E-Book, Deutsch, 192 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
ISBN: 978-3-451-80155-6
Verlag: Kreuz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Autoren/Hrsg.
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Einführung: Schluss mit dem Scharlatan-Syndrom
Kürzlich war ich als Referentin zu einer Tagung in Wien eingeladen. Es ging um das Thema »Glück«. Vor meinem Vortrag stand die Lesung einer bekannten Autorin, die ein Buch über Lebensfreude geschrieben hatte, auf dem Programm. Zufällig saßen wir nebeneinander. Bevor es losging, erzählte sie mir mit ungewöhnlicher Offenheit, dass sie sich im Rampenlicht furchtbar unsicher fühlte. In der Nacht vorher habe sie kaum geschlafen, sie bereue schon, sich überhaupt darauf eingelassen zu haben. Bestimmt würde sie grandios scheitern. Dann kam ihr Auftritt. Auf der Bühne sah man eine selbstsichere Frau, die locker aus ihrem Buch las und das Publikum mit Humor und Lebensklugheit begeisterte. Sie bekam langen Applaus. Während ich mitklatschte, hatte ich noch ihre zaghaften Worte im Ohr und dachte: »Willkommen im Club!« Offenbar gehörte auch sie zu dem heimlichen Netzwerk von Frauen, die sich ihrer Großartigkeit nicht bewusst sind. Tatsächlich gilt für die meisten von uns: Wir unterschätzen uns. Mit festem Blick auf unsere Lücken, Mängel und Schwächen – die wir natürlich sehr genau kennen –, fühlen wir uns gegenüber unserer Umwelt manchmal wie Betrügerinnen. Die anderen halten uns zwar für kompetent, selbstsicher, souverän und durchsetzungsfähig, aber denen spielen wir doch nur etwas vor. Würden sie erfahren, wie wenig wir in Wirklichkeit wissen oder können, wie ängstlich und unsicher wir im Grunde sind, dann würden sie uns ablehnen oder gar verachten. Die Autorin auf der Tagung in Wien war wahrhaftig nicht die Erste, bei der ich dieses Phänomen beobachten konnte. Im Laufe vieler Jahre als Coach durfte ich hinter die Kulissen von Frauen schauen, die jeder Außenstehende als erfolgreich und selbstsicher bezeichnet hätte. In meinen Seminaren zum Thema Persönlichkeit und Ausstrahlung hörte ich von Teilnehmerinnen immer wieder den gleichen Kommentar: »Am Anfang habe ich spontan gedacht: Was wollen denn diese tollen Frauen hier?« Die Richterin, die mit ihrer klaren Art beeindruckt. Die Kosmetikerin, die in ihrem Studio ständig ausgebucht ist. Die PR-Lady, deren originelle Ideen die Events der Konkurrenz fade wirken lassen. Die Managerin, die innerhalb kürzester Zeit für ihre Firma internationale Standorte eingerichtet hat. Die Keramikerin, die schon in Museen ausgestellt hat. Die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Alle diese Frauen sahen die Ergebnisse ihrer Arbeit durchaus positiv, aber das reichte nicht aus, um von sich selbst überzeugt zu sein. Manche »Clubmitglieder« führen ihren Erfolg nur zu einem kleinen Teil auf eigene Anstrengungen zurück. Ihre Erklärungen für ihre Verdienste klingen dann so: »Da habe ich Glück gehabt!«, »Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort«, »Mein Chef mochte mich und hat mich großzügig gefördert«, »Das lag mir halt.« Andere sind der Ansicht, dass sie ihre Umgebung mit Qualitäten täuschen, die sie in Wahrheit nicht in ausreichendem Maße besitzen. Wie es eine Immobilienmaklerin ausdrückte: »Ich spiele die selbstsichere Wohnungsvermittlerin und die Kunden nehmen mir das ab.« Eine Informatikerin formulierte kurz und knapp: »Ich fake.« Wohlgemerkt handelt es sich dabei immer um seriöse und engagierte Frauen, die beruflich niemals falsche Angaben machen würden. Ihr vermeintlicher Betrug bezieht sich nur auf sie selbst. Diese bei Frauen weitverbreitete Einstellung hat einen Namen: das Scharlatan-Syndrom. Per Definition ist ein Scharlatan jemand, der vorgibt, ein bestimmtes Wissen oder bestimmte Fähigkeiten zu besitzen, und damit andere täuscht. In diesem Fall allerdings glauben die Betroffenen, dass sie ihrer Umgebung etwas vormachen, ohne dass es tatsächlich der Fall ist. Frauen, die unter dem Scharlatan-Syndrom leiden, verhalten sich nach der Devise: »Ich bin nicht gut genug, und das darf niemand wissen.« Das zeigt sich dann in individuellen Facetten, etwa diesen: Sie geben die Power-Frau, die alles hinkriegt und der nichts zu viel ist. Sie zeigen keine Schwäche. Lächeln, auch wenn die Ablehnung oder Entwertung wehtut. Heulen kann man zu Hause. Sie sind Perfektionistinnen. Selbst unbedeutende E-Mails werden formuliert, als ob man den Pulitzerpreis damit gewinnen müsste. Sie bereiten sich akribisch vor und kontrollieren mehrfach. Sie geben sich unnahbar, damit niemand sie kränken kann. Gerne Small Talk, aber bitte keine persönlichen Gespräche. Sie erscheinen optisch immer tadellos, von der Maniküre bis zum Designerkostüm. Das Gefühl, trotz aller Erfolge nicht gut genug zu sein, lässt sich nicht immer geschickt kaschieren. Oft führt es zu Verhaltensweisen, mit denen sich selbst tüchtige und begabte Frauen sabotieren: