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E-Book

E-Book, Deutsch, 269 Seiten

Reihe: Systemische Horizonte

Vogd Welten ohne Grund

Buddhismus, Sinn und Konstruktion

E-Book, Deutsch, 269 Seiten

Reihe: Systemische Horizonte

ISBN: 978-3-8497-8284-9
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Konstruktivistische Ideen und buddhistische Lehre haben mehr gemeinsam als allgemein gedacht. Werner Vogd zeigt jene Gemeinsamkeiten auf, die sich von anderen philosophischen oder religiösen Anschauungen radikal unterscheiden. Er macht dies an drei Leitgedanken fest:

1. Der Versuch, sich selbst zu finden, führt in die Irre. In uns ist letztlich nichts anderes zu finden als Projektionen, die verschleiern, dass es das Selbst als isolierbaren Wesenskern nicht gibt.
2. Konstruktivismus und Buddhismus weisen den Anspruch zurück, aus unseren Erfahrungen eine absolute Wahrheit oder eine explizite Sinngebung abzuleiten. Maturana und Varela sprechen von der Zwecklosigkeit aller biologischen Formen, die buddhistische Lehre betont immer wieder die Essenz- und Substanzlosigkeit all unseres sinnlichen Erlebens.
3. In der rational nicht greifbaren Basis unseres Seins zeigt sich jedoch eine unerwartete Tiefendimension. Jenseits äußerlicher Vorschriften und Regeln offenbart sich im menschlichen Sein eine implizite Ordnung: Mitgefühl und Liebe.

