Webb / Tucson / Amend | Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Webb / Tucson / Amend Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung

Ein Ratgeber für Fachpersonen und Betroffene

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-456-96048-7
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Ein wichtiger Ratgeber für Betroffene und Fachpersonen, der Doppel- und Fehldiagnosen bei Hochbegabung aufzeigt und konkrete Hilfestellung bietet.
Außerordentlich begabten und kreativen Kindern und Erwachsenen werden häufig Fehldiagnosen wie ADHS, Störung mit oppositionellem Trotzverhalten, bipolare Störung, Zwangsstörung, Autismus oder Asperger-Störung gestellt. Viele von ihnen werden unnötigerweise mit Medikamenten behandelt oder einer Therapie unterzogen, die sie eigentlich gar nicht bräuchten. James T. Webb und sein Autorenteam bieten in diesem Ratgeber praktische Tipps und Ressourcen für Betroffene, Eltern, Therapeuten und weitere Fachpersonen. Berücksichtigt wird auch:

• berücksichtigt u.a. den aktuellen Forschungsstand
• legt die diagnostischen Kriterien des DSM-5 zugrunde und nennt die entsprechenden ICD-10-Diagnosen
• beinhaltet ein neues Kapitel „Suchterkrankungen“, in dem (mögliche) Zusammenhänge zwischen Sucht und Hochbegabung diskutiert werden
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Zielgruppe


Psychologen, Psychiater, Psychotherapeuten, Beratungslehrer, Schulpsychologen, Hochbegabte

Weitere Infos & Material


1;Inhaltsverzeichnis, Danksagung, Geleitwort und Vorbemerkung der Autoren;9
2;Einführung;27
2.1;Was genau ist mit dem Begriff „hochbegabt“ gemeint?;34
2.2;Tragen hochbegabte Kinder und Erwachsene ein besonderes Risiko für soziale und emotionale Probleme?;37
3;Kapitel 1: Merkmale von hochbegabten Kindern und Erwachsenen;45
3.1;Verhaltensmerkmale;49
3.2;Häufige Gründe, warum hochbegabte Kinder an eine Fachperson überwiesen werden;51
3.3;Häufige Gründe, warum hochbegabte Erwachsene Hilfe benötigen;53
3.4;Intensität und erhöhte Sensitivität;57
3.4.1;Erhöhte intellektuelle Sensitivität;59
3.4.2;Erhöhte imaginäre Sensitivität;60
3.4.3;Erhöhte emotionale Sensitivität;61
3.4.4;Erhöhte psychomotorische Sensitivität;62
3.4.5;Erhöhte sensorische Sensitivität;63
3.5;Erhöhte Sensitivität und Fehldiagnosen;64
3.6;Denkstile;66
3.6.1;Probleme, die mit dem visuell-räumlichen, nicht linearen Denkstil in Verbindung gebracht werden;69
3.6.2;Probleme, die mit dem akustisch-sequenziellen, linearen Denkstil in Verbindung gebracht werden;71
3.7;Idealismus;72
3.8;Peerbeziehungen;73
3.9;Asynchrone Entwicklung;76
3.9.1;Oft hinkt das Urteilsvermögen dem Intellekt hinterher;79
3.10;Interessenmuster;81
3.11;Kreativität;84
3.11.1;Das falsche schulische/berufliche Umfeld oder mangelndes Verständnis in der Familie;85
4;Kapitel 2: Fehldiagnosen und Doppeldiagnosen bei hochbegabten Kindern und Erwachsenen;89
4.1;Warum erhalten so viele hochbegabte Kinder und Erwachsene so viele Diagnosen?;90
4.2;Doppeldiagnosen;92
4.3;Die landesweite SENG-Umfrage;95
4.4;Die Rolle der Fachpersonen in Therapie und Beratung;96
5;Kapitel 3: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung;101
5.1;ADHS, hochbegabt oder beides?;103
5.1.1;Beeinträchtigung;108
5.1.2;Aktivitätsniveau;110
5.1.3;Diagnostische Kriterien;110
