Witt-Loers | Kindertrauergruppen leiten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 212 Seiten

Witt-Loers Kindertrauergruppen leiten

Ein Handbuch zu Grundlagen und Praxis

E-Book, Deutsch, 212 Seiten

ISBN: 978-3-647-99839-8
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Auch Kinder erleben den Tod eines nahestehenden Menschen als tiefen Einschnitt und geraten in eine psychische Krise. Ihr Trauerweg und -ausdruck unterscheidet sich jedoch von denen der Erwachsenen. Oftmals stellen sie sogar ihre eigene Trauer zurück, um ihre ebenfalls betroffenen Bezugspersonen zu schonen. Sie brauchen deshalb die Wahrnehmung, Zuwendung und auch Informationen durch andere. Hier bieten Kindertrauergruppen neue Perspektiven, um Kindern in Krisen nach Tod und Verlust angemessen zu begegnen. Welche Grundsätze bei dieser Arbeit beachtet werden sollten, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, wenn die Arbeit gelingen soll, und wie eine Stunde in der Kindertrauergruppe gestaltet werden kann, erklärt dieses Handbuch umfassend und mit einem konsequenten Blick auf die Praxis. Es richtet sich primär an qualifizierte Trauerbegleiter/-innen. Eine umfangreiche Materialsammlung steht zum Download zur Verfügung.
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KAPITEL 1 KINDER UND TRAUER 1 Grundsätzliches zur Trauerarbeit mit Kindern und ihren Familien Aufhebung Sein Unglück ausatmen können tief ausatmen so daß man wieder einatmen kann Und vielleicht auch sein Unglück sagen können in Worten in wirkliche Worten die zusammenhängen und Sinn haben und die man selbst noch verstehen kann und die vielleicht sogar irgendwer sonst versteht oder verstehen könnte Und weinen können Das wäre schon fast wieder Glück Erich Fried aus: Beunruhigungen. © Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1984 Bevor ich auf grundlegende Aspekte der Kindertrauerarbeit eingehe, möchte ich kurz die Bedeutung des Wortes Dellanima erläutern und erklären, warum das Institut für Trauerbegleitung, Fortbildungen und Vorträge, an dem ich nach den im Folgenden vorgestellten Grundsätzen und Konzepten arbeite, diesen Namen trägt. Schon seit langen Zeiten und fast in allen bekannten Kulturen benennen Menschen etwas, was über den Tod hinausgeht. Viele Menschen glauben, dass ein Teil von uns weiterlebt, entweder körperlos oder in einem anderen Körper. Oft bezeichnen wir das als unsere Seele. Das deutsche Wort Seele ist nach einer ethymologischen Hypothese von »See« abgeleitet. Seen galten bei den Germanen als Orte, an denen sich die Seelen der Menschen vor der Geburt oder nach dem Tod aufhielten. Dell’anima kommt aus dem Italienischen und bedeutet: von der Seele, aus der Seele. Die Vorstellung, dass von einem verstorbenen Menschen etwas bleibt, die Seele, die vielleicht bei Gott, in einem anderen Körper oder woanders weiterlebt, ist eine tröstliche Vorstellung, die offen ist für viele Glaubensauffassungen und Kulturen. Tröstend ist auch, dass die Erinnerung an einen Menschen in unserer Seele für immer einen Platz finden kann. Deshalb heißt das Institut für Trauerbegleitung, Fortbildungen und Vorträge: Dellanima. 1.1 Verlust und Trauer Trauerprozesse werden ausgelöst durch einen Verlust. Kinder erleben in vielen Bereichen ihres Lebens Verluste. Das kann neben dem Tod der Verlust von Lebensraum, geistigen oder körperlichen Fähigkeiten, einem Haustier oder Spielzeug auch der Verlust von Lebenskonzepten (z. B. durch die Trennung der Eltern) sein. Trauer ist notwendig, um mit dem erlittenen Verlust leben und diesen in das neue Lebensgefüge integrieren zu können. Trauer ist ein Prozess, der länger dauert und sich vielfältiger ausdrückt, als bisher angenommen wurde. Die früher herrschende Auffassung in der Trauerforschung, dass Trauer bei allen Menschen gleich verlaufe, hat sich durch die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Faktoren, die Trauerprozesse beeinflussen und somit individuell prägen, verändert (vgl. Witt-Loers, Trauernde begleiten, S. 16–20). 1.2 Kinder trauern anders Kinder trauern wie Erwachsene so schwer, so lange und doch nicht gleich. Weil sich ihre Trauer anders ausdrückt, wird sie oft als solche nicht erkannt, gewürdigt und begleitet. Kinder besitzen noch nicht die gleichen Voraussetzungen, sich mit Trauer auseinanderzusetzen, wie Erwachsene. Zu diesen Voraussetzungen gehören die Fähigkeit zu abstraktem Denken, das Gefühl für Zeit und deren Ablauf und die Möglichkeit, sich sprachlich komplex auszudrücken. Der Tod eines nahestehenden Menschen ist für jedes Kind – auch für sehr kleine – ein nicht nur emotional folgenschweres Ereignis. Durch den Verlust werden Kinder mit neuen Lebenssituationen konfrontiert, mit denen sie zurechtkommen müssen. Sie werden gezwungen, sich einen neuen Stand in ihrer Lebenswelt zu suchen und neue Rollen einzunehmen. In der Kindheit erfahrene Verluste und deren Bewältigung haben Einfluss auf die weitere Entwicklung des Kindes. Betrauert ein Kind den erlittenen Verlust nicht angemessen, so treten nach J. W. Worden (amerikanischer Arzt und Trauerforscher, *1932) später