Wendt | Das richtige Leben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 393 Seiten

Wendt Das richtige Leben

E-Book, Deutsch, 393 Seiten

ISBN: 978-3-7584-6482-9
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Hanna misstraut Anne, ihrer Mutter, seit sie weiß, dass Anne in der DDR zu einer Parteiideologin ausgebildet wurde. Ein unangekündigtes Treffen ihrer Mutter mit Bernd, Annes ehemaligen Mentor und heimlichen Geliebten, das Hanna in letzter Sekunde zu verhindern versucht, führt zu einer Eskalation zwischen Mutter und Tochter und begründet eine "Eiszeit" zwischen ihnen. Diese "Eiszeit" wird für Hanna zum Anlass, ihre Beziehung zur Mutter aufzuarbeiten. Mit Unterstützung eines Therapeuten und in vielen Interviews in Annes Umfeld versucht sie mehr zu erfahren über die Studienjahre ihrer Mutter, über die Geschichte von Anne und Bernd. "Das richtige Leben" erzählt die Geschichte einer Aufarbeitung und Annäherung, führt in weiten Teilen zurück in das Leipzig der 1980er Jahre, zu den Geschehnissen rund um die "Kaderschmiede marxistisch-leninistischen Philosophierens" in der ehemaligen DDR, und vermittelt so eine andere, fast intime Perspektive auf die Ereignisse, die als "Wendezeit", als "Friedliche Revolution in Deutschland" bezeichnet, in die Geschichte eingegangen sind.
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„Und was hältst du von Viola?“", fragte Bernd und lächelte selbstgewiss. „Sie ist nett“, sagte ich. „Wie nett? Wie die kleine Schwester von...“ „Natürlich nicht. Einfach nett eben und eine ehrliche Haut, glaube ich.“ „Ja das ist sie. Das ist heutzutage viel wert.“ Ich signalisierte Zustimmung, während ich in meinem Milchkaffee rührte, der noch sehr heiß war. „Deine Verabredung heute Nachmittag steht?“ Bernd war ziemlich neugierig, wie ich fand. „Ich treffe meine Großcousine um 14 Uhr. Aber morgen habe ich noch Zeit. Da könnten wir noch was machen, wenn du Zeit hast..." "Eine Stadtrundfahrt könnten wir machen...“ „Und dann erzählst du mir, warum du 1985 in Köln warst.“ „Ach diese Jugendtouristreise... Das kann ich dir auch jetzt noch erzählen.“ Er sah auf seine Uhr. „Wir haben ja noch Zeit für eine Runde.“   21. Feedback des Therapeuten   Zwei Tage nach dem Berlin-Trip traf ich mich mit meinem Therapeuten. Diesmal war ich sogar richtig aufgeregt vor diesem Termin. Er hatte angekündigt, mir ein erstes Feedback zu geben zu meinen Notizen. Der Therapeut wählte seine Worte mit Bedacht. Er versuchte, positiv, anerkennend, wertschätzend (offensichtlich eines seiner Lieblingsworte) zu wirken. Um dann etwas zu sagen, was mich traf, irritierte und immer noch beschäftigt. Er könne, wie er sagte, vieles nachvollziehen, aber die Essenz der Probleme, die ich mit meiner Mutter habe, nicht so recht erkennen. Wenn meine Entdeckung, was meine Mutter studierte, der Ausgangspunkt gewesen sein soll, warum ich an ihr zu zweifeln begann, dann bliebe für ihn unklar, warum mein Verdikt nicht ebenso Britta traf. Hätte sie doch nichts anderes studiert. Aber auch das Bild, was bisher von Anne vermittelt wird, wäre gänzlich anders, als er es erwartet hätte. Ich hätte am Anfang ein „Riesenfass aufgemacht", aber dann kämen nur Personen zu Wort, die meine Mutter offensichtlich schätzen, sogar bewundern oder lieben, in deren Geschichten sie „über allem schwebt", fast ikonenhaft wirkt. Natürlich widersprach ich ihm. Indem ich ihm zu erklären versuchte, warum Britta ein ganz anderer Mensch ist als meine Mutter. Britta hat ein freundliches Wesen, ist zufrieden mit ihrem Leben und ihrem Beruf. Sie kann auch mal „Fünfe grade sein lassen“ und war niemals eine so strenge Mutter