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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6435, 368 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Zoske Flamme sein!

Hans Scholl und die Weiße Rose

E-Book, Deutsch, Band 6435, 368 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-76803-3
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ohne Hans Scholl hätte es die Weiße Rose nicht gegeben. Aber wie kam der 23-Jährige dazu, sein Leben im Kampf gegen Hitler zu riskieren? Robert Zoske zeichnet auf der Grundlage von bisher unbekannten Dokumenten ein neues, faszinierendes Bild des jungen Widerstandskämpfers.

Das Buch beschreibt einen bisher wenig bekannten Hans Scholl, den der Heroismus der Hitlerjugend ebenso anzog wie die Dichtung Stefan Georges und eine naturmystische Frömmigkeit, der Gedichte und Erzählungen schrieb, dessen Freiheitsdrang aber seine größte Leidenschaft war. 'Es lebe die Freiheit', waren seine letzten Worte. Das fesselnd geschriebene Buch lässt dieses Vermächtnis eindrucksvoll lebendig werden.
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PROLOG Es lebe die Freiheit!
Am Montag, den 22. Februar 1943, eröffnete der Präsident des Volksgerichtshofs Roland Freisler um 10 Uhr im Münchner Justizpalast die Hauptverhandlung gegen «Hans Fritz Scholl, […] Sophia Magdalena Scholl, [… und] Christoph Hermann Probst».[3] Die Anklageschrift beschuldigte sie des Hochverrats, der Feindbegünstigung und der Wehrkraftzersetzung: Der Angeklagte Hans Scholl hat im Sommer 1942 und im Januar und Februar 1943 Flugblätter, die die Aufforderung zur Abrechnung mit dem Nationalsozialismus, zur Trennung von dem nationalsozialistischen «Untermenschentum», zum passiven Widerstand und zur Sabotage enthalten, hergestellt und verbreitet. Außerdem hat er in München Schmierparolen: «Nieder mit Hitler» und mit durchgestrichenen Hakenkreuzen angebracht. Die Angeklagte Sophie Scholl hat bei der Verfassung, Herstellung und Verbreitung der Hetzschriften mitgewirkt. Der Angeklagte Probst hat den Entwurf für ein Flugblatt verfasst. Während Freisler «tobend, schreiend, bis zum Stimmüberschlag brüllend, immer wieder explosiv aufspringend» die Verhandlung führte, blieben die Angeklagten «von ihren Idealen erfüllt […] ruhig, gefasst, klar und tapfer».[4] Unbeeindruckt verhöhnte Hans Scholl die Gerichtsinszenierung als bizarre Farce – Kriminalsekretär Ludwig Schmauß notierte: «Meldung. Hans Scholl bezeichnete die heutige Verhandlung als ‹ein Affentheater›.»[5] Um 12.45 Uhr fällte das oberste deutsche Gericht «Im Namen des Deutschen Volkes» die Todesurteile: Die Angeklagten haben im Kriege in Flugblättern zur Sabotage der Rüstung und zum Sturz der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes aufgerufen, defätistische Gedanken propagiert und den Führer aufs gemeinste beschimpft und dadurch den Feind des Reiches begünstigt und unsere Wehrkraft zersetzt. Sie werden deshalb mit dem Tode bestraft. Ihre Bürgerehre haben sie für immer verwirkt. Die Verurteilten wurden sofort ins Gefängnis München-Stadelheim überstellt. Die Aufnahmekartei hält die Einlieferung von Hans Scholl – «Beruf: Cand. Medizin/Bekenntnis: ev» – für den 22. Februar 1943 um 13.45 Uhr fest. Um 16.02 Uhr teilte man ihm unter Anwesenheit des Gefängnisvorstands, des Gefängnisarztes und des evangelischen Gefängnisgeistlichen Pfarrer Alt mit, dass das Gnadengesuch seines Vaters abgelehnt worden war und das Urteil um 17.00 Uhr im Gefängnis München-Stadelheim vollstreckt werden sollte. «Der Verurteilte gab keine Erklärung ab», heißt es dazu im Protokoll. Auch die Hinrichtung wurde mit bürokratischer Akribie dokumentiert: Neben dem Leiter der Vollstreckung, Reichsanwalt Albert Weyersberg, und einem Justizangestellten waren der Leiter der Strafanstalt, der Gefängnisarzt, der Scharfrichter mit einem Gehilfen «sowie das zur geordneten Durchführung der Hinrichtung unbedingt erforderliche Gefängnispersonal» anwesend. Der «Hinrichtungsraum war […] gesichert. Die Fallschwertmaschine war, durch einen schwarzen Vorhang verdeckt, verwendungsfähig aufgestellt.» Um 17.02 Uhr wurde der Verurteilte durch zwei Gefängnisbeamte vorgeführt. Der Leiter der Vollstreckung stellt die Personengleichheit des Vorgeführten mit dem Verurteilten fest. Sodann wurde der Verurteilte dem Scharfrichter übergeben. Die Gehilfen des Scharfrichters führten ihn an die Fallschwertmaschine, auf welcher er unter das Fallbeil geschoben wurde. Scharfrichter Reichhart löste sodann das Fallbeil aus, welches das Haupt des Verurteilten sofort vom Rumpfe trennte. Der Gefängnisarzt überzeugte sich vom Eintritt des Todes. Der Verurteilte war ruhig und gefasst. Der letzte Satz war eine Standardformulierung auf