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E-Book, Deutsch, 567 Seiten, eBook

Wright Sohn dieses Landes

E-Book, Deutsch, 567 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-0369-9407-9
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Bigger Thomas, ein junger Schwarzer, fühlt sich gefangen in einem Leben in Armut und Perspektivlosigkeit. Sein einziges Ventil ist Gewalt. Er war bereits in der Besserungsanstalt, ein weiteres Vergehen würde für ihn Gefängnis bedeuten. Doch dann gibt der wohlhabende Mr Dalton dem jungen Mann eine Chance und stellt ihn als Chauffeur an. Als Bigger die Tochter des Hauses spätnachts und betrunken auf ihr Zimmer bringt und ihre blinde Mutter, von dem Lärm geweckt, den Raum betritt, versucht Bigger aus Angst vor falschen Verdächtigungen, das Mädchen mit einem Kissen zum Schweigen zu bringen, und erstickt sie dabei. Davon überzeugt, dass man ihm Absicht unterstellen wird, verstrickt er sich in Lügen und weitere Gewalt, bis er schließlich gefasst und des Mordes und der Vergewaltigung angeklagt wird. Das ganze Land stellt sich gegen ihn, nur der Anwalt Max kämpft um Verständnis für Biggers Taten. Der literarische Durchbruch von Richard Wright war gleichzeitig der erste Bestseller eines afroamerikanischen Autors und liegt nun zum ersten Mal in vollständiger deutscher Übersetzung vor.

