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E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Whitlock Die Afghanistan Papers

Der Insider-Report über Geheimnisse, Lügen und 20 Jahre Krieg

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-8437-2651-1
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Dieses Buch wird die Erinnerung an den Krieg in Afghanistan für immer verändern.
Die bahnbrechenden Enthüllungen des Washington Post-Reporters und dreimaligen Pulitzer-Preisfinalisten Craig Whitlock zeigen eindrücklich, wie drei aufeinanderfolgende Präsidenten – Bush, Obama, Trump – und ihre militärischen Befehlshaber die weltweite Öffentlichkeit konsequent über Amerikas längsten Kriegseinsatz belogen.
20 Jahre nach 9/11 offenbart sich die zweck- und planlose Mission, deren absehbares Scheitern viel zu lange bewusst verborgen wurde: Die Afghanistan Papers sind ein schockierender Bericht, der auch die Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban vorwegnahm. Whitlock liefert Dokumente und eine längst überfällige Abrechnung über all das, was schiefgelaufen ist.
Wie einst die Pentagon Papers die öffentliche Wahrnehmung des Vietnamkriegs veränderten, enthalten die Afghanistan Papers erschütternde Enthüllungen von mehr als 1.000 Personen, die wussten, dass die US-Regierung die Fakten vor Ort verzerrt darstellte und manchmal sogar erfand – von Führungskräften im Weißen Haus und Pentagon bis hin zu Ortskräften und Soldaten an der Front in Afghanistan. Sie geben offen zu, dass die Strategie der US-Regierung ein Desaster und es ein kolossaler Fehlschlag war, einen afghanischen Staat nach westlichen Standards aufbauen zu wollen. In seinem Nachwort für die deutsche Ausgabe geht Craig Whitlock auch auf die Rolle Deutschlands in diesem Drama ein. Wer dieses Buch gelesen hat, wird die Militärmission in Afghanistan mit anderen Augen sehen. 
'Rasant und lebendig. randvoll mit erzählenden Zitaten.' New York Times
'Beeindruckend dokumentiert. Nach dieser maßgeblichen Darstellung war der Afghanistankrieg ein kolossaler Fehlschlag, der schon vor Jahren hätte beendet werden sollen.' Kirkus-Review
'Rigoros detailliert, ein herzzerreißender Blick darauf, wie Amerikas Führer beschlossen haben, ihre Fehler zu begraben und den Krieg treiben zu lassen.' Publishers Weekly
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Kapitel 1
Eine konfuse Mission
Gegen zehn Uhr morgens setzte die Marine One, der Präsidentenhubschrauber mit dem weißen Dach, sanft auf dem kurz geschnittenen Rasen des Paradeplatzes des Virginia Military Institute auf. Es war der 17. April 2002, ein sonniger, heißer Frühlingsmorgen im Shenandoah Valley. In der Cameron Hall, der Basketballhalle der Militärakademie, warteten rund zweitausend Kadetten auf den Oberkommandierenden und versuchten, in ihren gestärkten grau-weißen Uniformen nicht zu schwitzen. Als Präsident George W. Bush wenige Minuten später auf die Bühne trat, ins Publikum winkte und die Arme mit nach oben gerichtetem Daumen ausstreckte, erhoben sich die Kadetten und überschütteten ihn mit Applaus. Bush hatte Grund zu lächeln und genoss die Aufmerksamkeit sichtlich. Es war sechs Monate her, dass er dem amerikanischen Militär den Befehl gegeben hatte, Afghanistan anzugreifen, um die Terrorangriffe vom 11. September 2001 zu ahnden, denen in New York, im Norden Virginias und in Shanksville, Pennsylvania, 2977 Menschen zum Opfer gefallen waren. Anders als jeder andere Konflikt in der amerikanischen Geschichte hatte dieser Krieg gegen einen weitgehend unbekannten Feind, der sich in einem gebirgigen Land auf der anderen Seite der Erde eingenistet hatte, plötzlich und unerwartet begonnen. Aber der anfängliche Erfolg des Feldzugs hatte sogar die zuversichtlichsten Feldkommandeure überrascht. Der Sieg schien sicher. Gestützt auf eine unangefochtene Lufthoheit, von der CIA unterstützte lokale Machthaber und Kommandoeinheiten am Boden hatten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in