Walter / Vogt / Schlaffer | Wehrrecht | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 290 Seiten

Walter / Vogt / Schlaffer Wehrrecht

Grundlagen

E-Book, Deutsch, 290 Seiten

ISBN: 978-3-17-039020-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das Buch behandelt in alphabetischer Reihenfolge 22 zentrale Begriffe des Wehrrechts wie
- Amtshaftung,
- Bundeswehrverwaltung,
- Einsatz im Ausland und im Innern,
- Militärischer Abschirmdienst,
- parlamentarische Kontrolle,
- Soldatenrecht,
- Truppenstationierungsrecht,
- Wehrbeschwerderecht,
- Wehrdisziplinarrecht,
- Wehrstrafrecht u.a.
und ist somit zugleich Arbeitshilfe und Nachschlagewerk für alle mit dem Wehrrecht Befassten.
Es bietet zuverlässige Antworten auf die wichtigsten Fragen des Wehrrechts und stellt eine gute und fundierte Hilfestellung für alle Entscheidungsträger dar.
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Kapitel 1Amtshaftung

Christian Raap
Sowohl im sog. Grundbetrieb als auch im Auslandseinsatz kommt es immer wieder zu Schäden. Sie sind zum Teil unvermeidbar, zum Teil werden sie aber auch durch Soldaten schuldhaft verursacht. Aus der Rechtsbindung allen staatlichen Handelns folgt eine objektiv-rechtliche Pflicht zur Beseitigung von Rechtsverstößen des Staates.1 Die wichtigste Anspruchsgrundlage für den Ausgleich von dem Staat zuzurechnenden Schäden ist der Amtshaftungsanspruch gem. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.?V.?m. Art. 34 Satz 1 GG.2 Verfassungsrechtlich ist gewährleistet, dass der Staat für Pflichtverletzungen seiner Amtsträger haftet.3 § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ist bei diesem Anspruch die haftungsbegründende, Art. 34 Satz 1 GG die haftungsüberleitende Norm.4 Verfassungsrecht und zivilrechtliches Deliktsrecht gehen hier gewissermaßen eine rechtliche Symbiose ein.5 Sind die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gegeben, tritt an die Stelle der persönlichen Haftung des Amtsträgers die Haftung des Staates. Durch diese befreiende Schuldübernahme6 wird der Amtsträger von der unmittelbaren Verantwortlichkeit gegenüber dem Geschädigten befreit. Die Schuldübernahme bezweckt in erster Linie den Schutz des Geschädigten; ihm soll in jedem Falle ein leistungsfähiger Schuldner zur Verfügung stehen.7 Auf der Rechtsfolgenseite führt die Amtshaftung zu Geldersatz,8 also nicht etwa zu einem Anspruch auf eine rechtmäßige Amtshandlung. Denn der Staat haftet lediglich in dem Maße, in dem der Amtsträger auch persönlich haften würde, und ist auch nur zu Leistungen verpflichtet, die der Amtsträger als Privatperson erbringen könnte.9 Als Privatperson wäre der Amtsträger zu hoheitlichen Handlungen nicht imstande.10 I.Anwendbarkeit des Amtshaftungsanspruchs
1.Grundsätzliche Anwendbarkeit
Grundsätzlich ist der Amtshaftungsanspruch anwendbar, wenn Soldaten Schäden zum Nachteil Dritter verursachen. Die meisten Schäden entfallen auf den sog. Grundbetrieb (Ausbildungs-, Übungs- und sonstiger Betrieb der Streitkräfte im In- und Ausland einschließlich vor- und nachbereitender Maßnahmen für Einsätze). 2.Auslandsschadensfälle
Bei hoheitlichem Handeln im Ausland gilt nach Internationalem Privatrecht das Recht des Amtsstaates,11 somit deutsches Amtshaftungsrecht. Beispiel: Verkehrsunfall mit einem Dienstfahrzeug der Bundeswehr auf einer Versorgungsfahrt.12 3.Kampfhandlungen in bewaffneten Konflikten
Die lange umstrittene Frage, ob der Amtshaftungsanspruch auch auf von deutschen Soldaten durch Kampfhandlungen in bewaffneten Konflikten verursachte Schäden anwendbar ist,13 hat der BGH in einer vielbeachteten Grundsatzentscheidung 2016 ausdrücklich verneint:14 Der nie geänderte Wortlaut von § 839 BGB (seit 1896) und Art. 34 GG (seit 1949), die Normgeschichte, der daraus ableitbare Gesetzeszweck und systematische Erwägungen sprechen gegen eine Erstreckung des Anwendungsbereichs der Amtshaftungsnormen auf Kampfhandlungen deutscher Streitkräfte im Ausland. Einer darüberhinausgehenden richterlichen Rechtsfortbildung würde entgegenstehen, dass derart grundlegende Entscheidungen allein vom Gesetzgeber zu treffen sind. § 839 BGB ist auf den „normalen Amtsbetrieb“ zugeschnitten, das heißt auf den Ausgleich von Schäden, die auf Grund von Amtspflichtverletzungen im Rahmen des allgemeinen und alltäglichen Verwaltungshandelns entstehen. Die Entscheidungssituation eines verwaltungsmäßig handelnden Beamten kann nicht mit der Gefechtssituation eines im Kampfeinsatz befindlichen Soldaten gleichgesetzt werden. Wenn sich aus dem Völkerrecht keine individuellen Schadens­ersatzansprüche ableiten lassen, besteht auch keine Verpflichtung, einzelnen Personen durch Auslegung des innerstaatlichen Rechts im Lichte der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (vgl. Art. 25 Satz 1 GG) einen Schadensersatzanspruch nach nationalem Recht einzuräumen. Da bei re­alitätsnaher Betrachtung