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E-Book, Deutsch, 230 Seiten

Zegelin 'Festgenagelt sein'

Der Prozess des Bettlägerigwerdens

E-Book, Deutsch, 230 Seiten

ISBN: 978-3-456-95260-4
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Bettlägerigkeit ist ein häufiger Umstand in Pflegezusammenhängen. Umso erstaunlicher ist es, dass über Bettlägerigkeit kaum etwas bekannt ist: Welche Ursachen gibt es, sind verschiedene Ausprägungen unterscheidbar, wie gehen Betroffene damit um? Ja, selbst der Begriff 'Bettlägerigkeit' ist unklar - sind auch die Menschen als bettlägerig zu bezeichnen, die kurzfristig und mit Hilfe aufstehen können? Diese Forschungsarbeit gibt Antworten auf diese Fragen. In einer breiten Literaturrecherche wird deutlich, dass bisher vor allem die pathophysiologischen Auswirkungen von 'Bettruhe', einem befristeten Zustand des Liegens, gut untersucht sind. In der vorliegenden Studie wurden 32 liegende Menschen zur Entwicklung ihrer Bettlägerigkeit befragt, die Ergebnisse wurden im Forschungsstil der 'Grounded Theory' aufbereitet. Dabei zeigte sich, dass eine Verkettung unglücklicher Umstände schließlich das Dauerliegen herbeiführt. Bettlägerigwerden ist ein Prozess, in dessen Verlauf vor allem das Phänomen der Ortsfixierung in den Vordergrund tritt. Zahlreiche Faktoren, die zum Dauerliegen führen, können beeinflusst werden. Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich viele Hinweise entnehmen, um eine unerwünschte Bettlägerigkeit zu vermeiden. 'Bettlägerigkeit ist keine medizinische Zwangsläufigkeit. Sie hängt weder mit dem Alter eines Menschen zusammen noch mit der Schwere der Krankheit, an der jemand leidet. Stattdessen ist sie meist eine Verkettung unglücklicher Umstände, die man sehr häufig vermeiden könnte.' DER SPIEGEL 52/2004 'Wer immer noch glaubt, dass die Pflegeforschung nichts für die Praxis bringt, der sollte dieses Buch unbedingt kaufen.' Prof. Dr. Ruth Schröck Frau Zegelin gelingt mit der sorgfältigen, anregenden Präsentation ihrer Untersuchung ein kleines Kunststück; sie steckt den Leser mit ihrer eigenen Neugier an und bietet der Pflegewissenschaft und der praktischen Pflege zahlreiche Aspekte und Anregungen, eigene Erfahrungen zu reflektieren, um neue Sichtweisen und Möglichkeiten für die eigene Arbeit zu entwickeln. Sabine Kalkhoff in Pflege & Gesellschaft
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Zielgruppe


