Venske | Schief gewickelt – Das perfekte Verbrechen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 124 Seiten

Venske Schief gewickelt – Das perfekte Verbrechen

Roman

E-Book, Deutsch, 124 Seiten

ISBN: 978-3-95824-010-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Ein perfektes Verbrechen: „Schief gewickelt“ von Regula Venske jetzt als eBook bei dotbooks.

Eigentlich ist er ein ganz normaler Mann. Zugegeben, ein wahrer Luftikus, der es mit der Treue nicht allzu ernst nahm. Zumindest vor seiner Ehe war das so – aber jetzt ist er verheiratet und möchte ein vorbildlicher Ehemann sein. Doch da kommt ihm eine anonyme Frau in die Quere, die ihm regelmäßig merkwürdige Post zuschickt. Der Inhalt: die benutzten Windeln eines Babys. Wer ist die unbekannte Absenderin, was ist mit dem Kind? Und wer möchte dem Luftikus noch alles an den Kragen?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Schief gewickelt – Das perfekte Verbrechen“ von Regula Venske. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Kapitel II.
  Der Luftikus steigt die vier Treppen zu seiner Wohnung empor. Er könnte auch den Lift nehmen, aber er tut es nicht. Der Luftikus genießt es nämlich, viele Treppenstufen, und zwar jede einzeln, hochzusteigen. Das ist wie mit den Frauen, denkt er. Auch wenn es ein wenig anstrengt, du kannst jeder einzelnen, aber auch wirklich jeder, etwas abgewinnen. Der Luftikus wohnt im vierten Stock, hoch über den Dächern, wenn auch nicht von Paris, so doch wenigstens von Hamburg-Eimsbüttel. Er braucht die dünnere Luft. Er braucht den Ausblick auf Plaza, Fernsehturm und Geomaticum und einen Himmel mit Möwen darin. Er braucht das Gefühl, auf andere herabblicken zu können. Er schwebt gern. Wenn der Luftikus ehrlich wäre, würde er zugeben, daß er im Grunde seines Herzens auf ein Erdbeben wartet. Aber ja, er würde es genießen, das leichte Schwanken des Hauses zu spüren. Er würde sein Weinglas auf den Glastisch stellen und für den Rest des Abends nüchtern bleiben. Er würde sogar die Stereoanlage leiser drehen, um zu hören, wie es in den Fugen ächzt und knackt. Die letzten zwei Stufen nimmt der Luftikus auf einmal, er streicht sich mit der Linken übers Haar. Jetzt hält er gleich die Ehefrau im Arm. Der Luftikus zählt sich und sie zur Schickeria von Eimsbüttel. Der Luftikus ist nicht schwer zu beschreiben, aber er kennt sich selbst nicht genau. Er denkt, er schillert. Natürlich hat der Luftikus eine Arbeit, von der er jetzt nach Hause kommt. Man weiß nur nie genau, von welcher. Es ist auch für den Fortgang der Geschichte gänzlich unerheblich. Übrigens weiß er selbst es auch nicht immer, er wechselt häufig. Er verdient nicht schlecht dabei. (Allerdings hat es Arbeitgeber gegeben, die haben ihn für einen Windbeutel gehalten.) Die Ehefrau steht in der Wohnungstür und nimmt ihren Luftikus in den Arm. Sie preßt ihn an sich und sich an ihn, es ist ihm nicht unangenehm. Diese hier ist anders, denkt er stolz.   Nach der Arbeit wirft der Luftikus seinen weißen Bademantel über. Er greift in die Tasche nach dem Päcklein mit den Zigaretten und holt auch das Feuerzeug heraus. Dann lümmelt er sich auf sein Sofa und schmiedet Pläne für den Abend. Gern legt er dabei Hand an seine Ehefrau. Heute quillt die Bademanteltasche über, der Luftikus zieht ein Gebilde hervor. Wat is dat denn, fragt er jovial. (Die Mundart ist eine Unart von mir, stellt sich der Luftikus bei anderen Gelegenheiten vor.) In der Hand hält er einen zur Hälfte aufgeblasenen grünen Luftballon. Mit was drinne? staunt er. Die Ehefrau lächelt verschmitzt. Sie gehört zu der Generation von Frauen, in der sich die Damen für die Nacht bedanken. Der Luftikus weiß nicht recht, was er von dem Angebinde halten soll. Beinahe fängt er schon an, am Knoten des Ballons zu fummeln, da fällt ihm zum Glück der Gordische ein. Er nimmt also den Luftballon in die linke Hand und schüttelt ihn, eine Babyrappel, prustet er. Dann hält er sein Feuerzeug an das Gummi und läßt es platzen. Kleine weiße Bällchen purzeln heraus, Champagnertrüffel, sie fallen dem Luftikus in den Schoß oder kullern unter den Tisch oder kommen, leicht demoliert, anderweitig zu Fall. Die Ehefrau strahlt. Ihr ist noch keine Überraschung mißglückt. Der Luftikus fragt sich, wie sie diese nun wieder bewerkstelligt hat. Er weiß, sie wird ihr Geheimnis nicht preisgeben. Diese ist tougher als andere, das schätzt er an ihr. (Die Ehefrau arbeitet als Arzthelferin bei einem Gynäkologen, da hat sie vielleicht Mittel und Wege gefunden.) Der Luftikus hebt ein Trüffelchen auf und steckt es seiner Ehefrau in den Mund. Dann schickt er sich zum Kusse an. Darling, sagt er, das hat noch immer gewirkt.   