weniger als sechs Wochen die Taliban-Regierung aus Kabul vertrieben und Hunderte al-Qaida-Kämpfer getötet oder gefangen genommen. Die überlebenden Anführer des Terrornetzes, darunter Osama bin Laden, hatten sich versteckt oder waren in andere Länder geflohen. Die amerikanischen Verluste waren glücklicherweise gering. Bis Mitte April waren in Afghanistan 20 Soldaten gefallen – einer mehr als während der viertägigen Invasion der Karibikinsel Grenada im Jahr 1983. Zusammenstöße mit feindlichen Kräften wurden so selten, dass sich manche Soldaten über Langeweile beklagten. Viele Einheiten waren bereits heimgekehrt. Etwa noch 7000 US-Soldaten waren noch dort stationiert. Der Krieg stärkte Bush. In der umkämpften Präsidentenwahl von 2000 hatte er sich nur mit einem hauchdünnen Vorsprung durchgesetzt, aber die Umfragen zeigten, dass mittlerweile 75 Prozent der Amerikaner seiner Amtsführung zustimmten. In seiner Rede an der Militärakademie in Virginia blickte Bush zuversichtlich in die Zukunft. Da die Taliban entmachtet und al-Qaida auf der Flucht sei, gehe der Krieg nun in eine zweite Phase über, erklärte der Präsident. Die Vereinigten Staaten würden sich jetzt der Aufgabe zuwenden, Terrorzellen in anderen Ländern zu zerschlagen. Er warnte davor, dass die Gewalt in Afghanistan erneut aufflammen könne, versicherte seinem Publikum jedoch, dass die Lage unter Kontrolle sei. Mit Blick auf die katastrophalen militärischen Fehlschläge, die Großbritannien und die Sowjetunion in den vergangenen beiden Jahrzehnten in Afghanistan erlitten hatten, versprach Bush, die Vereinigten Staaten würden nicht dasselbe Schicksal erleiden wie andere Großmächte, die sich in Afghanistan militärisch engagiert hatten. »Auf anfängliche Erfolge folgten lange Jahre des ziellosen Taumelns und schließlich das Scheitern«, sagte er. »Wir werden diesen Fehler nicht wiederholen.« Doch während Bush Zuversicht verbreitete, waren führende Regierungsmitglieder besorgt. Zur selben Zeit, als der Präsident auf dem Weg nach Virginia war, dachte sein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Pentagon laut nach. Rumsfeld, der an diesem Morgen in seinem Büro im dritten Stock des äußeren Rings des Gebäudes arbeitete, war beunruhigt. Entgegen den optimistischen Botschaften, die er und der Präsident seit Monaten an die Öffentlichkeit sandten, befürchtete der Verteidigungsminister, dass das amerikanische Militär in Afghanistan in eine Sackgasse geraten würde und dass es an einer klaren Ausstiegsstrategie mangelte. Um Viertel nach neun fasste er seine Überlegungen in einer kurzen Mitteilung zusammen. Das war eine alte Gewohnheit von ihm. Er diktierte derart viele Memos, dass seine Mitarbeiter nur von »Schneeflocken« sprachen – Notizen des Chefs, die auf weißen Blättern auf ihre Schreibtische rieselten. Diese Mitteilung war als vertraulich gekennzeichnet und an vier hochrangige Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums gerichtet, darunter an den Vorsitzenden des Joint Chiefs of Staff und an seinen Stellvertreter. »Vielleicht mangelt es mir an Geduld. Tatsächlich weiß ich, dass ich ein wenig ungeduldig bin«, erklärte Rumsfeld in der Mitteilung, die nur eine Seite umfasste.8 »Wir werden die amerikanischen Truppen nie aus Afghanistan herausbekommen, wenn wir nicht für die Stabilität sorgen, die nötig ist, damit wir uns wieder zurückziehen können.« Und er fügte hinzu: »Hilfe!« Rumsfeld achtete darauf, seine Zweifel und Bedenken für sich zu behalten, so wie er es einige Wochen früher in einem langen Interview mit dem Sender MSNBC getan hatte. In der am 28. März ausgestrahlten Sendung hatte er sich damit gebrüstet, dass der Feind überrannt worden sei, und erklärt, es habe keinen Sinn, mit den Überbleibseln der Taliban, geschweige denn mit al-Qaida zu verhandeln. »Man kann sie nur bombardieren und versuchen, sie zu töten. Genau das haben wir getan, und es hat funktioniert. Sie sind weg. Und dem afghanischen Volk geht es jetzt sehr viel besser.