5.2;Die traditionelle ADHS-Diagnostik;113
5.2.1;Beurteilungsskalen;113
5.2.2;Unaufmerksamkeit und Ablenkbarkeit;116
5.2.3;Hyperaktivität und Impulsivität;118
5.2.4;Intelligenz-, Leistungs- und neuropsychologische Tests;119
5.2.5;Persönlichkeitstests;119
5.2.6;Hyperfokussierung und Stimulusgebundenheit;120
5.3;Unterschiede zwischen ADHS-Verhalten und Hochbegabungsverhalten;122
5.3.1;Kontext- und situationsabhängige Verhaltensspezifität;123
5.3.2;Hochbegabte Kinder mit ADHS;125
5.3.3;ADHS bei hochbegabten Erwachsenen;126
5.3.4;Medikamente;127
5.3.5;Ähnlichkeiten und Unterschiede;130
5.3.6;Verhaltensmerkmale, die mit ADHS nicht vereinbar sind;132
5.4;Zusammenfassung;133
6;Kapitel 4: Wutdiagnosen;139
6.1;Hochbegabte Kinder und Wut;139
6.2;Die Wutdiagnosen;144
6.3;Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten;145
6.3.1;Oppositionsverhalten bei hochbegabten Kindern;147
6.3.2;Verhaltensmerkmale, die mit einer Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten nicht vereinbar sind;148
6.4;Disruptive Affektregulationsstörung;150
6.5;Störung des Sozialverhaltens;152
6.5.1;Verhaltensmerkmale, die mit einer Störung des Sozialverhaltens nicht vereinbar sind;154
6.6;Intermittierende Explosible Störung;156
6.6.1;Verhaltensmerkmale, die mit einer Intermittierenden Explosiblen Störung nicht vereinbar sind;156
6.7;Narzisstische Persönlichkeitsstörung;158
6.7.1;Hochbegabung und Narzissmus;161
6.7.2;Verhaltensmerkmale, die mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sind;165
6.8;Zusammenfassung;166
7;Kapitel 5: Ideations- und Angststörungen;169
7.1;Zwangsstörungen;171
7.2;Zwanghafte Persönlichkeitsstörung;175
7.2.1;Beziehung zu Hochbegabung;176
7.3;Essstörungen;180
7.4;Autismus-Spektrum-Störung und Asperger-Störung;182
7.4.1;Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Asperger-Störung und Hochbegabungsverhalten;190
7.4.2;Unterscheidungsmerkmale;192
7.4.3;Situationsspezifische Besonderheiten;196
7.4.4;Introvertiert, ängstlich oder Asperger-Störung?;198
7.4.5;Verhaltensmerkmale, die mit einer Asperger-Störung nicht vereinbar sind;198
7.5;Soziale (Pragmatische) Kommunikationsstörung;199
7.5.1;Verhaltensmerkmale, die mit einer Sozialen (Pragmatischen) Kommunikationsstörung nicht vereinbar sind;202
7.6;Schizoide Persönlichkeitsstörung;202
7.6.1;Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern und Erwachsenen;204
7.6.2;Verhaltensmerkmale, die mit einer Schizoiden Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sind;205
7.7;Schizotype Persönlichkeitsstörung;207
7.7.1;Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern;208
7.7.2;Verhaltensmerkmale, die mit einer Schizotypen Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sind;210
7.8;Vermeidend-Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung;211
7.8.1;Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern und Erwachsenen;212
7.8.2;Verhaltensmerkmale, die mit einer Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sind;214
7.9;Andere Angststörungen;216
8;Kapitel 6: Affektive Störungen;219
8.1;Bipolare Störungen (ehemals „Manisch-Depressive Störungen“ genannt);221
8.1.1;Merkmale von bipolaren Störungen;222
8.1.2;Bipolare Störungen bei Jugendlichen und Erwachsenen;224
8.1.3;Bipolare Störungen bei Kindern;225