wie meine. Nur dank ihres Naturells waren Anne und sie noch immer befreundet, da bin ich mir sicher. Und ich habe von Britta auch nie dergleichen gehört, was meine Mutter immer wieder sagte: Dass sie eine Philosophin ist und immer sein wird, während bei der Bank zu arbeiten, ein Job sein kann, bei dem man Gefahr laufe, zu „verblöden“. Auch wenn es hart klingen mag. Ich bin mir sicher, dass meiner Mutter im Falle des Falles Prinzipien und Überzeugungen immer wichtiger sein würden als Menschen. Britta nicht. Zudem hätte ich doch nur aufgeschrieben, was ich von meinen Gesprächspartnern erfahren habe, mir zum Teil neu war, verteidigte ich mich weiter. Schließlich hätte er mir die Aufgabe gestellt, mich meiner Mutter anzunähern, zu versuchen, sie anders zu sehen. Aber natürlich würde ich ganz viele andere Geschichten parat haben, die ein ganz anderes Licht auf Anne werfen. Mein Therapeut sagte dazu nur, ich solle auch die alten, bekannten Geschichten niederschreiben. Die wären auch von Bedeutung und es wäre wichtig für mich, sie zu Papier zu bringen.   Nach dem Besuch beim Therapeuten, auf dem Weg zurück überlegte ich, welche Geschichten ich niederschreiben sollte. Mir fielen sofort zwei Geschichten ein, die ich immer wieder gerne erzähle, um zu zeigen, wie schwierig meine Mutter sein konnte: die eine handelte über das Barbie-Verbot meiner Mutter und die andere über unseren heftigen Streit, den wir hatten, weil sie mir nicht erlaubte, zu einer Party zu gehen.   Als ich 5 Jahre alt war, wünschte ich mir nichts sehnlicher als eine Barbiepuppe. Was aber schwierig war angesichts einer Mutter, die mir frühzeitig bedeutete, dass dieser ganze "Barbie-Mist" ihr nicht in unser Haus käme. Außerdem könne man sowieso nicht damit spielen. Was nicht stimmte, das wusste ich besser. Schließlich hatten alle meine Kindergarten-Freundinnen Barbies und meine damalige Lieblingsfreundin sogar ein Barbie-Haus und eine Barbie-Farm. Und wenn ich bei ihr zu Besuch war, machten wir nichts anderes als mit den Barbies zu spielen. Sie hatte auch eine Bade-Barbie, was mich auf eine Idee brachte. Denn gegen eine Bade-Barbie könnte meine Mutter doch nichts haben. Das wäre doch nichts anderes als die Enten und Frösche, die in meinem Badewasser herumschwammen. Also wünschte ich mir zum nächsten Weihnachtsfest eine Bade-Barbie bei meinen Großeltern und als sie nachfragten, sagte ich, dass meine Mutter nichts dagegen haben würde. Umso schlimmer war für meine Großeltern und mich zu erleben, was dann passierte: Kaum hatte ich mein Geschenk vom Weihnachtspapier befreit, hörte ich schon meine Mutter: „Das glaube ich jetzt nicht." Kurz danach sprang sie auf, riss mir das Geschenk aus der Hand und warf es in den Müll. Ich rannte weinend in mein Zimmer, wo ich dann hörte, wie meine Mutter und ihre Eltern sich lautstark stritten. Da war mir klar: Ich würde nicht nur keine Barbie bekommen, ich hatte auch das Weihnachtsfest verdorben.   Die andere Geschichte ereignete sich, als ich 16 war. Wieder einmal würde mir meine Mutter verbieten, zu einer Party zu gehen. Das Mädchen, welches mich und die halbe Klasse eingeladen hatte, war keine Freundin von mir. Eigentlich waren wir Konkurrentinnen, doch gerade deshalb wollte ich mir keine Blöße geben und unbedingt zu dieser Party. Meine Mutter würde dagegen sein. Sie kannte die Eltern dieses Mädchens und mochte sie nicht. Ihre Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit und hatte ihren Ursprung in diversen Begegnungen und Streits auf Elternversammlungen. Und eben diese Eltern waren damals verreist, weshalb meine Mitschülerin "sturmfreie Bude" hatte und eine große Party