«9 Wie Bush bemühte sich auch Rumsfeld, das Image einer mutigen und entschlossenen Führungspersönlichkeit aufrechtzuerhalten. Der MSNBC-Moderator Brian Williams verstärkte Rumsfelds Selbstdarstellung, indem er den Minister umschmeichelte, seinen »forschen Charakter« pries und ihn als den »selbstsichersten Mann« in Amerika bezeichnete.10 »Er lenkt den Krieg wie kein anderer, und er ist vermutlich mehr als jeder andere das öffentliche Gesicht und die Stimme dieses Kriegs«, erklärte Williams den Zuschauern. Williams stellte dem Verteidigungsminister nur eine einzige unerbittliche Frage: Er wollte wissen, ob Rumsfeld in seinen häufigen Pressekonferenzen im Pentagon schon einmal versucht gewesen war, die Unwahrheit zu sagen. »Wie oft waren Sie in diesem Pressesaal gezwungen, die Wahrheit zurechtzubiegen, weil das Leben von Amerikanern auf dem Spiel stand?« »Nie«, antwortete Rumsfeld. »Meines Erachtens ist Glaubwürdigkeit viel wichtiger als der Wunsch, die Dinge in einem vorteilhaften Licht darzustellen.« Und er fügte hinzu. »Wir werden genau das tun, was nötig ist, um das Leben der Männer und Frauen in Uniform zu schützen und den Erfolg unseres Landes zu sichern. Lügen gehören nicht zu dem, was nötig ist.« Gemessen an den Maßstäben Washingtons log Rumsfeld tatsächlich nicht – aber er war auch nicht aufrichtig. Stunden vor der Aufnahme des MSNBC-Interviews hatte der Verteidigungsminister eine »Schneeflocke« an zwei Mitarbeiter diktiert, in der er die Entwicklung in Afghanistan vollkommen anders einschätzte. »Ich bin besorgt, dass uns die Sache entgleitet«, schrieb er in der vertraulichen Mitteilung.11 Zu Beginn des Kriegs hatte es den Anschein gehabt, als würde der Einsatz in Afghanistan eine einfache und begrenzte Mission werden: Man wollte al-Qaida zerschlagen und eine Wiederholung der Angriffe vom 11. September unmöglich machen. Am 14. September 2001 hatte der Kongress, ohne zu zögern und beinahe einstimmig, die Anwendung militärischer Gewalt gegen al-Qaida und deren Anhänger bewilligt.12 Als am 7. Oktober die Luftangriffe auf Ziele in Afghanistan begannen, ahnte niemand, dass die Kämpfe zwanzig Jahre lang andauern würden. In einer Fernsehansprache an jenem Tag erklärte Bush, der Krieg diene zwei begrenzten Zielen: Man wolle verhindern, dass al-Qaida Afghanistan als Operationsbasis nutze, und man werde die militärische Schlagkraft der Taliban angreifen. Der Oberkommandierende versprach den Streitkräften auch ein klares Ziel: »Allen Männern und Frauen in unseren Streitkräften sage ich Folgendes: Eure Mission ist definiert. Die Ziele sind klar.« Den Militärstrategen wird beigebracht, nie einen Krieg zu beginnen, ohne einen Plan dafür zu haben, wie er beendet werden kann. Aber weder Bush noch irgendein anderes Mitglied seiner Regierung äußerten sich öffentlich dazu, wie, wann oder unter welchen Bedingungen der Militäreinsatz in Afghanistan beendet werden sollte. In den ersten Kriegstagen und bis zum Ende seiner Präsidentschaft wich Bush Fragen dazu aus, wie lange die amerikanischen Truppen in Afghanistan würden kämpfen müssen. Er wollte keine zu hohen Erwartungen wecken und die Optionen seiner Generäle nicht einschränken, indem er sich auf einen Zeitplan festlegte. Aber es war ihm bewusst, dass sich das Land schmerzhaft an das letzte Mal erinnerte, als es einen nicht enden wollenden Landkrieg in Asien geführt hatte, und er versuchte, die Sorge zu zerstreuen, die Geschichte könnte sich wiederholen. In einer Pressekonferenz, die am 11. Oktober 2001 zur besten Sendezeit im East Room des Weißen Hauses stattfand, fragte ein Journalist den Präsidenten geradeheraus: »Können Sie es vermeiden, in Afghanistan in einen Schlamassel wie seinerzeit in Vietnam hineingezogen zu werden?« Bush hatte eine Antwort parat: »In Vietnam haben wir einige wertvolle Lektionen gelernt. Die vielleicht wichtigste Lehre, die ich aus diesem Krieg gezogen habe, ist die, dass man mit konventionellen Truppen keinen Guerillakrieg führen kann. Deshalb habe ich dem...