8.1.4;Bipolare Störungen mit Rapid Cycling bei Kindern;225
8.1.5;Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern und Erwachsenen;226
8.2;Zyklothyme Störung;228
8.3;Depressive Störung;229
8.4;Persistierende Depressive Störung (Dysthymie);235
8.4.1;Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern und Erwachsenen;235
8.5;Existenzielle Depression;237
9;Kapitel 7: Lernstörungen;243
9.1;Lernstörungen diagnostizieren;249
9.2;Spezifische Lernstörungen;257
9.2.1;Beeinträchtigungen beim Lesen, Schreiben, Lernen, in der Sprachproduktion und im Gedächtnis;259
9.2.2;Rechenschwäche;263
9.3;Zusammenfassung;266
9.4;Nonverbale Lernstörungen;267
9.5;Sensomotorische Integrationsstörungen;270
9.6;Auditive Verarbeitungsstörung;272
9.7;Kognitive Rehabilitation;275
9.8;Zusammenfassung;276
10;Kapitel 8: Schlafstörungen;281
10.1;Kurzschläfer und Langschläfer;282
10.1.1;Auswirkungen von kurzen und langen Schlafmustern;284
10.1.2;Was Fachleute und Eltern beachten sollten;285
10.1.3;Zwischen normalen kurzen oder langen Schlafmustern und Schlafstörungen unterscheiden;285
10.2;Insomnie;286
10.2.1;Verhaltensmerkmale, die mit einer Insomnie nicht vereinbar sind oder im Widerspruch dazu stehen;287
10.3;Hypersomnie;288
10.3.1;Verhaltensmerkmale, die mit einer Hypersomnie nicht vereinbar sind oder im Widerspruch dazu stehen;288
10.4;Schlafunterbrechungen;289
10.4.1;Enuresis;291
10.4.2;Albträume;292
10.4.3;Pavor nocturnus (Nachtangst);293
10.4.4;Andere Schlafunterbrechungen;293
10.5;Zusammenfassung;294
11;Kapitel 9: Allergien, Asthma und reaktive Hypoglykämie;297
11.1;Das Zusammenspiel von Gehirn und Darm;297
11.2;Allergien und Asthma;301
11.2.1;Was Fachleute beachten sollten;303
11.3;Reaktive Hypoglykämie/zeitweise Unterzuckerung;303
11.3.1;Hypoglykämie und Allergien;306
11.3.2;Reaktive Hypoglykämie und Fehldiagnosen;307
11.4;Andere Autoimmunerkrankungen;307
12;Kapitel 10: Suchterkrankungen;311
12.1;Alkohol- bzw. Drogenkonsum und Hochbegabung in der Forschung;314
12.2;Warum sollten hochbegabte Individuen stärker gefährdet sein?;316
12.3;Subtypen von Alkoholismus;318
12.4;Was Fachleute beachten sollten;324
13;Kapitel 11: Hochbegabung und Beziehungen;327
13.1;Beziehungsprobleme diagnostizieren;328
13.2;Eltern-Kind-Beziehungen;329
13.2.1;Machtkämpfe;330
13.2.2;Überengagierte Eltern;332
13.2.3;Das hochbegabte Kind „adultisieren“;335
13.2.4;Hochbegabung ist kein Freibrief für schlechtes Benehmen;336
13.2.5;Wenn hochbegabte Kinder ihre Eltern manipulieren;337
13.2.6;Müssen Eltern alle „Sonderwünsche“ ihrer hochbegabten Kinder erfüllen?;338
13.2.7;Wenn Eltern die Hochbegabung ihres Kindes nicht wahrhaben wollen;339
13.3;Peerbeziehungen;341
13.3.1;Rivalität unter Geschwistern;342
13.3.2;Probleme mit der Geschlechtsidentität;343
13.3.3;Peerdruck;344
13.4;Erwachsenenbeziehungen;345
13.4.1;Beziehungsprobleme in der Ehe oder Partnerschaft;346
13.4.2;Beziehungsprobleme am Arbeitsplatz;347
13.4.3;Probleme im Sozialleben;349
13.5;Diagnosen und Behandlung;350
14;Kapitel 12: Der diagnostische Prozess;353
14.1;Diagnosen und hochbegabte Kinder/Erwachsene;353
14.2;Ein logischer Ansatz zur Vermeidung von Fehldiagnosen;355
14.3;Beispiel: Defizit im Kurzzeitgedächtnis;355
14.4;Beispiel: Defizit in der Verarbeitungsgeschwindigkeit;357
