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E-Book, Deutsch, Band Band 198, 364 Seiten

Reihe: Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Köster Die Wissenschaft der Außenseiter

Die Krise der Nationalökonomie in der Weimarer Republik

E-Book, Deutsch, Band Band 198, 364 Seiten

Reihe: Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

ISBN: 978-3-647-36025-6
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: PDF
Kopierschutz: Kein



Die Nationalökonomie geriet nach dem Ersten Weltkrieg in eine tiefe Krise, die durch den Widerstreit zahlreicher Theorien, Meinungen und 'Systeme' gekennzeichnet war. Nach dem Ende der bis dahin das Fach dominierenden Jüngeren Historischen Schule gelang es der Disziplin nicht, ein neues tragfähiges Paradigma zu entwickeln. Stattdessen präsentierte sie sich als eine tief zerstrittene Wissenschaft, die keine Antworten auf die drängenden ökonomischen Probleme der Zeit geben konnte. Roman Köster analysiert diese Krise. Er zeichnet die historische Lage, mit der die Nationalökonomie konfrontiert war ebenso nach wie die Versuche, die Krise zu überwinden, und er zeigt, warum diese Bemühungen während der Weimarer Jahre scheiterten.
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1;Cover;1
2;Title Page;4
3;Copyright;5
4;Table of Contents;6
5;Body;10
6;Dank;10
7;Einleitung;12
8;1. Die Jüngere Historische Schule und ihr Ende;32
8.1;1.1 Die Jüngere Historische Schule der Nationalökonomie;33
8.2;1.2 Die Infragestellung der Historischen Schule vor dem Ersten Weltkrieg;42
8.2.1;1.2.1 Die Renaissance der Theorie;43
8.2.2;1.2.2 Kapitalismusdebatte und Werturteilsstreit;48
8.3;1.3 Das Ende der Jüngeren Historischen Schule;52
9;2. Institutionelle Herausforderungen;62
9.1;2.1 Nationalökonomie und Kriegswirtschaft;63
9.2;2.2 Die Nationalökonomie als Universitätsfach in der Weimarer Republik;69
9.2.1;2.2.1 Der Aufschwung der Nationalökonomie nach dem Ersten Weltkrieg;69
9.2.2;2.2.2 Die Einführung des Diplomexamens;73
9.2.3;2.2.3 Das Ende des Aufschwungs;77
9.3;2.3 Wirtschaftpraxis, Wirtschaftspolitik und Nationalökonomie in der Weimarer Republik;79
9.3.1;2.3.1 Das spannungsreiche Verhältnis zwischen Nationalökonomie und Wirtschaftspraxis;79
9.3.2;2.3.2 Nationalökonomie und Wirtschaftspolitik;83
10;3. Versuche zur Neubegründung der Nationalökonomie nach dem Ersten Weltkrieg;90
10.1;3.1 Die Suche nach dem neuen System: Hoffnungen und Ansprüche;91
10.1.1;3.1.1 Die fehlende Synthese und die Suche nach dem »neuen System«;91
10.1.2;3.1.2 Versuche zur Neubegründung der Nationalökonomie seit der Jahrhundertwende;94
10.1.3;3.1.3 Erklärungsansprüche;99
10.2;3.2 Cassel, Liefmann und die Neubegründung der ökonomischen Theorie;102
10.2.1;3.2.1 Gustav Cassel und die deutsche Nationalökonomie;102
10.2.2;3.2.2 Robert Liefmanns Grundsätze der Volkswirtschaftslehre;107
10.2.3;3.2.3 Die Rezeption Cassels und Liefmanns in Deutschland;111
10.3;3.3 Paradigmenverlust auf Dauer?;114
11;4. Methodendiskussionen;122
11.1;4.1 Grundlegungen der ökonomischen Theorie;124
11.1.1;4.1.1 Begründungversuche der ökonomischen Theorie vor dem Ersten Weltkrieg;124
11.1.2;4.1.2 Der Gegensatz von reiner und sozialer Theorie in der Methodendiskussion der Weimarer Republik;129
11.1.3;4.1.3 Konsequenzen des Gegensatzes von reiner und sozialer Theorie;138
11.2;4.2 Wege zu einer »anschaulichen« oder »verstehenden« Theorie;143
11.2.1;4.2.1 Anschauliche und verstehende Theorie;145
11.2.2;4.2.2 Methodologie jenseits der ökonomischen Theorie?;152
11.3;4.3 Die Methodendebatte als Krisen-Multiplikator;155
11.3.1;4.3.1 Epistemologische Klärungsarbeit als Grundlage für die Systembildung;155
11.3.2;4.3.2 Mögliche Auswege: Die Rettung in den Pragmatismus?;162
11.3.3;4.3.3 Methodendebatte und Krise;167