Gebauer, Stephan
Stephan Gebauer, geboren 1968, lebt in Berlin und Madrid. Zu den von ihm übersetzten Autoren zählen Carl Bernstein, Bill Clinton, Hillary Clinton, Billy Crystal, Angus Deaton, Frank Dikötter, Niall Ferguson, Garry Kasparow, Ian Morris, Barack Obama, Robert Shiller und Joseph Stiglitz.

Whitlock, Craig
Craig Whitlock, geboren 1968,schreibt als investigativer Journalist für die Washington Post. Seit 2001 berichtet er als Auslandskorrespondent, Pentagon-Reporter und Spezialist für nationale Sicherheit über den globalen Krieg gegen den Terrorismus. 2019 erhielt er für seine Berichterstattung über den Krieg in Afghanistan den George Polk Award for Military Reporting, den Scripps Howard Award for Investigative Reporting, den Investigative Reporters and Editors Freedom of Information Award sowie den Robert F. Kennedy Journalism Award für internationale Berichterstattung. Whitlock hat aus mehr als 60 Ländern – darunter Deutschland – berichtet und war dreimaliger Finalist für den Pulitzer-Preis. Er lebt in Silver Spring, Maryland.

Frohmann, Christiane
Christiane Frohmann ist eine deutsche Schriftstellerin, Verlegerin, Publizistin und Übersetzerin. Sie betreibt den Frohmann Verlag.

Craig Whitlock, geboren 1968, schreibt als investigativer Journalist für die Washington Post. Seit 2001 berichtet er als Auslandskorrespondent, Pentagon-Reporter und Spezialist für nationale Sicherheit über den globalen Krieg gegen den Terrorismus. 2019 erhielt er für seine Berichterstattung über den Krieg in Afghanistan den George Polk Award for Military Reporting, den Scripps Howard Award for Investigative Reporting, den Investigative Reporters and Editors Freedom of Information Award sowie den Robert F. Kennedy Journalism Award für internationale Berichterstattung. Whitlock hat aus mehr als 60 Ländern – darunter Deutschland – berichtet und war dreimaliger Finalist für den Pulitzer-Preis. Er lebt in Silver Spring, Maryland.


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