machen wollte, zu der auch viele kommen würden, die ich nicht kannte. Also fragte ich meine Mutter und fühlte mich gut vorbereitet auf das Gespräch, auf ihre üblichen Verbots- Gründe. Ich würde sie mit ihren „eigenen Waffen schlagen“, sie an ihre Worte erinnern. Wusste ich doch, wie es ihr ergangen war, als sie selbst 16 war- aus ihren eigenen Erzählungen und von meinen Großeltern. Jedenfalls war ich mir sicher, dass was immer sie vorbringen würde, ich die besseren Argumente haben würde, wenn Anne versuchte, ihre Ablehnung zu begründen. Es kam wie erwartet. Ich fragte sie und meine Mutter verbot mir, zu dieser Party zu gehen. Und weil ich nach dem Warum fragte, führte sie genau all die Gründe an, auf die ich vorbereitet war. Da fing ich an zu frohlocken, denn ich war mir sicher, dass ich jedes ihrer „Gründe“ auseinandernehmen könnte, dass meine Mutter am Ende würde kapitulieren müssen. Also widersprach ich ihr, indem ich jedes Mal begann mit: „Aber du hast doch selbst gesagt.... Du sagst mir doch immer... Dir ist doch auch wichtig... Dir ging es doch früher genauso... Erinnere dich doch mal, wie es dir mit 16 ergangen ist...“ Anfänglich hielt sie noch dagegen, doch hatte ich stets ein Aber, weshalb Anne mit der Zeit immer stiller wurde. Schon wähnte ich mich auf der Siegerstraße, bis meine Mutter mich breit anlächelte, was mich irritierte und augenblicklich verstummen ließ. Dann sagte sie: „Das ist also dein Plan, Hanna. Du willst mich austricksen...“ Sie strich mir über die Wange, was ich nicht als liebe Geste wahrnahm und es auch nicht war. „Du weißt auch, wen du vor dir hast?“, fuhr sie fort und ihr Ton wurde strenger. „Deine Mutter, die studiert hat, wie man sich in Streitgesprächen durchsetzt. Tut mir leid. Ich glaube, du bist da an die Falsche geraten.“ Dann stand sie auf und ließ mich einfach sitzen, mit meinem Ärger über sie. Dann sah ich zu ihr hinüber, während sie irgendetwas im Haushalt machte. Ich fand sie nur gruselig.   Aber würden diese Geschichten meinen Therapeuten überzeugen? Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich noch Dutzende solcher Geschichten niederschreiben könnte, und sie würden nicht das sein, was der Therapeut von mir erwartete. Ich brauchte einfach Zeugen, die bestätigten, dass es schwierig war und ist mit meiner Mutter. Und eben nicht Gespräche mit Menschen, die ihr nahe sind, die sie schätzen und lieben. In meiner Not griff ich zum Telefon, um Britta anzurufen. Mir fiel niemand anderes ein, wen ich hätte anrufen können. "Du kannst heute Abend gerne vorbeikommen. Ich habe Zeit und glaube, ich habe da was, was dir helfen wird", lud sie mich ein.   An dem Abend berichtete Britta von ihrer Begegnung mit Rolf. Rolf war seit dem Herbst 1987, seit Beginn des vierten Studienjahres ihr Kommilitone. Nachdem er für einige Jahre sein Studium unterbrechen musste, hatte er sich entschlossen, es zu beenden, was ihm zusammen mit allen anderen auch gelang. Sie war einigermaßen überrascht, als Rolf sie gegen Ende des neunten Semesters ansprach und um ein Gespräch bat. Üblicherweise kam Rolf nur an ihren Tisch, um sich mit Anne auszutauschen. Aber Anne lag mit Grippe im Bett. Zuerst dachte Britta auch, er hätte eine Nachricht für Anne, die sie übermitteln sollte. Aber ein Gespräch? Rolf und Britta hatten eigentlich kaum Kontakt. Fast alles, was sie über ihn wusste, hatte sie von Anne erfahren. Anne kannte sogar Rolfs Frau und Tochter, weil sie ihn wegen eines gemeinsamen Seminarreferats in...


Wendt, Michael
Tiefbauer, Philosoph, Vermögensberater

Tiefbauer, Philosoph, Vermögensberater


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