14.5;Beispiel: Defizit in der auditiven Verarbeitung;359
14.6;Beispiel: Defizit in der sensorischen Integration;360
14.7;Beispiel: Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten (SOT);362
14.8;Wenn Störungen gar keine Störungen sind;365
15;Kapitel 13: Hochbegabungsverhalten von pathologischem Verhalten unterscheiden;367
15.1;Der diagnostische Prozess;372
15.1.1;Typische Muster bei hochbegabten Kindern und Erwachsenen;374
15.1.2;Entwicklungsgeschichte;374
15.1.3;Treten die Probleme nur in bestimmten Situationen auf?;375
15.1.4;Inwieweit stimmen die Verhaltensweisen mit den diagnostischen Kriterien überein?;376
15.1.5;Doppeldiagnosen;376
15.1.6;Wie stark ist die Beeinträchtigung?;378
15.2;Den besonderen Intellekt des hochbegabten Klienten bei Gesprächen berücksichtigen;378
16;Kapitel 14: Professionelle Hilfe finden;379
16.1;Adressen und Webseiten;391
16.2;Hochbegabung: Informationen, Rat und Hilfe;391
16.3;Zeitschriften zum Thema Hochbegabung;397
16.4;ADHS;398
16.5;Lernstörungen;399
16.6;Depression;400
16.7;Zwangsstörungen;401
16.8;Schlafstörungen;401
16.9;Bipolare Störungen;402
16.10;Asperger-Störung;402
16.11;Suchterkrankungen;403
16.12;Über die Autoren;405
16.13;Literaturverzeichnis;411
17;Sachwortverzeichnis;439


|17|Geleitwort
Im Sommer 2004, als ich zur 25. Jubiläumsversammlung der School of Professional Psychology (SOPP) an der Wright State University in Dayton, Ohio, flog, kam ich mit einer Passagierin ins Gespräch, die sich als Ehefrau eines Universitätspräsidenten entpuppte. Als sie den Grund meiner Reise erfuhr, erzählte sie, dass ihr die School of Professional Psychology ein Begriff war – insbesondere ein Programm namens SENG (Supporting Emotional Needs of the Gifted), das sich für Hochbegabte und deren Familien einsetzte und, so die Dame, ein „echter nationaler Schatz“ war. Sie konnte ja nicht ahnen, dass ich als Gründungsdekan der SOPP dieses Programm und seinen Gründer, Dr. James T. Webb, kannte. Sie fuhr daher fort, ausführlich darüber zu berichten. Natürlich hörte ich ihr nur allzu gern dabei zu, wie sie meine „weise Entscheidung“ lobte, das Programm an der Wright State aufzunehmen, wo ich damals Dekan war. Die Geschichte, die mir die Dame erzählte, kam mir bekannt vor. Sie ähnelte den vielen anderen, die ich im Laufe der Jahre gehört hatte. Der neunjährige Sohn ihrer Schwester war ein paar Jahre zuvor fast vom Regelunterricht seiner Schule ausgeschlossen worden. Seine schulischen Leistungen waren schlecht, er war unaufmerksam, vernachlässigte seine Hausaufgaben und hatte keine Geduld mit seinen Klassenkameraden. Außerdem zeigte er eine an Besessenheit grenzende Faszination für Elektromotoren, der er hartnäckig nachging, egal, was gerade im Unterricht ablief. Seine Lehrerin war nicht nur verärgert, sondern auch ziemlich ratlos und frustriert, denn der Junge war hochintelligent. Und doch waren alle Versuche, ihn zu ändern, vergebens. Da sie sein Störverhalten nicht in den Griff bekam, wollte die Lehrerin ihn in einem alternativen Programm unterbringen. Die Tante des Jungen, die jetzt mit mir im Flugzeug saß, schlug ihrer Schwester vor, das SENG-Programm zu kontaktieren, das, so hatte sie gehört, an einer staatlichen Universität in Ohio angesiedelt war. Die Eltern reisten