12;5. Soziologische Nationalökonomen;170
12.1;5.1 Zum Verhältnis von Soziologie und Nationalökonomie in den 1920er Jahren;171
12.1.1;5.1.1 Die gemeinsame Fragestellung von Soziologie und Nationalökonomie;171
12.1.2;5.1.2 Das Auseinandertreten von Gesellschafts- und Wirtschaftsbeschreibung als Forschungs- und Theorieproblem;174
12.1.3;5.1.3 Die wechselseitige Irritation von Soziologie und Nationalökonomie;178
12.2;5.2 Othmar Spanns romantischer Universalismus;181
12.2.1;5.2.1 Othmar Spann als Nationalökonom und Soziologe in der Weimarer Republik;181
12.2.2;5.2.2 Der romantischen Universalismus und seine Wirtschaftslehre;184
12.2.3;5.2.3 Die ontologische Dimension von Spanns Universalismus und seine Konsequenzen;190
12.3;5.3 Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld: »Wirtschaft als Leben«;193
12.3.1;5.3.1 Der Theoretiker des Fordismus;193
12.3.2;5.3.2 Die wirtschaftliche Dimension und die Gestaltung der Wirtschaft;196
12.3.3;5.3.3 Das Seinsrichtige in der Wirtschaft;200
12.4;5.4 Exkurs: Sprache und Charakter der »Begriffsnationalökonomen«;202
12.5;5.5 Franz Oppenheimer: Ökonomische Klassik und Monopoltheorie;207
12.5.1;5.5.1 Der Theoretiker des »Dritten Weges«;207
12.5.2;5.5.2 Reine und politische Ökonomie;211
12.5.3;5.5.3 Bodensperre und liberaler Sozialismus;213
12.6;5.6 Gesellschaftliche Realität und natürliche Ordnung;215
13;6. Aufstieg und Scheitern der Konjunkturtheorie;222
13.1;6.1 Der Aufschwung der Konjunkturtheorie in den 1920er Jahren;223
13.1.1;6.1.1 Eine junge Generation von Theoretikern;223
13.1.2;6.1.2 Der Bedeutungsgewinn der Konjunkturtheorie seit Mitte der 1920er Jahre;229
13.2;6.2 Das »Theoriedesign« der Konjunkturtheorie bis zur Weltwirtschaftskrise;234
13.2.1;6.2.1 Die Entwicklung der Konjunkturtheorie aus der Krisentheorie;234
13.2.2;6.2.2 Methodologische Probleme der Konjunkturtheorie;242
13.2.3;6.2.3 Die theoretische Form der Konjunkturtheorie Ende der 1920er Jahre;256
13.3;6.3 Das »Scheitern« der Konjunkturtheorie in der Weltwirtschaftskrise;259
13.3.1;6.3.1 Die Herausforderung der Weltwirtschaftskrise;259
13.3.2;6.3.2 Die Reaktionen der Konjunkturtheorie auf die Krise;261
13.3.3;6.3.3 Die Weltwirtschaftskrise als Prozess »fundamentalen Lernens«?;266
14;7. Kartelle, Monopole und die Zukunft des Kapitalismus;270
14.1;7.1 Grundlinien der nationalökonomischen Debatte um Kartelle und Monopole bis zur Weltwirtschaftskrise;271
14.1.1;7.1.1 Die Kartelldiskussion vor dem Ersten Weltkrieg;271
14.1.2;7.1.2 Die Kartelldebatte während der 1920er Jahre;274
14.2;7.2 Kartelle, Trusts und Rationalisierung;283
14.2.1;7.2.1 Rationalisierung und Größenwachstum der Unternehmen;283
14.2.2;7.2.2 Kartelle und Trusts als Schrittmacher oder Bremser der Rationalisierung?;287
14.2.3;7.2.3 Die Fixkostenfalle;290
14.3;7.3 Die Weltwirtschaftskrise und die »Wandlungen des Kapitalismus«;292
14.3.1;7.3.1 Strukturelle und konjunkturelle Ursachen der Weltwirtschaftskrise;292
14.3.2;7.3.2 Die Wandlungen des Kapitalismus: Planwirtschaft, starker Staat oder »dritter Weg«?;296
14.3.3;7.3.3 Die Diskussion um Kartelle und Monopole und die Krise der Nationalökonomie;304
15;Schluss;308
16;Abkürzungen;320
17;Quellen- und Literaturverzeichnis;322
18;Register;358


2. Institutionelle Herausforderungen (S. 61-62)

Die Jüngere Historische Schule wollte in den 1860er Jahren ein neues Forschungsfeld durch ihre Methoden erschließen. Allerdings waren erst nach Jahrzehnten wirklich belastbare Ergebnisse, etwa in Form der Isolierung empirischer historischer Gesetze zu erwarten. Zu dem Zeitpunkt jedoch, als ihr langfristig angelegtes Arbeitsprogramm eigentlich Früchte tragen sollte, hatte sie den Höhepunkt ihres Ansehens bereits überschritten und geriet, wie beschrieben, in die Defensive.