für die Bundesrepublik Deutschland nur Auslandseinsätze gemeinsam mit Partnerstaaten, insbesondere im Rahmen der NATO, in Betracht kommen, bestünde im Rahmen der Amtshaftung ansonsten die Möglichkeit der Zurechnung völkerrechtswidriger unerlaubter Handlungen eines anderen Bündnispartners nach Maßgabe des § 830 BGB. Das würde nicht nur die Gefahr einer kaum eingrenzbaren (gesamtschuldnerischen) Haftung heraufbeschwören, sondern hätte auch zur Folge, dass vor den deutschen Zivilgerichten das hoheitliche Handeln eines anderen Bündnispartners inzident zu überprüfen wäre. Gerade Letzteres könnte das außenpolitische Verhältnis Deutschlands zu seinen Bündnispartnern nachhaltig belasten, zumal sich im Amtshaftungsprozess die prozessuale Notwendigkeit ergeben könnte, taktische oder strategische Überlegungen offenzulegen und Sachverhalte vorzutragen, welche jedenfalls andere Bündnispartner als geheimhaltungsbedürftig ansehen. Einer richterlichen Rechtsfortbildung, das Amtshaftungsrecht unter Aufgabe seines traditionellen Verständnisses nunmehr auch auf bewaffnete Auslandseinsätze der Streitkräfte zu erstrecken, stünden durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Denn der Gesetzgeber hat in grundlegenden normativen Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Das Grundsatzurteil des BGH leistet insgesamt einen wesentlichen Beitrag zur Rechtssicherheit für das Handeln deutscher Streitkräfte in bewaffneten Konflikten.15 4.Ex-gratia-Leistungen
Auch wenn für im bewaffneten Konflikt verursachte Kampfhandlungsschäden keine Schadensersatzpflicht besteht, ist die Bundeswehr nicht gehindert, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geschädigte Personen aus humanitären Gründen zu unterstützen (sog. Ex-gratia-Leistung).16 II.Anspruchsvoraussetzungen
Ein Amtshaftungsanspruch besteht, wenn (1.) jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes (2.) die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht (3.) schuldhaft verletzt und (4.) dadurch einen Schaden verursacht (Kausalität), (5.) ohne dass ein Haftungsausschluss vorliegt.17 1.Ausübung eines öffentlichen Amtes
Es muss „jemand“ für den Staat (oder einen Träger öffentlicher Gewalt) gehandelt haben. „Jemand“ ist jeder Träger von Hoheitsgewalt.18 Der Amtshaftungsanspruch stellt nicht auf den Status des Handelnden, sondern auf die Art des Handelns, d.?h. die wahrgenommene Funktion ab.19 Der Handelnde braucht folglich kein Beamter im statusrechtlichen Sinne zu sein. Man spricht insoweit vom Beamten im haftungsrechtlichen Sinn. Auch ein Soldat kann daher „jemand“ sein.20 Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung21 danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr ist der mit der Fahrt verfolgte Zweck entscheidend. Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Dienstfahrt eines Soldaten militärischen Zwecken und folglich der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dient.22 Hoheitlich ist z.?B. der Soldatentransport zu einem Truppenübungsplatz.23 Ebenfalls hoheitlich ist die Behandlung von Soldaten (der Bundeswehr) im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung (§ 30 Abs. 1 Satz 2 SG).24 Reinigt ein Soldat aufgrund Befehls das Wachlokal in einer Kaserne, liegt hoheitliches Handeln vor; Hygiene ist für die Gesundheit der Soldaten unabdingbar und damit Voraussetzung der Verteidigungsbereitschaft.25 Der innere und äußere Zusammenhang zwischen hoheitlicher Tätigkeit und schädigender Handlung fehlt, wenn ein Soldat im Dienst aus Zorn über die schlechte Verpflegung auf einen Mitarbeiter der verantwortlichen Verpflegungsfirma schießt. Tötet ein Soldat plötzlich einen Offizier aus Wut und Rache mit einem Feuerstoß aus der Maschinenpistole, ist der Zusammenhang ebenfalls zu verneinen.26 2.Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
Amtspflichten resultieren aus dem Dienstverhältnis der konkreten Person zu ihrem Dienstherrn. Allgemeine Verpflichtungen ergeben sich aus der Gesetzesbindung für alle Amtswalter.27 Die Verletzung kann in einem Tun, aber auch in einem Unterlassen (bei entsprechender Rechtspflicht) liegen. Die verletzte Amtspflicht muss zumindest auch dem Schutz des Geschädigten dienen (sog. Schutzzwecktheorie).28 Eine Drittbezogenheit besteht, wenn die verletzte Rechtsnorm den Schutz der Interessen des Geschädigten bezweckt. Drittbezogen ist die Pflicht eines Soldaten, eine beim Teilladen einer Maschinenkanone eingetretene Waffenstörung zu melden.29 Eine drittbezogene Amtspflicht ist nicht verletzt, wenn der Truppenarzt bei der Behandlung eines Soldaten möglicherweise eine...


Der Herausgeber, Dr. Christian Raap, ist Ministerialrat und Referatsleiter in der Rechtsabteilung des Bundesministeriums der Verteidigung. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Rechtsthemen dieses Buches.


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