Sie bleiben lieber in der zweiten Reihe und vermeiden Situationen, in denen sie im Mittelpunkt stehen. Chancen schlagen sie aus, weil sie sich dafür noch nicht reif oder ausgebildet genug fühlen. Obwohl sie viel leisten, fordern sie kein entsprechendes Gehalt oder Honorar, weil sie meinen, sie müssten ihren Wert erst beweisen. Sie passen sich zu sehr an, um akzeptiert zu werden, und lassen sich von Kritik völlig verunsichern. Bei manchen Frauen zeigt sich die innere Unsicherheit nicht durchgängig. Normalerweise fühlen sie sich durchaus als Herrin der Lage und agieren selbstsicher. Erst bei ungewohnten Herausforderungen oder wenn ein wunder Punkt berührt wird, kommt das mangelnde Selbstvertrauen zum Vorschein. So ging es einer Kollegin von mir, einer erfahrenen Verhaltenstherapeutin mit eigener Praxis. Sie war auf einem Psychotherapie-Kongress zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, vermutlich im Zuge der Frauenquote. Die übrigen Gäste waren ein Professor, der jahrelange Forschung vorweisen konnte, ein Autor, der ein 400-seitiges Fachbuch verfasst hatte, und ein bekannter Psychoanalytiker. Die Herren überboten sich mit theoretischen Erörterungen und Verweisen auf spezielle amerikanische Studien. Anstatt sich nun souverän zu sagen: »Diese verkopfte Gruppe braucht unbedingt meine praktische Sichtweise als Gegengewicht«, kam meine Kollegin sich immer ungenügender vor. Sie fühlte sich dem intellektuellen Gremium nicht gewachsen und machte kaum noch den Mund auf. Da halfen keine jahrelange Ausbildung und kein beruflicher Erfolg. Sie war heilfroh, als die Veranstaltung vorbei war. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Scharlatan-Syndroms haben den gleichen Hintergrund: Wir erkennen unsere eigene Größe nicht. Wir ignorieren unsere Einzigartigkeit und Schönheit. Ich behaupte, dass das für die meisten von uns gilt. Jeweils zu Beginn meines Vortrags »Mich übersieht keiner mehr. Größere Ausstrahlung gewinnen« mache ich die Stichprobe. Ich bitte darum, dass diejenigen aufstehen, die sich für großartig und einmalig halten. Egal, um welche Stadt es sich handelt, im Saal sind es immer nur wenige Frauen, die sich hinstellen. Außerdem ist ihren Gesichtern anzusehen, dass sie sich dabei nicht besonders wohlfühlen, manche schauen trotzig oder verlegen. Ich finde dieses magere Ergebnis unglaublich schade. Mein großer Wunsch ist es, dass sich eines Tages bei meiner Aufforderung das gesamte weibliche Publikum erhebt. Aber ich weiß wohl, wie schwer es fällt, sich die eigene Großartigkeit einzugestehen, geschweige denn, sie auch noch öffentlich zu vertreten. Dabei hat es nichts mit Größenwahn zu tun, sich einzigartig zu finden. Es bedeutet keineswegs, dass wir fehlerfrei sind, hochbegabt, mit besonderen Talenten gesegnet oder perfekt ausgebildet sind. Es bedeutet einfach, endlich die Wahrheit anzuerkennen: Niemand auf der Welt ist so wie wir. Grund genug, stolz auf uns zu sein, anstatt wie das Kaninchen vor der Schlange nur auf das zu schauen, was wir nicht bieten können. Auf einer Postkarte las ich den humorvollen Spruch »Kopf hoch, Prinzessin, sonst rutscht die Krone«. Das passt. Wir müssen endlich unseren Wert erkennen und den Kopf entsprechend hoch tragen. Horchen Sie in sich hinein. Glauben Sie im Grunde Ihres Herzens, dass Sie fähig, begabt und kompetent sind, obwohl Sie längst nicht alles wissen und können? Dass Sie liebenswert sind, auch ohne dass Sie sich dafür anstrengen müssen? Dass Sie ein wertvoller Mensch sind? Dass Sie Respekt verdienen, und zwar von jedem? Dass Sie schön sind, genau so, wie Sie aussehen? Wenn Sie nicht jede dieser Fragen freudig bejahen, dann gibt es Nachholbedarf in puncto Selbstvertrauen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, das Bewusstsein für Ihre Großartigkeit zu wecken. Das geht nicht per Knopfdruck, sondern ist ein Prozess. Er verlangt, dass Sie bereit sind, Ihr Denken zu verändern und alte Muster innen und außen loszulassen. Das wird sich auf Ihr Verhalten, Ihr Handeln, Ihr Sprechen, ja sogar auf Ihr Äußeres auswirken. Was Sie von dem ganzen Aufwand haben? Das Gefühl für Ihre Größe trägt Sie bei Herausforderungen, denn Sie wissen: Selbst wenn ich scheitere oder Fehler mache, bin ich immer noch ein wunderbarer Mensch. Dadurch eröffnen sich Ihnen Chancen, weil der Sinn für die eigene Bedeutung Sie mutig macht, Unbekanntes auszuprobieren. Das Bewusstsein Ihrer Großartigkeit wird Ihnen das tägliche Leben erleichtern, denn Sie wissen, was Sie wollen, und treten souverän auf. Sie sind gegen Anfeindungen gewappnet, weil Sie niemandem erlauben, Sie kleinzumachen. Kurz, Sie spüren eine nie gekannte Freiheit und Gelassenheit. Aber das ist noch nicht alles – und jetzt wird es spirituell. Erst im Status der Großartigkeit können Sie die Mission vollständig erfüllen, für die Sie auf dieser Erde sind. Mit Ihrer individuellen Mischung von genetischer Anlage und erworbenen...