Vor dem Schlafengehen blättert der Luftikus die Post auf seinem Schreibtisch durch. Früher waren die Stapel höher, aber seit seiner Heirat haben die Fanbriefe stetig abgenommen. Immerhin verirrt sich doch noch der eine oder andere zu ihm, meist an die alte Bude, die ja nur einen Katzensprung vom neuen Leben entfernt liegt, adressiert und von der Briefträgerin, die jene Adresse ebenfalls nach Feierabend kannte, eigenhändig umgeleitet. (Nach Feierabend? verbessert die Postillionin. Von wegen. Zum und für den Feierabend natürlich.) Manchmal erlaubt sich die Briefträgerin einen kleinen Scherz und setzt einen persönlichen Gruß an den Rand. Etwa, Briefträger lauf, der Luftikus wartet drauf! oder andere Sprüche, deren Kenntnis sie gelegentlicher Lektüre ihrer Zustellpost verdankt. Manchmal weiß es die Briefträgerin so einzurichten, daß sie dem Luftikus zufällig über den Weg läuft, wenn sie fahrradschiebend ihre Runden dreht. Von Ferne grüßt sie mit Verschwörermiene. Der Luftikus weiß ihre Diskretion zu schätzen. Die Getreuen, die dem Luftikus die Stange gehalten haben und weiter halten möchten, ahnen oftmals nicht, daß ihr Geliebter geheiratet hat. Aber selbst wenn sie es hörten, es machte ihnen nichts aus. Sie sind ja selbst gelegentlich gebunden. Aus Erfahrung glauben sie zu wissen, daß sich die Ehefrau abnutzen wird und vorher schon ihr Neuigkeitseffekt. Ihnen ist es schließlich auch mal so ergangen, deshalb halten sie sich an den Luftikus. Nun schicken sie ihm Urlaubsgrüße von den Reisen, die sie mit ihren Ehemännern unternehmen. Liebe Grüße aus Moskau sendet Marion, und »Hamburger mochte ich stets am liebsten«, schreibt Anna-Ina aus New York. Sie lassen sich etwas einfallen, die Damen, das muß der Luftikus ihnen lassen. Er läßt es ihnen in der Regel aber nicht, denn ungelesen wandern ihre Grüße in den Abfalleimer. (Darin folgt er aber nicht der Ehefrau, das hat er früher auch schon so gehalten.) Päckchen, Pakete und Telegramme sind etwas anderes. Sie heben sich positiv von der Menge ab. Sie könnten etwas Wichtiges enthalten oder unterbreiten. Ein dienstliches Angebot etwa oder die Nachricht über einen Treffer in einem der Preisausschreiben, an denen sich der Luftikus mit für ihn ungewohntem Fleiß beteiligt. Heute ist so ein Glückstag, unter allerlei Reklamesendungen und Rechnungen liegt ein Päckchen, das allein schon aufgrund seiner neutralen Verpackung ins Auge sticht. Der Luftikus nimmt seinen Brieföffner zur Hand, den Finnendolch, und schlitzt die Verpackung auf. Er könnte sich natürlich auch der Mühe unterziehen, die sieben Heftklammern am oberen Rand herauszuziehen, aber er hält es lieber mit Alexander dem Großen. Außerdem besitzt er selbst keinen Heftklammernzieher und müßte sich das Gerät aus dem Stübchen der Ehefrau holen. Er muß sie auch um ihre Nagelfeile, Pinzetten oder Stempelkissen bitten, wenn er dergleichen benötigt. Vor allem aber ist der Luftikus zu faul, um jetzt noch aufzustehen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, denkt er, der Mohr kann kaum noch gehen. Er schlitzt also seitwärts auf, ritsch, ratsch, und sticht in Weichteile. Die Öffnung ist aber noch zu klein, es läßt sich nichts Genaues ausmachen. Der Luftikus stochert zuversichtlich, er pfeift vergnügt.   Der Briefumschlag hat sich in ein Außen- und ein Innenleben aufgelöst. Grauweiche Flocken sind aus der Hülle herausgequollen und haben den Luftikus, die Schreibtischplatte und den Bademantel leicht bestäubt. Den Luftikus stört das nicht. Scheißspiel, flucht er zwar, aber nur so, aus Lust. Er findet sich in seinem Element. Er fördert gern Entdeckungen zutage. Das Staubsaugen soll ihn nicht kümmern, er hat eine Putzfrau. Er hat Geld genug, um neue Briefumschläge zu kaufen, er muß nicht die an ihn gerichteten noch einmal verwenden. Der Luftikus prorkelt weiter. Plötzlich steigt ihm ein Duft in die Nase, er muß sogleich die Luft anhalten. In diesen Dingen ist er empfindlich, schließlich ist er Ästhet. Ich habe doch nicht – denkt der Luftikus, da fließt ihm aus dem Umschlag etwas entgegen. Etwas Weiches, ja, aber nicht mehr grau und keinesfalls staubtrocken. Unwillkürlich greift der Luftikus hinein, er will es stoppen, will die Schreibtischplatte schonen, es tropft ihm jetzt schon auf den Bademantel. Der Luftikus kann es gar nicht fassen. Und noch dazu der merkwürdige Geruch, nicht eigentlich wie, ja wie – Der Luftikus schnuppert und runzelt die Stirn. Es riecht nach Nuß, nicht eigentlich unangenehm. Das ist doch wohl das Letzte, platzt es dann aus ihm heraus. Er schlägt mit der flachen Rechten auf den Tisch. Er starrt auf den oliv-grünlichen Abdruck, den Handfläche und Finger hinterlassen. Scheiß-Spiel, sagt er ganz langsam, ganz verwundert und ganz ungläubig. Käme jetzt die Ehefrau ins Zimmer, sie würde ihren Luftikus für die Dauer dieser drei Sekunden, schwankend zwischen -ei- und -iieh-, nicht wiedererkennen. Seine Ehefrau. Die soll die Bescherung bloß nicht mitkriegen, denkt der Luftikus. Nicht, daß es ihr etwas ausmachen würde. Vermutlich würde sie es fertigbringen zu lachen, die Ehefrau. Aber das wäre es gerade, was er im Moment lieber nicht ertragen will. Der Luftikus (gerne führe er sich jetzt mit der Hand durchs Haar) schleicht sich in die Küche, er öffnet die Türen mit dem Ellenbogen, er wischt sich die Hände am Bademantel ab. In der Küche läßt er das Frotteestück von sich gleiten und steckt es eigenmächtig in die Waschmaschine. Er hat leider keine Zeit mit Händewaschen oder Neuankleiden zu verlieren, es könnte die Ehefrau animieren, aus ihrem Stübchen zu ihm zu stoßen. Er muß nach Handfeger und Feudel suchen. (In der Besenkammer? Unter der Spüle? Als Hamburger kennt er immerhin das Wort, feudaler Feudel, so hat er mal eine Bekannte genannt.) Der Luftikus ergreift eine Plastiktüte und huscht in sein Zimmer zurück. Er stopft Graues, Weiches und Grünes gleichermaßen in die Tüte hinein. Es hat ja wohl kein Brief...