Richard Wright wurde 1908 auf einer Plantage bei Natchez, Mississippi, geboren. Mit neunzehn Jahren verließ er den Süden und ging nach Chicago, wo er sich seinen Lebensunterhalt als Straßenfeger, Tellerwäscher und Postangestellter verdiente. Er schrieb zunächst vor allem Essays, Kurzgeschichten und Gedichte, bekannt wurde er mit seinem Roman Native Son, der mehrfach verfilmt und 1941 als Bühnenversion am Broadway unter der Regie von Orson Welles aufgeführt wurde. Bis heute gilt Richard Wright als einer der bedeutendsten afro-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er starb 1960 in Paris.
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Brrrrrrrr! In dem stillen, dunklen Zimmer klingelte der Wecker. Ein Bett knarrte. Eine Frauenstimme rief ungeduldig: »Bigger, stell das Ding ab!« Durch das blecherne Rasseln drang mürrisches Grunzen. Nackte Füße schlurften über die Dielen, und das Rasseln brach ab. »Mach mal Licht, Bigger.« Ein verschlafenes Murmeln antwortete. Im Zimmer wurde es hell. In einem schmalen Gang zwischen zwei Eisenbetten stand ein schwarzer Junge und rieb sich mit den Handrücken die Augen. Aus dem Bett rechts neben ihm erklang wieder die Stimme der Frau: »Buddy, steh auf! Ich hab heut große Wäsche. Da kann ich euch hier nicht brauchen.« Ein zweiter schwarzer Junge schälte sich aus den Decken. Auch die Frau erhob sich und stand im Nachthemd da. »Dreht euch um, damit ich mich anziehen kann.« Die beiden Jungen gehorchten und starrten in eine Ecke. Die Frau zog das Nachthemd aus und schlüpfte in ihre Pantoffeln. Sie blickte zu dem Bett, in dem sie geschlafen hatte, und rief : »Vera! Steh auf!« »Wie spät ist es denn, Mam?«, drang gedämpft eine Mädchenstimme unter der Decke hervor. »Steh auf, sage ich!« »Jaja, Mam.« Ein braunhäutiges Mädchen in einem baumwollenen Nachthemd stieg aus dem Bett, reckte sich und gähnte. Verschlafen setzte sie sich auf einen Stuhl und streifte sich die Strümpfe über. Die beiden Jungen hielten das Gesicht abgewandt, bis sich Mutter und Schwester etwas übergezogen hatten. Auch die Frauen drehten sich um, als die Jungen sich anzogen. Ganz plötzlich standen alle wie erstarrt da, die Kleider in den Händen, denn ein leises Scharren in der dünnen Wand hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Sie vergaßen ihre Scham voreinander und ließen die Augen ängstlich über den Fußboden wandern. »Da ist sie wieder, Bigger!«, schrie die Frau, und in der kleinen Einzimmerwohnung brach ein wilder Tumult los. Ein Stuhl fiel um, als die halb angekleidete Frau atemlos auf das Bett kletterte. Ihre beiden barfüßigen Söhne standen reglos da und suchten mit den Augen unter Bett und Stühlen. Das Mädchen rannte in eine Ecke, bückte sich, griff nach dem Saum ihres Unterrockes und raffte ihn fest um ihre Knie. »Oh! Oh!«, heulte sie. »Da ist sie!« Die Frau streckte zitternd den Finger aus. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Wo?« »Ich seh sie nicht!« »Da, Bigger. Hinter der Truhe!«, wimmerte das Mädchen. »Vera!«, schrie die Frau. »Komm aufs Bett! Lass dich von dem Biest nicht beißen!« Außer sich vor Angst, kletterte Vera auf das Bett, und die Frau riss sie an sich. Die schwarze Mutter und die braune Tochter umschlangen einander und starrten mit offenem Mund auf die Truhe in der Ecke. Bigger blickte sich wild im Zimmer um, schoss dann auf einen Vorhang zu, zerrte ihn zur Seite und riss zwei schwere eiserne Bratpfannen von der Wand. Er fuhr herum und rief leise zu seinem Bruder hinüber, die Augen auf die Truhe geheftet: »Buddy!« »Was?« »Hier, nimm die Pfanne.« »Ja.« »Jetzt geh rüber zur Tür!« Buddy schlich sich zur Tür und hielt die eiserne Pfanne schlagbereit. Es war still im Zimmer, nur das erregte Keuchen der vier Menschen war zu hören. Den Griff der Bratpfanne fest umklammernd, näherte Bigger sich auf Zehenspitzen der Truhe; seine Augen suchten jeden Zentimeter des Fußbodens ab. Er blieb stehen. Ohne einen Muskel zu bewegen, rief er: »Buddy!« »Hä?« »Stell die Kiste vor das Loch, damit sie nicht abhauen kann!« Buddy lief zu einer Holzkiste und schob sie rasch vor ein Loch in der Scheuerleiste, ging dann rückwärts wieder zur Tür, die Bratpfanne noch immer schlagbereit. Bigger schlich sich zur Truhe und spähte vorsichtig dahinter. Er sah nichts. Behutsam streckte er seinen nackten Fuß aus und schob die Truhe ein paar Zentimeter zur Seite. »Da ist sie!«, schrie die Mutter wieder. Eine große schwarze Ratte sprang quietschend an Biggers Hosenbein hoch und biss sich dort fest. »Verdammt!«, zischte Bigger und stieß mit ganzer Kraft sein Bein nach vorn. Durch diesen Stoß schüttelte er die Ratte ab; sie flog durch die Luft und prallte gegen die Wand. Sofort rollte sie sich herum und sprang wieder auf Bigger zu. Bigger wich aus, und die Ratte landete an einem Tischbein. Mit zusammengebissenen Zähnen hielt Bigger die Bratpfanne in der Hand; er wollte sie nicht werfen, aus Angst, er könnte sein Ziel verfehlen. Die Ratte quietschte, machte kehrt und rannte auf der Suche nach einem Versteck im Kreis herum, sie eilte auf kratzenden Füßen erst zur einen Seite der Kiste, dann zur anderen und suchte nach dem Loch. Plötzlich drehte sie sich um und stellte sich auf die Hinterbeine. »Drauf, Bigger!«, rief Buddy. »Erschlag sie!«, schrie die Frau. Der Bauch der Ratte bebte vor Angst. Bigger trat einen Schritt vor, und die Ratte ließ ein dünnes, herausforderndes Pfeifen hören. Ihre schwarzen Perlenaugen glitzerten, und ihre kleinen Vorderbeine peitschten die Luft. Bigger schleuderte die Pfanne; sie schlitterte über den Boden, verfehlte die Ratte und schlug gegen die Wand. »Verdammt!« Die Ratte sprang. Bigger schnellte zur Seite. Die Ratte kam unter einem Stuhl zum Stehen und stieß einen wütenden Schrei aus. Bigger schob sich langsam rückwärts zur Tür. »Gib mir deine Pfanne, Buddy«, sagte er leise, ohne den Blick von der Ratte zu wenden. Buddy streckte die Hand aus. Bigger ergriff die Pfanne und hob sie über den Kopf. Die Ratte huschte über den Fußboden, blieb erneut bei der Kiste stehen und suchte nach dem Loch; dann stellte sie sich wieder auf die Hinterbeine, fletschte ihre langen gelben Zähne, pfiff schrill, und ihr Bauch bebte. Bigger zielte und ließ knurrend die Pfanne niedersausen. Die Holzkiste splitterte. Die Frau schrie auf und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Bigger schlich sich auf Zehenspitzen vor. »Ich hab sie«, murmelte er, entblößte die zusammengebissenen Zähne und lächelte. »Weiß Gott, ich habe sie!« Er stieß die zersplitterte Kiste zur Seite. Da lag platt gedrückt die schwarze Ratte, die langen gelben Vorderzähne waren deutlich zu sehen. Bigger nahm einen Schuh und schlug damit auf den Kopf des Tieres ein, zermalmte ihn und fluchte lautstark: »Du Mistvieh!« Die Frau auf dem Bett sank auf die Knie, vergrub das Gesicht in den Decken und schluchzte: »Herr, mein Gott, sei uns gnädig …« »Ach, Mama, wein doch nicht«, wimmerte Vera und beugte sich zu ihr nieder. »Sie ist ja nun tot.« Die beiden Brüder blickten ehrfürchtig auf die Ratte hinab. »Mann, ist das ein Biest!« »So ein Vieh kann einem glatt die Kehle durchbeißen.« »Die ist ja über einen Fuß lang.« »Wie können die bloß so groß werden?« »Die fressen Abfälle und alles Mögliche.« »Schau mal, Bigger, dein Hosenbein ist ganz zerrissen.« »Ja, die hatte’s auf mich abgesehen.« »Bigger, bitte bring sie raus«, bat Vera. »Ach, stell dich nicht so an«, sagte Buddy. Die Frau auf dem Bett schluchzte noch immer. Bigger nahm ein Stück Zeitung, hob behutsam die Ratte am Schwanz an und hielt sie in Armeslänge von sich. »Bigger, bring sie raus«, bat Vera nochmals. Bigger lachte und näherte sich mit der Ratte dem Bett. Er ließ sie wie ein Pendel hin- und herschwingen und weidete sich an der Angst der Schwester. »Bigger!« Vera schnappte nach Luft, kreischte auf, und plötzlich schwankte sie und schloss die Augen. Sie fiel der Länge nach über ihre Mutter und plumpste vom Bett. »Bigger, um Himmels willen!«, schluchzte die Mutter. Sie stand auf und beugte sich über Vera. »Lass das sein! Bring die Ratte raus!« Er legte die Ratte hin und begann, sich anzuziehen. »Bigger, hilf mir mal, Vera aufs Bett zu heben«, sagte die Mutter. Er hielt mit dem Ankleiden inne und fuhr herum. »Was ist denn los?«, fragte er scheinheilig. »Tu, was ich dir gesagt habe, verstanden?« Er ging zum Bett und half der Mutter. Vera hatte die Augen geschlossen. Bigger wandte sich ab und zog sich fertig an. Er wickelte die Ratte in eine Zeitung, ging zur Tür hinaus, stieg die Treppe hinab und warf das Tier draußen auf der Gasse in einen Abfalleimer. Als er ins Zimmer zurückkam, stand die Mutter noch immer über Vera gebeugt da; sie legte ihr gerade ein nasses Handtuch auf den Kopf. Dann richtete sie sich auf und sah ihn an. Ihre Augen und Wangen waren nass von Tränen, die Lippen hatte sie zornig zusammengepresst. »Junge, manchmal frage ich mich, weshalb du dich so aufführen musst.« »Was habe ich denn nun wieder gemacht?«, gab er kampfeslustig zurück. »Manchmal benimmst du dich wie der größte Dummkopf, den ich kenne.« »Wovon redest du eigentlich?« »Du hast deiner Schwester mit der Ratte einen solchen Schreck eingejagt, dass sie ohnmächtig geworden ist. Hast du denn gar keinen Verstand?« »Ich kann doch nicht wissen, dass sie so zimperlich ist.« »Buddy!«, rief die Mutter. »Ja, Mam.« »Leg eine Zeitung über den Fleck.« »Ja, Mam.« Buddy nahm eine Zeitung und breitete sie über den Blutfleck am Fußboden, wo die Ratte getroffen worden war. Bigger ging zum Fenster und blickte zerstreut auf die Straße. Die Mutter starrte seinen Rücken an. »Bigger, manchmal frage ich mich, weshalb ich dich geboren...


