Velten / Özdemir | Sexuelle Funktionsstörungen bei Männern | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 87, 118 Seiten

Reihe: Fortschritte der Psychotherapie

Velten / Özdemir Sexuelle Funktionsstörungen bei Männern

E-Book, Deutsch, Band 87, 118 Seiten

Reihe: Fortschritte der Psychotherapie

ISBN: 978-3-8444-2911-4
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Viele Männer erleben Schwierigkeiten bezüglich der Sexualität im Bereich Orgasmus, insbesondere dem frühzeitigen Samenerguss, sexueller Erregung bzw. Erektionsproblemen und/oder fehlendem sexuellen Verlangen. Der Band liefert eine aktuelle Beschreibung sexueller Funktionsstörungen bei Männern und stellt die psychotherapeutische Behandlung dar.
Der Band beschreibt zunächst die wesentlichen Störungsbilder und stellt die diagnostischen Kriterien vor. Es werden Hinweise zur Abgrenzung sexueller Funktionsstörungen von nichtklinischen sexuellen Problemen sowie sexuellen Schwierigkeiten im Rahmen anderer Störungen gegeben. Zudem wird über validierte Verfahren zur Diagnostik sexueller Störungen sowie zur Verlaufskontrolle innerhalb der Behandlung informiert. Praxisorientiert werden therapeutische Interventionen vorgestellt, die – mit entsprechenden Modifikationen – bei allen sexuellen Funktionsstörungen von Männern eingesetzt werden können. Dazu werden neben Sexual- und Psychoedukation sowie sexualtherapeutischen Partnerschaftsübungen (Sensate Focus) auch körperbezogene Selbsterfahrungsübungen und kognitive Interventionen beschrieben. Schließlich geht der Band auf den Umgang mit Schwierigkeiten ein, die im Behandlungsverlauf auftreten können, und veranschaulicht das psychotherapeutische Vorgehen an einem ausführlichen Fallbeispiel.
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Zielgruppe


Ärztliche und Psychologische Psychotherapeut_innen, Sexualtherapeut_innen, Fachärzt_innen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psycholog_innen, Urolog_innen, Studierende und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.