In diesem Sinne kann der Dialog zwischen Buddhismus und Konstruktivismus für alle Partner ein Nachhausekommen bedeuten. Wir lernen, in einer Welt ohne Grund heimisch zu werden, und beginnen, unser Leben als Praxis oder als Übung zu begreifen. Diese Übung ist die Übung schlechthin: Es geht um die Kunst des Lebens als Kultivierung der Fähigkeit, das Geschenk der Vergänglichkeit annehmen zu können und auf einer tiefen Ebene glücklich zu sein.
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Erkenne dich Selbst – westliche Perspektiven
Der Baum der Erkenntnis: Der Apfel ist vergiftet
Was aber den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse betrifft, davon sollst du nicht essen, denn an dem Tag, an dem du davon isst, wirst du sterblich sein. Mose 2.17 Die Problematik der Selbsterkenntnis besteht in der mit normalen logischen und philosophischen Mitteln nicht lösbaren Herausforderung, den Status des Beobachters zu klären. Daraus folgt die Frage, wie die in unserer alltäglichen Erfahrung zweigliedrig erscheinende Subjekt-Objekt-Relation zu bestimmen ist. Sobald wir jedoch diese Frage stellen, gelangen wir in einen zirkulären Prozess: Indem der Erkennende sich selber erkennt, wird das Subjekt der Erkenntnis zum Objekt der Erkenntnis, das Objekt der Erkenntnis ist wiederum das Subjekt selbst. Immer wenn sich ein Vorgang in einem kreisförmigen Prozess auf sich selbst bezieht, sprechen wir von Selbstreferenz oder Zirkularität. Zirkuläre Prozesse weisen hinsichtlich der Analyse ihrer logischen Kausalität einen Doppelcharakter auf: Sie bergen die Gefahr logischer Widersprüche. Unter geeigneten Bedingungen ermöglichen zirkuläre Systeme allerdings auch die Entwicklung stabiler Lösungen.44 Selbstreferenzielle Aussagen, also Sätze, die sich in der einen oder anderen Form auf sich selbst beziehen, können logische Paradoxien hervorrufen. Das bekannteste Paradoxon dieser Form ist die Aussage des Epidemes: »Alle Kreter lügen, sagt Epidemes der Kreter.« Die logische Analyse dieses Satzes ergibt: Wenn der Satz richtig ist, dann ist er falsch. Wenn er falsch ist, dann ist er richtig. Das Paradoxon entsteht, da die höhere logische Ebene der Satzform zirkulär mit der tieferen Ebene des Satzinhaltes verbunden wird.45 In der klassischen Logik werden Aussagen dieser Form als Zirkelschlüsse abgelehnt, da Zirkelschlüsse die lineare Kausalität aushöhlen. Im rekursiven System, in der Selbstreferenz, wird die Wirkung einer Ursache ihre eigene Ursache. Die Erforschung von Selbstorganisationsvorgängen und die Theorie kybernetischer Systeme konnten demgegenüber zeigen, dass rekursive Systeme stabile Lösungen ausbilden können. Diese Lösungen zeigen sich in der Selbstorganisationsdynamik des entsprechenden Systems, die sich dann nicht mehr in Form linearer Kausalitätsbeziehungen beschreiben lässt. Dennoch lassen sich diese Systeme untersuchen, da sie ein durch ihre Struktur determiniertes Eigenverhalten zeigen. Die anschließenden beiden Kapitel werden sich ausführlicher mit der (zunächst noch recht formalen) Beschreibung dieser Systeme beschäfti gen. Im Versuch, unser Erkennen zu erkennen, haben wir es mit einem selbstreferenziellen Prozess zu tun. Daher begegnen wir auch hier der Problematik zirkulärer Prozesse. Die Versuche der traditionellen Erkenntnistheorien, die Rolle des Beobachters zu klären, führen nolens volens zum Paradoxon der Subjekt-Objekt-Problematik: Jeder Versuch des Subjekts, sich selber zum Objekt zu machen, muss scheitern, da das Objekt nun eben dieses Subjekt ist. Übrig bleibt letztendlich nur der Versuch des Subjekts, sich selber zu beweisen. Dazu müsste es aber aus sich selbst heraustreten können, eben einen objektiven Standpunkt einnehmen. Unsere Situation gleicht jemandem, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen will. Hierzu Ernst von Glasersfeld: »Das Paradox besteht einfach darin, daß, wenn ich glaube, daß ich mir im Inneren ein Bild von der Welt mache und daß das Bild bewertet wird, je nachdem, wie genau es mit der Welt, die draußen liegt, übereinstimmt, dann kann ich die Bewertung nie ausführen. Denn was immer ich als Bewertung versuche, muß denselben Weg gehen, den das Bild gegangen ist, dieselbe Wahrnehmung, dieselbe Begriffswelt, dieselben Beziehungen, andere habe ich ja nicht. Und so kommt es zu einer Situation, die meiner Ansicht nach der irische Philosoph Berkeley am deutlichsten ausgedrückt hat, wenn er sagt, wir können immer nur Ideen mit Ideen vergleichen.«46 Selbstreferenzielle Erkenntnissysteme wie der neurobiologische Konstruktivismus und der Buddhis mus erkennen die rekursive Natur des Erkenntnisprozesses an und verlagern deshalb ihre epistemologische Fragestellung. Um mit Heinz von Foerster zu sprechen: »Wollen wir nun das Problem einer Theorie des Erkennens lösen, also eine Epistemologie erzeugen, dann muss sie von solcher Art sein, daß sie sich selbst erklärt, oder in Hilberts Sprache, daß sie eine Eigentheorie ist.