zur Schulzeitung Madrileñitos beflügelten. Aber dann starb auch dieser Bruder, und seine Witwe wollte mit ihrer Schwägerin und deren Kindern nichts mehr zu tun haben. Arturo, noch immer ein schlaksiger Teenager, musste also arbeiten gehen. Zunächst war er als Lehrling bei einem Juwelier tätig, dann, nach dem erfolgreichen Abschluss einer Buchhalterausbildung, als Angestellter in der Madrider Filiale der Crédit Lyonnais.
Das Lernen fiel ihm leicht, und es dauerte nicht lang, bis er erfreuliche Veränderungen an seinen anfangs bescheidenen monatlichen Gehaltszahlungen feststellte; wäre er bereit gewesen, sich bei seinen Vorgesetzten anzubiedern, hätte er schnell die Karriereleiter in der Bank hochsteigen können. Aber er war stolz und leicht erregbar – eine gefährliche Mischung – und litt unter dem Hochmut seiner Chefs, während er sich gleichzeitig seiner niedrigen Herkunft schämte, die seine Vorgesetzten, wie er genau wusste, verachteten. Eine Zeitlang liebäugelte er mit einer ganz anders gearteten Option, dem Schreiben, aber es schien nirgendwohin zu führen, dass er Prosastücke an Madrider Wochenzeitungen schickte und als Zaungast an den tertulias teilnahm, den freigeistigen Diskussionen in diversen literarischen Cafés. Mit zwanzig Jahren trat er in die Sozialistische Gewerkschaft UGT ein, und obwohl er sich fehl am Platze fühlte, wenn er bei den Gewerkschaftstreffen in Anzug und Krawatte erschien, verspürte er mit den Arbeitern in ihren einfachen Jacken und hanfbesohlten Schuhen größere Solidarität als mit den Bankdirektoren in ihren Gehröcken, die ihn herablassend durch ihr Monokel musterten. Die gönnerhafte Art seiner Vorgesetzten in Verbindung mit seiner eigenen Abscheu vor dem, was er als unrechtmäßige Bereicherung empfand, führte schließlich dazu, dass er noch am selben Tag des Jahres 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach, fluchtartig die von ihm als »Schweinestall« bezeichnete Bank verließ. Obwohl er später erstaunlicherweise selbst eine leitende Position in einem Patentanwalts-Büro im trendigsten Teil der Calle de Alcalá innehatte, wurde kein Bonze aus ihm, vielmehr blieb er auf der Seite der Arbeiter. »Als Kapitalist bin ich eine Fehlbesetzung«, sagte er später.
Nicht dass er über sein Kapitalistensalär und die damit verbundene goldene cédula personal unglücklich gewesen wäre, den Personalausweis, der zum Ausdruck brachte, dass er sich auf der Einkommensleiter ziemlich weit oben befand. Aber er bestand darauf, mit seiner Familie eine große Wohnung in einer der engen, gewundenen Straßen in Lavapiés zu beziehen, dem Arbeiterviertel, in dem er aufgewachsen war, und nicht in einem der großbürgerlichen Distrikte, nach denen sich seine Ehefrau Aurelia so sehnte. Ihm gefiel die Vorstellung, in beiden Welten zu leben und doch zu keiner zu gehören, was er zum Teil der Tatsache verdankte, dass er sich aus den politischen Streitigkeiten des zurückliegenden Jahrzehnts herausgehalten hatte. Gut, er hatte sich 1931 den Sozialisten angeschlossen, als die neue Republik ausgerufen wurde, einem Freund dabei geholfen, eine neue Gewerkschaft für Büroangestellte zu organisieren; ansonsten hatte er sich – sogar während des bienio negro, der beiden dunklen Jahre nach dem Wahlsieg der Rechten 1934 – aus den politischen Debatten herausgehalten. Er kritisierte zwar die Korruption und Ausbeutung, die ihm in seiner Eigenschaft als Patentanwalt häufig auffielen, doch er empfand sich als ein zu unbedeutendes Rädchen im Wirtschaftsgetriebe, um dagegen irgendetwas unternehmen zu können.
Die Wahlen im vergangenen Februar hatten ihn dann aber doch motiviert, aktiv zu werden. Er hatte in dem Dorf außerhalb von Madrid, wo er mit seiner Familie immer die Wochenenden verbrachte, ein Volksfront-Komitee gegründet, was den dortigen Landbesitzern und den Offizieren der Guardia Civil, der Polizeitruppe auf Kreisebene, die häufig als Handlanger der Oberschicht fungierte, nicht verborgen blieb. Als sich in den Monaten danach die politische Situation immer weiter verschlimmerte, mit Schlägereien, Schießereien und Gerüchten über Aufstände und Gegenaufstände, und in der Ermordung eines sozialistischen Leutnants der Sturmgarde, José de Castillo, und kurz danach des Führers der faschistischen Opposition José Calvo Sotelo in der Woche zuvor kulminierte, war Barea klar geworden, dass er sich nun für eine Seite entscheiden musste.