Der Erste Weltkrieg und die ihm nachfolgenden Ereignisse bedeuteten schließlich ihr Ende. In der »neuen und fremden Welt« (Thomas Mann), in der die Deutschen nach dem Krieg erwachten, war für langfristige Arbeitsprogramme kein Platz mehr – und damit auch für eine Arbeitsweise, die das institutionelle »Setting« des akademischen Faches Nationalökonomie vor dem Ersten Weltkrieg entscheidend bestimmt hatte.

Die Nationalökonomie war vor 1914 immer noch ein kleines Fach, eigentlich eher ein Anhängsel des staatswissenschaftlichen Studiums bzw. eine Hilfswissenschaft für Juristen und Landwirte. Schon deswegen konnten kaum überzogene Ansprüche an sie herangetragen werden. Wenn sie aber trotzdem Einfluss auf die sozialpolitische Gesetzgebung hatte, dann nicht aufgrund formeller Einbindung, sondern eher durch die Beeinflussung der öffentlichen Meinung oder dank persönlicher Beziehungen im Berliner Regierungsmilieu.

An den Tagungen des Vereins für Sozialpolitik nahmen regelmäßig höhere Regierungsbeamte teil, die auch häufig bei Veranstaltungen der 1884 in Berlin gegründeten »Staatswissenschaftlichen Gesellschaft« auftauchten.2 Weil solche Beziehungen aber eher informeller Natur waren, blieb es stets eine große Streitfrage, was sich der Verein für Sozialpolitik an den sozialpolitischen Errungenschaften seit Ende der 1870er Jahre als Verdienst zurechnen konnte, oder ob sich die Dinge ohne seine Arbeit nicht genauso entwickelt hätten. Eine solche kontrafaktische Frage lässt sich kaum sicher beantworten.

Aber auch wenn der Einfluss der »Gelehrtenpolitik«3 nicht unterschätzt werden sollte, galt die staatliche Administration doch als handlungsfähig und handlungsmächtig und holte sich Expertise, wenn, als Entscheidungshilfe. Die Entscheidungsverantwortung wurde nicht auf externe Experten abgewälzt. Hinzu kam, dass die Art und Weise der Beratung die Fixierung klarer Einflusslinien erschwert. So hatte nach Erich Schneiders Meinung Schmollers Relativismus die Beratschlagung stets verwässert und nicht gerade dazu beigetragen, dass die Regierung die Nationalökonomie besonders ernst nahm.

Wie dem auch sei: insgesamt wurden nur wenig konkrete Erklärungsansprüche an das Fach gestellt, weshalb trotz der sozialpolitischen Praxisnähe – im Verein für Sozialpolitik wurden ja stets ganz konkrete Probleme verhandelt – lange Zeit eine ausgeprägte Alltagsentlastetheit existierte. Die Behandlung sozialpolitischer Streitfragen hing von den individuellen Interessen des Forschers oder den Konferenzthemen des Vereins für Sozialpolitik ab, jedoch wurde kein sofort verwertbares Expertenwissen zur Behebung gesamtwirtschaftlicher Problemlagen verlangt. Diese Alltagsentlastetheit ging aber spätestens mit dem Ersten Weltkrieg aus verschiedenen Gründen verloren. Zum einen war dafür das skizzierte Ende der Historischen Schule verantwortlich.

Langfristige Arbeitsprogramme und die sich auf die Institutionen des Kaiserreichs beziehende Zukunftsgewissheit waren unmöglich geworden. Zum anderen spielten institutionelle Herausforderungen und Ansprüche eine Rolle, die an das akademische Fach Nationalökonomie herangetragen wurden. Das Verhältnis der Nationalökonomie zu Wirtschaft und Politik veränderte sich. Die Krise des Faches fiel dabei bezeichnenderweise mit einer gestiegenen Erwartungshaltung von außen zusammen; die Schwierigkeiten der Nationalökonomie waren auf diese Weise nicht mehr nur eine wissenschaftsinterne Schieflage, sondern auch das Problem einer Gesellschaft, die sich auf volkswirtschaftliches Wissen und volkswirtschaftliche Praktiker zunehmend angewiesen fühlte.


Köster, Roman
Dr. Roman Köster vertritt z.Z. die Professur für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Dr. Roman Köster vertritt z.Z. die Professur für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.


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