Venske, Regula
Regula Venske gehört zu Deutschlands ungewöhnlichsten Krimiautoren, deren Romane großen Unterhaltungswert besitzen“ (literaturmarkt.info).

Regula Venske wurde 1955 in Minden geboren und wuchs in Münster auf. 1987 promovierte sie mit einer Studie über „Mannsbilder – Männerbilder. Konstruktion und Kritik des Männlichen in zeitgenössischer deutschsprachiger Literatur von Frauen“ zum Doktor der Philosophie.
Für ihre Romane und Erzählungen wurde sie u. a. mit dem Oldenburger Jugendbuchpreis, dem Deutschen Krimipreis und dem Lessing-Stipendium des Hamburger Senats ausgezeichnet, ihr Kurzgeschichtenband ""Herzschlag auf Maiglöckchensauce"" wurde für den Frauenkrimipreis der Stadt Wiesbaden nominiert.
Im April 2017 wurde Regula Venske zur Präsidentin des deutschen PEN gewählt, einer Schriftstellervereinigung, die sich für die Freiheit des Wortes und Völkerverständigung einsetzt und dessen Generalsekretärin sie seit April 2013 war. Seit Oktober 2015 ist sie außerdem Mitglied im Präsidium von PEN International. (www.pen-deutschland.de; www.pen-international.org)

Bei dotbooks erschienen Regula Venskes Romane „Double für eine Leiche“, „Schief gewickelt – Das perfekte Verbrechen“, „Kommt ein Mann die Treppe rauf“, „Rent a Russian“, „Die garstigen Greise“, „Ein allzu leichter Tod“ „Hamburger Kanzelsturz“, „Todesschüsse in St. Georg“, „Fegefeuer am Grindel“, „Mord im Gazellenkamp“ und „Die Hexen von Övelgönne“.

Weitere Titel sind in Vorbereitung.


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