Pflegepraktiker, Pflegewissenschaftler


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Inhalt;6
2;Geleitwort/Vorwort;14
3;Zusammenfassung;18
4;Einleitung;20
5;1. Der Erkenntnisstand zur Bettlägerigkeit;22
5.1;1.1 Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit;22
5.2;1.2 Vorkommen von Bettlägerigkeit;23
5.3;1.3 Einstellung zur Bettlägerigkeit und anthropologische Grundlagen;25
5.4;1.4 Definitionen in Pflegeliteratur und Lexika;27
5.5;1.5 Pathophysiologische Auswirkungen von Bettlägerigkeit/Bettruhe;30
5.6;1.6 Nomenklaturen, Konzepte und Theorien;42
5.7;1.7 Das Bett als besonderer Ort;47
5.8;1.8 Verordnetes Liegen – ein Erbe aus dem 19. Jahrhundert;50
5.9;1.9 Fazit der Literaturanalyse;53
5.10;1.10 Vorsensibilisierung durch die Befragung Pflegender;54
6;2. Methodologie;60
6.1;2.1 Problemstellung;60
6.2;2.2 Forschungsziel und Fragestellungen;60
6.3;2.3 Der qualitative Untersuchungsansatz;61
6.4;2.4 Grounded Theory;63
6.5;2.5 Sample und Samplingstrategien;67
6.6;2.6 Datenbestand;74
6.7;2.7 Datenanalyse;79
6.8;2.8 Gütekriterien;84
6.9;2.9 Ethische Erwägungen;86
7;3. Ergebnisse I: Personen und Geschichten;90
7.1;3.1 Herr Kampmann;90
7.2;3.2 Frau Schulz;92
7.3;3.3 Frau Merz;94
7.4;3.4 Frau Schmidt;97
7.5;3.5 Frau Winter;99
7.6;3.6 Frau Meier;101
7.7;3.7 Frau West;105
8;4. Ergebnisse II: Das Phasenmodell mit beeinflussenden Faktoren;108
8.1;4.1 Der erste Faktor: Individualität;109
8.2;4.2 Der zweite Faktor: Liegepathologie und kognitive Einbußen;111
8.3;4.3 Der dritte Faktor: Krankheitsausprägung und Komplikationen;112
8.4;4.4 Der vierte Faktor: Weltsicht und Bewältigung;112
8.5;4.5 Der fünfte Faktor: Die Pflegenden – Einstellung, Wissen, Möglichkeiten;114
8.6;4.6 Die erste Phase: Instabilität;115
8.7;4.7 Die zweite Phase: Ereignis;116
8.8;4.8 Die dritte Phase: Immobilität im Raum;120
8.9;4.9 Die vierte Phase: Ortsfixierung;129
8.10;4.10 Die fünfte Phase: Bettlägerigkeit;141
9;5. Integration der Ergebnisse zur Kernkategorie;148
9.1;5.1 Instabilität;149
9.2;5.2 Ereignis und Unterordnung;150
9.3;5.3 Schicksalhafter Verlauf durch Einflussfaktoren;152
9.4;5.4 Immobilität im Raum durch fehlende Mobilisierungshilfen;153
9.5;5.5 Mangelnde Aktivierung trotz aktivierender Pflege;155
9.6;5.6 Abnehmender Bewegungsradius;157
9.7;5.7 Zentrale Kategorie: allmähliche Ortsfixierung;158
10;6. Diskussion und Erkenntnisgewinn;160
10.1;6.1 Theoretische Relevanz des Phasenmodells;160
10.2;6.2 Das Konzept «Bettlägerigkeit»;165
10.3;6.3 Praktische Relevanz der Untersuchung;170
10.4;6.4 Erkenntnisgewinn;181
11;7. Methodische und inhaltliche Reflexion;182
11.1;7.1 Glaubwürdigkeit der Ergebnisse;182
11.2;7.2 Grenzen der Studie;184
11.3;7.3 Vorschläge für weitere Forschungen;184
12;8. Schlussbemerkungen;188
13;9. Ergebnisse aus Praxis-Projekten;190
13.1;9.1 Bestätigung früherer Ergebnisse;190
13.2;9.2 Orientierung der Praxisprojekte;191
13.3;9.3 Ablauf der Praxisprojekte I;192
13.4;9.4 Ergebnisse aus den Praxisprojekten;193
13.5;9.5 Ablauf der Praxisprojekte II;205
13.6;9.6 Schlussgedanken;211
13.7;9.7 Anhang – Beispiel einer Fallanalyse – Frau Bayer;213
14;Nachwort zur 2. Auflage;220
15;Verzeichnisse;222


Einleitung

In dieser Untersuchung geht es um die Erkundung von Ursachen und Formen von Bettlägerigkeit. Bettlägerigkeit ist eines der wichtigsten und geläufigsten Phänomene in der Pflege, zugleich aber auch ein Begriff aus unserer Alltagssprache. Fast jeder Mensch kann sich unter Bettlägerigkeit etwas vorstellen; dieser Zustand ist bekannt aus der Erfahrung, aus dem eigenen Umfeld, aus Film und Fernsehen oder aus der Literatur.

Und doch gibt es kaum systematisches Wissen über Bettlägerigkeit, insbesondere die Gründe, warum und wann Menschen schließlich bettlägerig werden, sind unbekannt. Eine medizinische Diagnosestellung erklärt nicht, warum im Krankheitsfortschritt der eine Mensch bettlägerig wird und der andere nicht. Verlaufsformen, «Karrieren» des Bettlägerigwerdens mit Weichenstellungen und Schlüsselmomenten sind bisher nicht beschrieben. Untersuchungen aus medizinischer Sicht erklären wohl die Pathophysiologie des Liegens, über psychische und soziale Auswirkungen und Bewältigungsformen für Betroffene und Angehörige finden sich jedoch keine Studien.

Unklar ist auch, was Bettlägerigkeit eigentlich ausmacht. Wird unter Bettlägerigkeit striktes Liegen verstanden, oder fallen unter diese Bezeichnung auch Menschen, die mit Hilfe ganz kurze Zeit «aufstehen» können? Würden sich Menschen selbst auch als bettlägerig bezeichnen, wenn sie nicht im Bett, sondern in einem anderen Möbel den Tag liegend verbringen müssen? Sind im Rollstuhl sitzende Menschen, unfähig zu jeder Bewegung, im Grunde auch bettlägerig?

