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E-Book, Deutsch, Band 2859, 134 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Herbert Das Dritte Reich

Geschichte einer Diktatur

E-Book, Deutsch, Band 2859, 134 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-77589-5
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Dieser Band bietet eine knappe Gesamtdarstellung des Dritten Reiches auf dem neuesten Fprschungsstand. Nach einer Analyse der Faktoren, die den Aufstieg des Nationalsozialismus und die Etablierung der Diktatur ermöglicht haben, ist der größere Teil des Buches den Jahren von 1939 bis 1945 gewidmet, in denen sich die deutsche Geschichte in eine europäische und welthistorische Dimension ausweitet. Klar und prägnant im Urteil informiert der Band über Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion, die deutsche Besatzungsherrschaft in Europa und die Ermordung der europäischen Juden.
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ZWEITER TEIL
«Machtergreifung»
Ausschlaggebend für die Machteroberung der Nationalsozialisten waren also vor allem zwei Faktoren: zum einen das stete Hinarbeiten der nationalkonservativen Führungsgruppen auf eine autoritäre, nicht parlamentarisch gebundene Elitendiktatur; zum anderen die Tatsache, dass nach dem abermaligen Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft ein wachsender Teil der deutschen Gesellschaft das Vertrauen in das politische System von Weimar verloren hatte und entschlossen war, radikalere und zukunftsträchtigere Alternativen auszuprobieren. So wurde am 30. Januar 1933 die neue Regierung vereidigt, der allerdings neben Hitler als Reichskanzler nur zwei weitere Nationalsozialisten angehörten. Hitlers Regierungserklärung unterschied sich in der Sache nicht wesentlich von denen seiner Vorgänger: Überwindung von Massenarbeitslosigkeit und Agrarkrise; Reform des Verhältnisses von Reich, Ländern und Kommunen; Fortsetzung der Sozialpolitik und Wiederherstellung der außenpolitischen Gleichberechtigung Deutschlands – das waren die wesentlichen Programmpunkte. Aber mit Hitler war eben kein Vertreter der alten Honoratiorenparteien und auch kein vom Reichspräsidenten abhängiger General an die Macht gekommen, sondern der Führer einer modernen, «faschistischen», Massenbewegung, deren Dynamik für beständige Beschleunigung und Entgrenzung der politischen Umwälzung sorgte. Und obwohl es sich bei der neuen Regierung eigentlich um eine Koalitionsregierung handelte, mit Ministern aus DNVP, Zentrum, «Stahlhelm» und NSDAP sowie mehreren Parteilosen, feierte die NS-Bewegung die Kanzlerschaft Hitlers wie eine Revolution. Hier war bereits zu spüren, dass die Vorstellung, man könne Hitler in dieser Regierung «zähmen» oder «einrahmen», sich schon bald als Illusion erweisen würde. Tatsächlich dauerte es nur wenige Monate, bis sich aus der Präsidialregierung Hitler die nationalsozialistische Diktatur entwickelt hatte. Ausgangspunkt waren die für den 5. März 1933 einberaumten Neuwahlen, die schon vom Terror der NS-Milizen überschattet waren. Die vom neuen Innenminister Preußens Hermann Göring zu Hilfspolizisten ernannten SA- und SS-Männer begannen in diesen Wochen gegen die Gegner der Nationalsozialisten gewalttätig vorzugehen, vor allem gegen die Kommunisten, die nun überall drangsaliert und verfolgt wurden. Dabei kam den Nationalsozialisten der Zufall zu Hilfe: Eine Woche vor den Wahlen wurde der Reichstag in Brand gesetzt, und niemand glaubte, dass der bereits wenige Stunden später als Brandstifter festgenommene holländische Maurergeselle Marinus van der Lubbe tatsächlich ein Einzeltäter war; zu gelegen kam den Nazis diese Tat. Die Regierung setzte daraufhin mit der «Reichstagsbrandverordnung» alle wichtigen Grundrechte außer Kraft. In der Folge wurden bis Ende März etwa 20.000 Kommunisten verhaftet, in Gefängnisse oder in die überall errichteten «wilden» Lager gebracht, in denen die SA ihre politischen Gegner gefangen hielt und misshandelte. Bei den unter diesen Umständen abgehaltenen Reichstagswahlen erreichten die Nationalsozialisten dann knapp 44 Prozent der Stimmen, während ihr Koalitionspartner DNVP (8 Prozent) leicht verlor. Trotz der Verfolgungswelle erhielt die KPD noch 12,3 Prozent, während sich katholisches und sozialistisches Milieu bei leichten Verlusten als stabil erwiesen. Ohne Zweifel hatte die NSDAP einen großen Wahlsieg errungen, nahezu das gesamte bürgerliche Lager aufgerollt und zudem viele Stimmen von links erhalten. Darüber hinaus hatten fast zwei Drittel der Wähler für die drei eindeutig verfassungsfeindlichen Parteien (NSDAP, DNVP, KPD) gestimmt: Die überwältigende Mehrheit der Deutschen wollte das Ende dieser Republik. Eine knappe Mehrheit wollte eine rechte Koalitionsregierung mit NSDAP und DNVP. Aber unübersehbar hatten 56,1 Prozent der Wähler nicht für die NSDAP