Trotzdem war er auf das, was in der letzten Nacht geschehen war, nicht vorbereitet. Die Stadt Madrid war bereits den ganzen Tag in Alarmbereitschaft gewesen, alle hatten fieberhaft auf Neuigkeiten aus dem Radio gewartet – was nicht schwer war, da die Regierung an jeder Straßenecke Lautsprecher aufgestellt hatte –, und zwischen nordamerikanische Tanzmusik wurden immer wieder fragmentarische Meldungen eingestreut, die von Meutereien in einzelnen Militärgarnisonen berichteten. Kein Grund zur Panik; die Regierung hat die Lage im Griff. Aber es gingen Gerüchte um, und dann kamen Meldungen von einem weiteren Ausbruch, und dann noch einem. Offenbar wurde in Barcelona schon auf den Straßen gekämpft. Die Leute fingen an, sich in Bars und Cafés und auf den Straßen zusammenzurotten. Was würde geschehen, wenn die Regierung die Lage nicht mehr im Griff hatte? Was, wenn diese Aufstände der Anfang einer Säuberungsaktion gegen die Linke waren wie damals Francos Aktion in Asturien? Wenn das Militär gegen gewöhnliche Bürger vorging, wer würde sie dann beschützen? Nach dem Abendessen mit seiner Familie ging Barea durch die Calle del Ave Maria in Emilianos Bar, sein Stammlokal, wo aus dem Radio Tommy Dorseys »The Music Goes Round and Round« dröhnte und die Leute schreien mussten, um sich verständlich zu machen. Er hatte eben einen Kaffee bestellt, als wieder die Stimme des Nachrichtensprechers ertönte: Die Situation hat sich verschärft. Gewerkschafter und Mitglieder politischer Vereinigungen werden aufgefordert, sich sofort in ihren Hauptquartieren zu melden.
In Sekundenschnelle leerte sich die Bar. Aufgeschreckte Arbeiter, die befürchteten, dass die in einer der Garnisonen rund um die Stadt stationierten Truppen das Feuer auf sie eröffnen würden, gingen auf die Straße und forderten Waffen zur Selbstverteidigung. Barea hatte sich einen Weg durch die Menge zur Zentrale der Sozialisten in der Casa del Pueblo im Stadtteil Chueca gebahnt, am anderen Ende der Gran Via, wo zahlreiche Freiwillige aus der Gewerkschaft lautstark verlangten, sich als Verteidigungstrupp formieren zu dürfen. Barea stand der Sinn nicht nach Kämpfen – vier Jahre Militärdienst in Marokko zur Zeit der Rif-Rebellion hatten ihn davon kuriert. Immer noch hatte er den Gestank der verwesenden Leichen in der Nase, die er bei seiner Ankunft in der belagerten Stadt Melilla gesehen hatte. Noch weniger konnte er sich aber eine Aussöhnung vorstellen, und einen Sieg der Faschisten war das Letzte, was er wollte. Er blieb also die ganze Nacht in der Casa del Pueblo und brachte Männern, die in ihrem ganzen Leben noch kein Gewehr in der Hand gehabt hatten, bei, wie man eine alte Mauser – dasselbe Modell, das er im Pionierbattalion getragen hatte – lädt und abfeuert. Wenn die Faschisten Madrid einnehmen wollten, dann mussten sie sich auf Gegenwehr gefasst machen – zumindest dann, wenn die Regierung...


Vaill, Amanda
Amanda Vaill ist Harvardabsolventin und Autorin. Sie ist vielfache Preisträgerin, sowohl als Autorin von Sachbüchern und Biographien als auch von Drehbüchern. Als Cheflektorin von Viking Press, für die sie bis 1992 arbeitete, betreute sie so bekannte Autoren wie Ingmar Bergman, T. C. Boyle und William T. Vollman. Vaill lebt in New York City.

Amanda Vaill ist Harvardabsolventin und Autorin. Sie ist vielfache Preisträgerin, sowohl als Autorin von Sachbüchern und Biographien als auch von Drehbüchern. Als Cheflektorin von Viking Press, für die sie bis 1992 arbeitete, betreute sie so bekannte Autoren wie Ingmar Bergman, T. C. Boyle und William T. Vollman. Vaill lebt in New York City.

Amanda Vaill ist Harvardabsolventin und Autorin. Sie ist vielfache Preisträgerin, sowohl als Autorin von Sachbüchern und Biographien als auch von Drehbüchern. Als Cheflektorin von Viking Press, für die sie bis 1992 arbeitete, betreute sie so bekannte Autoren wie Ingmar Bergman, T. C. Boyle und William T. Vollman. Vaill lebt in New York City.


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