häufig Depressionserscheinungen auf oder der erwachsene Mensch zeigt eine Unfähigkeit, engere Bindungen zu entwickeln (vgl. Worden, Beratung und Therapie in Trauerfällen, 2010, S. 220). Haben Kinder nicht die Möglichkeit, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, und versuchen sie, ihre Bezugspersonen durch das Verdrängen der eigenen Trauer zu schützen, oder nehmen sie verdrängendes Trauerverhalten von Bezugspersonen zum Vorbild, besteht das Risiko einer Entwicklungsstörung oder dauerhaften psychischen Erkrankung. Daher ist es so wichtig, Kinder mit dem Erlebten nicht allein zu lassen. Trauerprozesse müssen durchlebt werden, sind aber für Menschen, Erwachsene wie Kinder, enorm anstrengend und teilweise sehr beängstigend, da sich Trauer in körperlichen und psychischen Reaktionen ebenso wie in verändertem und ungewöhnlichem Verhalten zeigen kann. Hinterbliebene, auch Kinder, sind vielen unterschiedlichen, sehr intensiven und oft widersprüchlichen Gefühlen wie Schmerz, Verzweiflung, Liebe, Wut, Angst, Trauer oder Dankbarkeit ausgesetzt. Vielfach spielt die Auseinandersetzung mit Gedanken, schuldig zu sein, eine belastende Rolle. Die Gefühle in der Trauer bei Kindern sind oft sprunghaft, schwankend und können plötzlich wechseln. Sie reichen von Heiterkeit, manchmal auch Albernheit, bis hin zu Wut, Aggression und tiefer Traurigkeit (vgl. Witt-Loers, Trauernde begleiten, 2010, S. 43–53, S. 21). 1.3 Trauerfreie Räume Kinder gehen mit ihrer Trauer anders um als Erwachsene. Sie brauchen für sich Pausen, in denen sie Kraft für den Trauerprozess sammeln können. Trauerfreie Räume und Zeiten, in denen das Trauern in den Hintergrund tritt, ermöglichen ein normales alltägliches Erleben, erleichtern das Aushalten der schweren, belastenden Gefühle der Trauer und erfüllen eine gesundheitserhaltende Funktion. Zugleich erhalten diese Phasen den Kontakt zum sozialen Umfeld und helfen bei der Anpassung an eine Welt ohne den Verstorbenen. In trauerfreien Zeiten erfahren Kinder, dass trotz des Verlusts noch stabile, zuverlässige Beziehungen und Sicherheiten existieren, dass es Strukturen im Alltag gibt, die erhalten geblieben sind. In meiner Arbeit mit trauernden Kindern und Jugendlichen erlebe ich, dass es gerade diese »trauerfreien Bereiche« sind, in denen die Trauernden ihre Kompetenzen und Ressourcen wahrnehmen und sich stabilisieren können. Das soziale Umfeld deutet das Verhalten von Kindern in der trauerfreien Zeit jedoch vielfach irrtümlich als ein »Nicht-Trauern« oder Verdrängen. 1.4 Trauer im System Familie Die größte Zahl der Todesfälle ereignet sich im familiären Kontext. Dann ist nicht nur eine einzelne Person, sondern das gesamte Familiensystem von den Auswirkungen des Todes betroffen. Das Kindertrauerzentrum Thalita und das Institut Dellanima begreifen ihre Arbeit auf der Grundlage systemorientierter theoretischer Modelle, die genau dieses, d. h. die gesamte Familie, berücksichtigen. Oft bricht vor oder nach dem Tod eines nahestehenden Menschen das ganze Familiengefüge zusammen. Zusätzlich können finanzielle Probleme oder Schwierigkeiten bei der täglichen Versorgung von Kindern die ohnehin schwer zu ertragende Situation belasten. Mit den Anforderungen des Alltags zurechtzukommen bedeutet häufig eine Überforderung für die Familienmitglieder. Kindertrauergruppen wirken meist entlastend auf die gesamte trauernde Familie oder die Bezugspersonen des trauernden Kindes. Sie können das gegenseitige Verständnis und die Kommunikation innerhalb des Systems fördern sowie das »System Familie« dabei unterstützen, gemeinsame Rituale sowie eine individuelle Trauerkultur zu finden. Bewusst informieren Thalita und Dellanima Bezugspersonen der Kinder über die Arbeit in der Kindertrauergruppe, ohne dabei den geschützten Raum der Kinder zu verletzen. Zunehmend begleite ich bei Dellanima Kinder getrennt lebender Eltern. Hier sollten zusätzliche Aspekte in der Begleitung, auf die ich später noch einmal eingehen möchte, beachtet werden, denn Vorverluste spielen häufig eine erschwerende Rolle im Trauerprozess (vgl. Witt-Loers, Zum Tod eines Kindes, in: Kowalski, 2011, Er wischt die Tränen ab von jedem Gesicht, S. 132–133; Witt-Loers, Trauernde Jugendliche in der Familie, 2014, S. 65 ff.). 1.5 Familientrauerbegleitung Die Begleitung trauernder Kinder bedeutet für mich, eine systemische Perspektive einzunehmen, d. h. die Familie als Ganze in ihrer Situation zu sehen und mit den engen Bezugspersonen des Kindes in Kontakt zu sein. Aus diesem Grund werden neben den Kindertrauergruppen bei Dellanima auch Familienbegleitungen, Einzelbegleitungen und für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Beratung für Kinder, Jugendliche, Frauen, Männer, Bezugspersonen und Suizidgruppen sowie Gruppen für Kinder, Jugendliche, Frauen, Männer, Bezugspersonen und Suizidgruppen angeboten. Diese Angebote sind bedürfnisorientiert ausgerichtet und miteinander kombinierbar. Kindertrauerbegleiter sollten, da sie immer mit den Bezugspersonen oder dem System Familie in engen Kontakt kommen, deshalb immer auch im Bereich...