mit ihrem Sohn nach Dayton, um ihn testen zu lassen und um sich Rat zu holen. Wie sich herausstellte, war der Junge intellektuell so begabt, dass seine Schule – er kam aus einer Kleinstadt in Indiana – seinen Bedürfnissen überhaupt nicht gerecht wurde. Die Eltern wurden darüber in Kenntnis gesetzt, welche Ressourcen und Methoden für eine angemessene intellektuelle Förderung zur Verfügung standen, und sie wurden eingehend beraten, wie man die verschiedenen Arten von Störverhalten im Unterricht in den Griff bekommen konnte. Außerdem gab man ihnen praktische Ratschläge zum Umgang mit den Geschwistern. Die positiven Ergebnisse ließen nicht lange auf sich warten. Das Schulsystem von Indiana bot damals zwar noch keine Hochbegabtenprogramme an, aber dank |18|der Unterstützung durch SENG konnte diese Familie besser auf die intellektuellen Bedürfnisse und Entwicklungsbesonderheiten ihres Sohnes eingehen, und ihre Bemühungen waren erfolgreich. Innerhalb weniger Monate wurde aus dem Problemschüler ein motivierter und eifriger Lerner. Mehr noch – die Verwandlung war so drastisch, dass die Eltern eines anderen Schülers an derselben Schule ihren Sohn aufgrund ähnlicher Verhaltensmuster ebenfalls nach Dayton brachten und damit die gleichen positiven Ergebnisse erzielten. Die Begegnung im Flugzeug rief bei mir lebhafte Erinnerungen an die Anfänge von SENG wach – wie es dazu kam, dass dieses Programm an der neuen SOPP der damals noch jungen staatlichen Universität in Dayton untergebracht wurde, und welche Arbeit SENG seitdem geleistet hatte. Die Geschichte begann 1980 mit dem Suizid eines hochbegabten und talentierten 17-Jährigen namens Dallas Egbert. Die Eltern des Jungen wandten sich an Dr. Webb, der damals stellvertretender Dekan der SOPP war, und regten die Entwicklung eines Programms für Familien hochbegabter Kinder an der Wright State University an. Da die Eltern Schwierigkeiten hatten, Hilfe für ihren Sohn zu finden, lagen ihnen vor allem die emotionalen Bedürfnisse hochbegabter Kinder am Herzen. Dr. Webb, der zuvor die Psychologische Abteilung des Children’s Medical Center in Dayton geleitet hatte, erkannte die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung und entwarf innerhalb kurzer Zeit ein Programm, das auch den praktischen Ausbildungsinteressen von Doktoranden an der SOPP gerecht werden sollte. Ich stimmte seinem Vorschlag zu, und wir legten los. Die Gelegenheit, mit einem solch besonderen Pool von Kindern zu arbeiten, deren Bedürfnisse in unserem Schulsystem häufig vernachlässigt werden, stellte für die SOPP eine doppelte Bereicherung dar: eine einzigartige Ergänzung des Angebots für Kinderpsychologen und die Gelegenheit, einen echten sozialen Bedarf zu decken. Das neue SENG-Programm zog schon bald Studierende und Förderer an und bekam viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die finanzielle Unterstützung durch den Dallas-Egbert-Fonds sowie ein örtliches Non-Profit-Unternehmen und weitere, traditionellere Quellen sorgten dafür, dass das SENG rasch zu einem der am besten finanzierten Programme der SOPP wurde. Ein gemeinsamer Auftritt der Egberts und Dr. Webb in der Phil Donahue Show 1981 rief Reaktionen von mehr als 20?000 Zuschauern aus dem ganzen Land hervor. Offensichtlich