dem Formblatt für das Hinrichtungsprotokoll; sie steht genau so auf der Niederschrift von Sophie Scholls Exekution, die zwei Minuten früher, um 17.00 Uhr, stattfand, und auf der von Christoph Probst, die drei Minuten später, um 17.05 Uhr, vollzogen wurde. Nachdem die zweite Seite des Protokolls von Hans Scholls Enthauptung bereits aus der Schreibmaschine genommen worden war, wurde sie zur Korrektur erneut eingespannt. Unmittelbar hinter dem Punkt nach «gefasst» setzte der Protokollant ein Komma ein und ergänzte: «seine letzten Worte waren es lebe die Freiheit.» Staatsanwalt Albert Weyersberg korrigierte später handschriftlich das kleingeschriebene «es» in ein großes «Es» und setzte zu Beginn und Ende des Satzes «Es lebe die Freiheit.» Anführungszeichen. Das Protokoll fährt präzise fort, indem die Sekunden im Formblatt ergänzt wurden: Von der Übergabe an den Scharfrichter bis zum Fall des Beiles vergingen 07 Sekunden. Der ganze Hinrichtungsvorgang, der sich ohne Zwischenfall vollzog, dauerte vom Verlassen der Zelle an gerechnet Minute 52 Sekunden. Weyersberg nahm hier einen weiteren Eingriff in die Formblattformulierung vor, indem er zwischen «sich» und «ohne» ein «sonst» einfügte: «Der ganze Hinrichtungsvorgang, der sich sonst ohne Zwischenfall vollzog». Der Jurist hielt Scholls Freiheitsruf für so bemerkenswert, dass er ihn als «Zwischenfall» aktenkundig machte. Für einen Augenblick hatte die Freiheit den Lauf der Tötungsmaschinerie unterbrochen. Routinemäßig endet die Niederschrift des Justizmordes mit den Worten: Nach der Abnahme der Fallschwertmaschine wurden der Körper und das Haupt des Verurteilten in einen bereitstehenden Sarg gelegt und dem Polizeipräsidium München zur Verbringung in den Perlacher Friedhof übergeben. Unterzeichnet wurde das Protokoll vom Justizangestellten Max Huber und von Staatsanwalt Albert Weyersberg. Der meldete noch am selben Abend Oberreichsanwalt Ernst Lautz den Vollzug der Todesurteile an Sophie Scholl, Hans Scholl und Christoph Probst per Telegramm: «Heute ohne Zwischenfall verlaufen». So endete der kurze Lebensweg Hans Scholls. Warum kämpfte er für die Freiheit? Warum wollte er das Staatsoberhaupt beseitigen, dem zahllose Gemeinden die Ehrenbürgerschaft verliehen, dessen Namen unzählige Straßen und Plätze führten, dem seit Jahren scharenweise Paten- und Schirmherrschaften angetragen wurden? Warum setzte er sein Leben ein, forderte in Flugblättern den Sturz des nationalsozialistischen Regimes, malte auf Wände «Freiheit», «Nieder mit Hitler!» und «Massenmörder Hitler!»? Warum widerstand Hans Scholl «allen Gewalten zum Trutz»?[6] Um zu erklären, warum Hans Scholl in den Widerstand gegangen ist, soll hier sein kurzer Lebensweg erzählt werden. Das kann nach der Entdeckung seiner ausdrucksstarken religiösen Gedichte und mit Blick auf die Dokumente des Verfahrens von 1937/38 gegen ihn wegen Homosexualität (§ 175) und Missbrauchs Abhängiger (§ 174) – darunter unpublizierte Briefe Hans Scholls – auf ganz neuer Grundlage geschehen. Lange wurden Hans Scholls homo- oder bisexuelle Neigungen verschwiegen, weil Homosexualität nicht nur im Nationalsozialismus, sondern auch noch Jahrzehnte später in Deutschland gesellschaftlich geächtet und juristisch verfolgt wurde. Marginalisiert wird heute oft seine tiefe christliche Frömmigkeit, weil sie vielen fremd ist. Die primäre Grundlage der vorliegenden Biografie sind Briefe, Tagebucheinträge, Gedichte und andere Schriften von Hans Scholl. Spätere Erinnerungen von Anderen werden nur ausnahmsweise und mit kritischer Distanz hinzugezogen. Als sich Sophie Scholl darauf vorbereitete, zum Studium nach München zu ihrem Bruder aufzubrechen, charakterisierte sie ihn so: Ich bin mir sicher bewußt, in welche Welt ich durch Hans eintrete. […] Denn Hans ist ein Chamäleon, u. es ist schwer (aber bei seiner Art notwendig), seinen Stimmungen zu folgen, ohne selbst davon erfaßt zu werden. […] Beständigkeit anderen Menschen gegenüber, die kein geringes Maß von Selbstlosigkeit voraussetzt, findet man so selten. Ich weiß, daß sie gerade Hans fehlt. Er taumelt rastlos von einem zum andern u. sucht bei ihnen, was er vielleicht bei sich suchen sollte.[7] Obwohl diese Kritik überzogen ist, trifft sie einen Teil seines komplexen und komplizierten Wesens. Dieses Buch will Hans Scholl auf seinem mäandernden Lebensweg durch wechselnde Zeiten begleiten und entdecken, wie ein Leben vollendet sein kann, auch wenn es früh endet. Wir begegnen einem Menschen, der trotz aller Schwächen zu innerer Kraft und Mut fand und damit zum Vorbild für die...


Robert M. Zoske Dr. phil., evangelischer Theologe und Publizist, war bis 2017 Pastor in Hamburg.


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