Witt-Loers, Stephanie
Stephanie Witt-Loers ist Trauerbegleiterin, Kinder- und Familientrauerbegleiterin, Dozentin, Buchautorin, Leiterin von Kindertrauergruppen sowie Trauerbegleiterin auch im Auftrag verschiedener Jugendämter und Kinderheime. Sie leitet das Institut Dellanima in Bergisch Gladbach, ist Initiatorin und Leiterin des Projekts „Leben mit dem Tod“, bietet Fortbildungen an, hält Vorträge, berät und begleitet Schulen und Kitas in akuten Krisenfällen oder präventiv. In ihrer Praxis bietet sie Einzel- und Gruppentrauerbegleitung für Menschen jeden Alters an.

Stephanie Witt-Loers ist Trauerbegleiterin, Kinder- und Familientrauerbegleiterin, Heilpraktikerin Psychotherapie, Dozentin, Buchautorin, Leiterin von Kindertrauergruppen sowie Trauerbegleiterin auch im Auftrag verschiedener Jugendämter und Kinderheime. Sie leitet das Institut Dellanima in Bergisch Gladbach, ist Initiatorin und Leiterin des Projekts "Leben mit dem Tod", bietet Fortbildungen an, hält Vorträge, berät und begleitet Schulen und Kitas in akuten Krisenfällen oder präventiv. In ihrer Praxis bietet sie Einzel- und Gruppentrauerbegleitung für Menschen jeden Alters an.


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