Wright, Richard
Richard Wright wurde 1908 auf einer Plantage bei Natchez, Mississippi, geboren. Mit neunzehn Jahren verließ er den Süden und ging nach Chicago, wo er sich seinen Lebensunterhalt als Straßenfeger, Tellerwäscher und Postangestellter verdiente. Er schrieb zunächst vor allem Essays, Kurzgeschichten und Gedichte, bekannt wurde er mit seinem Roman Native Son, der mehrfach verfilmt und 1941 als Bühnenversion am Broadway unter der Regie von Orson Welles aufgeführt wurde. Bis heute gilt Richard Wright als einer der bedeutendsten afro-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er starb 1960 in Paris.

Lambrecht, Klaus
KLAUS LAMBRECHT hat neben Richard Wright auch John Steinbeck übersetzt.

Richard Wright wurde 1908 auf einer Plantage bei Natchez, Mississippi, geboren. Mit neunzehn Jahren verließ er den Süden und ging nach Chicago, wo er sich seinen Lebensunterhalt als Straßenfeger, Tellerwäscher und Postangestellter verdiente. Er schrieb zunächst vor allem Essays, Kurzgeschichten und Gedichte, bekannt wurde er mit seinem Roman
Native Son
, der mehrfach verfilmt und 1941 als Bühnenversion am Broadway unter der Regie von Orson Welles aufgeführt wurde. Bis heute gilt Richard Wright als einer der bedeutendsten afro-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er starb 1960 in Paris.
KLAUS LAMBRECHT hat neben Richard Wright auch John Steinbeck übersetzt.


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