gestimmt. Eine Option für eine Alleinherrschaft der Hitlerpartei ergab sich aus den Wahlen also nicht. Es gelang der Regierung Hitler innerhalb weniger Wochen, die verfassungsmäßige Ordnung der Weimarer Republik vollständig außer Kraft zu setzen. Sie setzte in den Ländern alle nicht nationalsozialistischen Regierungen ab, ein Gleiches geschah in den Städten. Dass dies so schnell und fast reibungslos vor sich ging, lag zum einen daran, dass die Gegner durch Gewalt, aber auch durch die Dynamik der Nationalsozialisten eingeschüchtert und gelähmt waren; zum anderen daran, dass der Schein der Legalität gewahrt und so die Loyalität der Beamtenschaft sichergestellt wurde. Auch gingen viele NS-Gegner davon aus, dass Hitler bald abgewirtschaftet haben würde und ein organisierter Widerstand gegen die Maßnahmen der Hitler-Regierung sich eher kontraproduktiv auswirken könnte – man müsse im Grunde nur abwarten. Und schließlich war der Kampf gegen die Kommunisten in weiten Teilen der Bevölkerung durchaus populär und wurde auch von jenen befürwortet, die keine Alleinherrschaft der Nationalsozialisten wünschten. So stimmten im Reichstag außer den Sozialdemokraten alle Parteien, auch das Zentrum und die Liberalen, dem «Ermächtigungsgesetz» zu. Die Stimmen der abwesenden und überwiegend bereits verhafteten kommunistischen Abgeordneten wurden als «Enthaltungen» gewertet, um so die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Damit besiegelte der Reichstag seine eigene Entmachtung. Die Reichsregierung konnte fortan nach eigenem Gutdünken Gesetze erlassen und Verträge mit ausländischen Mächten abschließen. «Die Kapitulation des parlamentarischen Systems vor dem neuen Deutschland!», schrieb der Völkische Beobachter, die Parteizeitung der Nationalsozialisten, triumphierend. «Für vier Jahre kann Hitler alles tun, was notwendig ist für die Rettung Deutschlands. Negativ in der Ausrottung der volkszerstörenden marxistischen Gewalten, positiv im Aufbau einer neuen Volksgemeinschaft.» «Volksgemeinschaft» war die zugkräftigste Parole der nationalen Revolution. Der Terminus war alt, er hatte schon seit den 1880er Jahren den Wunsch nach der «Einheit des Volkes» gegen die Klassenkämpfe der Industriegesellschaft und die Gegensätze zwischen den Konfessionen ausgedrückt. Überall in Europa, wo soziale Konflikte oder Kämpfe zwischen ethnischen Gruppen aufbrachen, wurde die Forderung nach Überwindung der inneren Spaltung, nach Schaffung der nationalen Einheit laut. In Deutschland waren diese Konfliktlinien seit dem verlorenen Krieg besonders ausgeprägt, und die Schaffung der «Volksgemeinschaft» wurde zu dem gegen Pluralismus, Arbeiterbewegung und Parteiendemokratie gerichteten Zentralbegriff des nationalen Lagers. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten schließlich wurde die «Volksgemeinschaft» zur Legitimationsvokabel der Abschaffung oder Ausschaltung all dessen, was der nationalen Diktatur entgegenstand. Bis zum Sommer 1933 wurden alle Parteien außer der NSDAP aufgelöst oder zur Selbstauflösung gedrängt. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, die großen und kleinen Interessenverbände verboten oder nationalsozialistisch dominiert, alle wichtigen Institutionen im Sinne der Ziele und Methoden der nationalen Revolution «gleichgeschaltet», wie die neuen Machthaber es nannten; wobei die meisten vorauseilend ihre Selbstgleichschaltung vollzogen – Sportverbände, Forschungsinstitute, Berufsgenossenschaften, Jugendgruppen oder philharmonische Orchester verpflichteten sich auf den neuen Staat. Die auf diese Weise propagierte «Wiederherstellung der Einheit des Volkes» war durchaus populär – jedenfalls rechts und in der Mitte: Auf diese Weise, so die Hoffnung, werde Deutschland die nationale Stärke wiedergewinnen und die seit 20 Jahren anhaltende wirtschaftliche und soziale Dauerkrise überwinden. Allerdings waren auf diese Weise auch die Institutionen und Mechanismen des Interessenausgleichs abgeschafft worden, die in Demokratien der Regelung von Konflikten dienen. Dadurch kam es in der Administration des neuen Staates schon bald zu Konflikten, weil es oft eher von zufälligen Machtkonstellationen abhing, welches Ministerium, welche Behörde oder Parteigliederung sich durchzusetzen vermochte. Das wurde bis zu einem gewissen Grad durch die herausgehobene Stellung Hitlers ausgeglichen. Nicht die Prüfung der Plausibilität der Argumente eines Ressorts oder der numerischen Stärke einer Interessengruppe war nunmehr ausschlaggebend, sondern die Nähe zu Hitler, den für sich zu gewinnen nun das ganze Trachten von Ministern, Parteifunktionären und Beamten bestimmte. Hitlers Macht ruhte auf...


Ulrich Herbert lehrte bis 2019 Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg und ist einer der prominentesten deutschen Zeithistoriker.


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