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2  Ätiologische Faktoren und Störungsmodelle
Die sexuelle Funktionsfähigkeit wird von einer Kombination aus biologischen, psychologischen und sozialen Einflüssen geprägt (vgl. Kapitel 2.5). Eine Übersicht über jene Faktoren, die häufig mit sexuellen Problemen einhergehen bzw. diese begünstigen, hilft, gemeinsam mit dem Patienten relevante Störungsbedingungen zu identifizieren. Während einige der im Folgenden aufgeführten Faktoren auf verschiedene Aspekte der sexuellen Funktion einwirken, also z.?B. sowohl für verringertes sexuelles Verlangen als auch für Erektionsprobleme verantwortlich sein können, sind andere Faktoren spezifischer mit einzelnen Störungsbildern assoziiert. Zudem können viele der genannten Punkte sowohl störungsentstehend als auch aufrechterhaltend wirken. Dies ist jeweils im Einzelfall zu explorieren. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die folgenden Punkte getrennt nach psychischen, körperlichen, partner|20|schaftsbezogenen und soziokulturellen Bereichen aufgeführt. Diese Darstellung soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Faktoren auf mehreren Ebenen wirksam werden. Die ätiologische Forschung zu sexuellen Funktionsstörungen bei Männern befindet sich vielfach noch in den Kinderschuhen. Die Studienlage lässt daher nicht in jedem Fall den Schluss zu, dass die genannten Faktoren tatsächlich ursächlich für das Auftreten der Störungsbilder verantwortlich sind. Es handelt sich häufig um Faktoren, die im Rahmen von querschnittlichen Studien vermehrt gleichzeitig mit sexuellen Störungsbildern auftreten. Im Anschluss werden zwei Störungsmodelle vorgestellt, die zum einen Hinweise auf das Zusammenwirken der dargestellten Faktoren liefern (vgl. Kapitel 2.5) bzw. darstellen, wie kognitive und emotionale Faktoren sexuelle Störungen aufrechterhalten (vgl. Kapitel 2.6). 2.1  Psychische Faktoren
2.1.1  Persönlichkeit Persönlichkeitsfaktoren nehmen nicht nur dann Einfluss auf die Sexualität, wenn sie in extremen Ausprägungen vorliegen. In einer Bevölkerungsstudie, an der knapp 1?000 Paare teilnahmen, berichteten extravertierte, gewissenhafte, emotional stabile Männer mit größerer Offenheit für neue Erfahrungen über eine bessere sexuelle Funktionsfähigkeit. Der Befund, dass gewissenhafte Männer eine bessere sexuelle Funktion aufweisen, war dabei durchaus überraschend. Die Autor:innen erklären dies so, dass gewissenhafte Personen dazu neigen, Sexualität in längeren Partnerschaften „nicht schleifen zu lassen“, sondern planvoll in den Alltag zu integrieren. Darüber hinaus zeigte sich, dass auch die Persönlichkeit der Partnerinnen dieser Männer einen Einfluss auf deren sexuelle Funktionsfähigkeit nehmen kann: Männer, deren Partnerinnen extravertierter sind, hatten ebenfalls eine bessere sexuelle Funktionsfähigkeit (Velten, Brailovskaia & Margraf, 2019). Eine weitere Studie konnte zeigen, dass Männer mit sexuellen Funktionsstörungen höhere Werte im Bereich Neurotizismus (dem Gegenpol von emotionaler Stabilität) aufweisen als Männer ohne diese Störungen (Quinta Gomes & Nobre, 2011). 2.1.2  Kognitionen Viele Männer mit sexuellen Funktionsstörungen interpretieren negative sexuelle Situationen, in denen sie z.?B. keine Erektion bekommen konnten, im Sinne eines Inkompetenz-Schemas. Das bedeutet, dass sie sich in dieser Situation als machtlos, unfähig oder als Versager sehen. In diesem Sinne attribuieren viele betroffene Männer ein sexuelles Problem intern, stabil und global: Sie gehen also davon aus, dass das Problem ihre Schuld ist, sie insgesamt als Liebhaber versagen und auch in Zukunft versagen werden (Nobre & Pinto-Gouveia, 2009). |21|Jedoch können sich problematische Kognitionen auch ohne vorangegangene Problemsituationen entwickeln. Überzogene Leistungserwartungen („Ein guter Liebhaber kann jede Frau allein durch vaginalen Geschlechtsverkehr zum Orgasmus bringen“) müssen nicht auf eigenen Erfahrungen fußen und wirken sich dennoch negativ auf die sexuelle Zufriedenheit von Männern aus (Pascoal, Alvarez, Pereira & Nobre, 2017). Es erscheint nachvollziehbar, dass Personen mit sexuellen Funktionsstörungen negative Gedanken und Gefühle in Bezug auf ihr Sexualleben bzw. ihre sexuelle Funktionsfähigkeit entwickeln. Studien deuten darauf hin, dass derartige kognitive Verzerrungen den Betroffenen nur teilweise bewusst sind (Velten, Blackwell, Margraf & Woud, 2019; Zahler et al., 2021). Für die psychotherapeutische Arbeit kann dies bedeuten, dass zunächst nur ein Teil dieser Kognitionen berichtet wird und Interventionen zugänglich ist. Die Anwendung verhaltensanalytischer und kognitiver Methoden (vgl. Kapitel 3.3 und 4.4) wird empfohlen, um maladaptive Kognitionen zu identifizieren bzw. der Bearbeitung zugänglich zu machen. 2.1.3  Versagensangst In den Anfängen der klassischen Sexualtherapie galten Versagensängste als wesentlicher Faktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung sexueller Funktionsstörungen (Masters & Johnson, 1970). Die Überzeugung war, dass die autonome Erregung, die mit Angst verbunden ist, die sexuelle Erregung hemmt und eine sexuelle Reaktion unmöglich macht. Diese Sichtweise erwies sich jedoch als falsch: Barlow (1986) konnte nachweisen, dass Angst die sexuelle Erregung von Männern ohne sexuelle Probleme sogar verstärken kann. Sexuell gesunde Männer deuten demnach Zeichen autonomer Erregung (z.?B. Herzklopfen) in sexuellen Situationen als sexuelle Erregung. Bei Männern, die bereits unter einer Erektionsstörung litten, sorgte Angst tatsächlich zu einer Reduktion der Erregung. Zusammengenommen werden diese Ergebnisse so interpretiert, dass es die kognitiven Aspekte der Leistungsangst (z.?B. im Sinne von Sorgen über die sexuelle Funktion) sind, die dazu führen können, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr auf sexuelle Reize oder Stimulation gerichtet wird. Diese Ablenkung kann dann eine Aufrechterhaltung sexueller Probleme zur Folge haben (vgl. Störungsmodell von Barlow in Kapitel 2.6). 2.1.4  Sexuelle Exzitation und Inhibition Das Dual Control Model (Bancroft & Janssen, 2000) besagt, dass zwei Faktoren beeinflussen, wie leicht Personen durch sexuelle Reize erregbar sind (sexuelle Exzitation) und wie leicht ihre Erregung durch Sorgen über ihre sexuelle Leistung bzw. über negative Konsequenzen des sexuellen Verhaltens gehemmt wird (sexuelle Inhibition). Männer mit sexuellen Problemen haben im Schnitt ein schwächeres sexuelles Gaspedal (niedrigere Exzitation), stimmen also Aussagen wie „Wenn ich an eine sehr attraktive Person denke, werde ich leicht erregt“ weniger zu und eine stärkere sexuelle Bremse (höhere Inhibition) verbunden mit stärkerer Zustimmung zu Aussagen wie „Wenn ich einen ablenkenden Gedanken habe, verliere ich leicht meine Erektion“ (Bancroft, Graham, Janssen & Sanders, 2009; Velten, 2017). |22|Beide Faktoren können mithilfe deutscher Versionen entsprechender Fragebögen erfasst werden (Sexual Inhibition Scales/Sexual Excitation Scales [SIS/SES]; Turner, Briken, Klein & Rettenberger, 2014; Sexual Excitation Sexual Inhibition Inventory for Women/Men [SESII-W/M]; Velten, Scholten & Margraf, 2018). Je nach Fragestellung können dabei Kurzverfahren mit nur 14 Items oder längere Varianten mit 30 bzw. 45 Items eingesetzt werden. Längere Fragebogen bieten die Möglichkeit, verschiedene Facetten von sexueller Exzitation und Inhibition abzubilden. Auch wenn Studien zu klinischen Grenzwerten noch ausstehen, können diese Verfahren Hinweise darauf geben, ob eine sexuelle Problematik mit einem bzw. beiden Faktoren im Zusammenhang steht. Eine Integration von sexueller Exzitation und sexueller Inhibition im Rahmen eines biopsychosozialen Störungsmodells (vgl. Kapitel 2.5) erscheint dabei besonders sinnvoll. 2.1.5  Selbstbefriedigung Mit Selbstbefriedigung ist gemeint, sich mithilfe manueller Stimulation mit oder ohne technische Hilfsmittel (z.?B. Vibratoren), mit oder ohne Nutzung von sexuellen Fantasien sowie mit oder ohne pornografisches Material zum Orgasmus zu...


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