«47 Eine Eigentheorie des Erkennens muss allerdings erklären können, wie Erkennen aus sich selbst heraus entsteht und schließlich Selbsterkenntnis ermöglicht.48 Die Frage heißt nun nicht mehr: Was ist der Beobachter?, sondern: Wie entsteht der Beobachter? Das Subjekt des Erlebens und das Objekt, der Gegenstand der Erkenntnis, können jetzt allerdings nicht mehr als etwas Festes bzw. Absolutes angesehen werden, sondern sie sind gegenseitig durch den Prozess des Entstehens einer Wirklichkeit bedingt und deshalb nicht mehr voneinander getrennt zu sehen. Eine vollständige Eigentheorie des Erkennens hat die Aufgabe, im Einklang mit unserer empirischen Erfahrung zu zeigen, wie der Prozess des Erkennens einer Wirklichkeit eine Wirklichkeit erschafft, in der Selbsterkenntnis möglich ist. Lösungsversuche des Subjekt-Objekt-Problems
Ein zentrales Problem abendländischer Philosophie besteht in der Frage, wie die zweigliedrig erscheinende Beziehung zwischen erkennendem Subjekt und dem zu erkennenden Objekt zu bestimmen ist. Schauen wir uns die relevanten Lösungsversuche des Subjekt-Objekt-Problems kurz im Vergleich an: Materieller Objektivismus Die objektive Welt existiert hier unabhängig vom Subjekt. Die Welt erscheint im Prinzip als eine riesige Maschine, ähnlich einem Uhrwerk. Ein wahrnehmendes Ich ist allenfalls Beobachter, findet jedoch im eigentlichen Sinne keinen Platz in dieser Welt. Der materielle Determinismus ist die Grundannahme der sogenannten objektiven Wissenschaften: Alle Prozesse sind hier durch die objektiven Naturgesetze bestimmt.49 Psychische Vorgänge, Gefühle und Verhalten werden als durch die Struktur unseres Gehirns determiniert gesehen. Unser Bewusstsein stellt damit bestenfalls ein Anhängsel einer an sich schon perfekten Maschine dar. Infolgedessen erscheint Marvin Minski50 – als Vertreter einer Vielzahl ähnlich denkender Kognitionsforscher – das Bewusstsein als ein mehr oder weniger überflüssiges Phänomen, welches durch die physischen Vorgänge des Gehirns determiniert wird. Viele Hirn- und Kognitionswissenschaftler ignorieren das Phänomen des Bewusstseins in ihren Untersuchungen. Einige jedoch, wie etwa der zur Neurophysiologie konvertierte Nobelpreisträger Francis Crick, machen sich auf die Suche nach den Bewusstseinsneuronen, um der Natur des Bewusstseins von der objektiven Seite her auf die Spur zu kommen,51 bislang jedoch ohne Erfolg. Einiges spricht dafür, dass solche Bemühungen prinzipiell erfolglos bleiben müssen, denn die Klärung des Problems des Bewusstseins verschließt sich allein schon deshalb, weil der logische Denkapparat, mit dem man das Problem zu lösen versucht, in die Art und Weise, wie die Frage gestellt wird, selbst eingewoben ist. Dieses Denken operiert nämlich innerhalb einer zweiwertigen Logik, entsprechend der etwas entweder eindeutig ist oder nicht ist. Als Primat gilt hier das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten sowie die hieraus abgeleitete klassische Identitätslogik und entsprechende Ontologie.52 Dabei muss davon ausgegangen werden, dass ein Gegenstand mit sich selbst identisch ist (A=A), dass etwas Bestimmtes also entweder ist oder eindeutig nicht ist. Ein Drittes ist hier nicht gegeben. Die Aussage »A kann auch ?A sein« (in unserem Fall »das Subjekt ist das Objekt«) erscheint aus dieser Perspektive widersprüchlich und ist entsprechend als unsinnig zurückzuweisen. Auf Basis der klassischen Logik lassen sich die Beobachtungsverhältnisse unserer Welt nur in einer Weise begreifen, welche die Subjekt-Objekt-Dichotomie reifiziert, vergegenständlicht, ohne sie jedoch als Form auflösen oder transzendieren zu können. Die Identitätslogik führt unweigerlich zu einem Wissenschaftsverständnis der kausalen Erklärungen, entsprechend dem das Sein die Reflexion determiniert. Insofern die Wirklichkeit richtig erkannt ist, fügt die Reflexion dem Sein nichts hinzu. Der Beobachter erscheint hier nur als Spiegel der Realität.53 Im strengen Sinne muss auch das Subjekt als Kausalfaktor verschwinden, denn es kann und darf der objektiven Wirklichkeit nichts hinzufügen. Tertium non datur.54 Wir begegnen hier dem merkwürdigen, unserer Lebenserfahrung widersprechenden Befund, dass, sobald man kognitive Prozesse objektivistisch zu beschreiben versucht, außerhalb des physikalischen und chemischen...


Werner Vogd, Dr., Professor für Soziologie an der Fakultät für Kulturreflexion der Universität Witten/Herdecke. Schwerpunkte: Systemtheorie und rekonstruktive Sozialforschung, Organisation und Entscheidungsprozesse, naturwissenschaftliche Denkformen, Religionssoziologie, insbesondere Buddhismus. Aktuell: DFG-Projekt Buddhismus im Westen. Veröffentlichungen: "Welten ohne Grund. Buddhismus, Sinn und Konstruktion" (2. Aufl. 2022), "Der ermächtigte Meister. Eine systemische Rekonstruktion am Beispiel des Skandals umd Sogyal Rinpoche" (2019).


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