Diese Untersuchung dient also der Beschreibung eines alltäglichen Gegenstands, wobei auch auf sonst wenig Beachtetes aufmerksam gemacht werden wird und «Selbstverständlichkeiten» in Frage gestellt werden. Eine Selbstverständlichkeit ist etwa die Einleitung des Sterbens mit einer mehr oder weniger langen Phase des im Bett Liegens. In früheren Zeiten haben sich Menschen auf das «Altenlager» begeben, sie haben kaum gegessen, und irgendwann endete ihr Rückzug mit dem Tod:

[...] sich nach einem langen und arbeitsreichen Leben einfach ins Bett gelegt und aufgehört zu sprechen, aufgehört, auf das was gesprochen wurde zu reagieren. (Thorsson, 2000, S. 194) In der heutigen Zeit scheint es diese Form des Rückzugs nicht mehr zu geben, Bettlägerigkeit und mehr noch ihre Folgen werden zu medizinischen und pflegerischen Problemen. Bettlägerigkeit hat beträchtliche Auswirkungen auf die Lebensgestaltung der Betroffenen. In der Regel wird ihre Autonomie stark eingeschränkt, und sie werden oft weitgehend abhängig von helfenden Personen. Im medizinisch-pflegerischen Umfeld wird der Begriff Bettlägerigkeit oft benutzt, doch, wie es scheint, in einer recht diffusen Art.

Die vorgestellten Unklarheiten lassen sich zusammenfassen in der Frage: «Was ist Bettlägerigkeit?» Diese Frage leitet die anschließende Literaturanalyse, der eine Spezifizierung der Forschungsfrage folgt.

1. Der Erkenntnisstand zur Bettlägerigkeit

In diesem Kapitel soll der bisherige Kenntnisstand zum Thema Bettlägerigkeit referiert werden. Den Hauptteil nimmt eine umfassende Vorstellung der relevanten Literatur ein, am Ende des Kapitels werden Ergebnisse einer Befragung Pflegender zu ihrem Verständnis von Bettlägerigkeit dargestellt.

Die Darstellung der bereits bekannten und publizierten Aspekte zum Thema Bettlägerigkeit zeigt, dass der Zugang weit über eine klassische Literaturrecherche hinausgehen muss. Bettlägerigkeit im hier verstandenen Sinn, nämlich als «differenziert verursachter Daseinszustand», findet sich nicht als Stichwort oder Kategorie in der Literatur. Neben der eigentlichen Datenbanksuche werden deshalb auch andere Recherchefelder wie vorhandene Nomenklaturen im Pflegebereich, Texte über Liegemöbel oder Aussagen über Liegen als «historische» Behandlungsform eröffnet.

1.1 Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit

Bettlägerigkeit scheint eng mit Pflegebedürftigkeit verbunden. Ein bettlägeriger Mensch ist unfähig, einen normalen Tagesablauf verglichen mit dem «beweglicher» Menschen zu gestalten, er setzt sich vielen Gefahren aus und ist hilfebedürftig bei zahlreichen Aktivitäten, z. B. bei der Nahrungsaufnahme, Kommunikation, Körperpflege und Ausscheidung.

Über Pflegebedürftigkeit liegen seit Einführung der Pflegeversicherung einige Aussagen und Zahlen vor. Aus pflegewissenschaftlicher/pflegepraktischer Sicht fehlt es allerdings bis heute an einer fundierten und akzeptierten Beschreibung von Pflegebedürftigkeit; damit verbunden fehlen Aussagen zur Theorie und Praxis von Bettlägerigkeit. So wird in § 14 Sozialgesetzbuch (SGB) XI als pflegebedürftig definiert, wer wegen einer Krankheit und/oder einer Behinderung bei der Ernährung, der Mobilität, der Körperpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung auf Dauer – voraussichtlich für mindestens 6 Monate – in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf. Entsprechend der Art, der Häufigkeit und dem Umfang des Hilfebedarfs werden die Pflegebedürftigen einer von drei Pflegestufen zugeordnet, maßgeblich dabei sind vorgegebene Zeitwerte. Es handelt sich hierbei um einen sehr eingeschränkten Begriff von Pflegebedürftigkeit.

In den Begutachtungsrichtlinien des MDS2 wird im Kapitel «Hilfebedarf und Aktivierende Pflege» die vollständige Immobilität mit Bettlägerigkeit gleichgesetzt:…


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