herrschte ein enormer Bedarf an einem solchen Programm. Das SENG-Programm war zielgerichtet auf diesen Bedarf zugeschnitten. Zunächst nahmen Psychologen der SOPP formale Beurteilungen von Intellekt und Persönlichkeit vor. Dann wurden die hochbegabten Kinder und ihre Familien individuell beraten. Da von überall in den USA Anfragen kamen, wurden als Nächstes Beratungsdienste für Psychologen, Berater, Lehrer und andere Fachkräfte entwickelt, die sowohl einzeln als auch in Workshops angeboten wurden. In einem dritten |19|Schritt wurden angeleitete Diskussionsrunden mit Elterngruppen entwickelt und umgesetzt, in denen wöchentlich zehn Themen zur Sprache kamen, die für Familien mit hochbegabten Kindern von besonderem Interesse waren. Diese Treffen gaben den Eltern Gelegenheit, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Auf diese Weise fiel es ihnen leichter, Probleme zu antizipieren, Lösungen zu finden und Schwierigkeiten von Anfang an zu vermeiden. Sie lernten, dass die Erziehung eines hochbegabten Kindes besondere Fertigkeiten verlangt, auf die nur wenige Eltern vorbereitet sind. Bei sämtlichen Evaluationen, wie sie bei akademischen Programmen an staatlichen Universitäten üblicherweise durchgeführt werden, schnitt SENG erfolgreich ab. Das Programm deckte nicht nur einen echten sozialen Bedarf, sondern führte auch zu neuen Erkenntnissen und zur Entwicklung neuer Interventionsmethoden. Aus seiner Arbeit sind zahlreiche Beiträge zur Fachliteratur hervorgegangen; es hat zu einer besseren Ausbildung von Fachkräften beigetragen, und es hat externe Sponsoren angezogen. Leider haben sich die Unterstützer im Laufe der Zeit anderen Projekten zugewandt. Wie an den meisten modernen Universitäten brachten zahlreiche neue Fachbereiche und Verwaltungstrends auch neue Prioritäten und Gelegenheiten mit sich, die in andere Richtungen wiesen. Das führte dazu, dass man das SENG-Programm an der Wright State University verkümmern und sterben ließ. Glücklicherweise hat sich SENG als unabhängige Non-Profit-Organisation (www.sengifted.org) reformiert und leistet auch weiterhin gute Arbeit durch Konferenzen, die Bereitstellung von Informationen, Kurse zur Gründung von Eltern-Gesprächsgruppen sowie Weiterbildungsprogramme für Psychologen, Berater und andere Fachkräfte. Das größere Problem ist die traurige Tatsache, dass die amerikanische Bildungspolitik den sozialen und emotionalen Bedürfnissen von hochbegabten und talentierten Menschen nie einen hohen Stellenwert eingeräumt hat. Ebenso wenig haben Berater oder Therapeuten je besonderes Augenmerk auf diese Klientel gerichtet. In einer Gesellschaft, in der die Anliegen von Armen, Bedürftigen und langsameren Schülern offenbar Vorrang haben, scheint der Förderung von hochbegabten Kindern und Erwachsenen etwas geradezu Elitäres und Undemokratisches anzuhaften. Viele halten es für unnötig und gleichsam verschwenderisch, Programmen für hochbegabte Kinder finanziell unter die Arme zu greifen, wo doch anderswo so große Not herrscht. Das ist kein neues Phänomen. Im Jahr 1919 unterrichtete die Psychologin Leta Stetter Hollingworth am Lehrerseminar der Columbia University den ersten Kurs auf College-Niveau zum Thema Hochbegabung ...


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