Mac Cumhaill / Wiseman | The Quartet | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 505 Seiten

Mac Cumhaill / Wiseman The Quartet

Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten

E-Book, Deutsch, 505 Seiten

ISBN: 978-3-406-78185-8
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Oxford im Zweiten Weltkrieg: Auch die Professoren und Studenten werden zum Pflichtdienst einberufen. Für vier junge Philosophinnen bedeutet das Freiheit: Mac Cumhaill und Wiseman erzählen, wie Elizabeth Amscombe, Philippa Foot, Mary Midgley und Iris Murdoch bei Kaffee und Keksen, in Pubs und Speisesälen eine neue Philosophie entwickeln, in deren Zentrum der Mensch als ein 'metaphysisches Lebewesen' steht. Nach dem Krieg gerät dieses 'Wartime Quartet' in Vergessenheit. Seine längst überfällige Wiederentdeckung ist ein engagiertes Plädoyer dafür, die Philosophie endlich als einen selbstverständlichen Ort für Frauen zu begreifen.
Die Geschichte der europäischen Philosophie ist die Geschichte der Gedanken, Visionen, Hoffnungen und Ängste von Männern, die ihre größtenteils abstrakten und individualistischen Theorien in der Abgeschiedenheit des 'Elfenbeinturms' schrieben, weit weg von den praktischen und mitunter chaotischen Anforderungen der alltänglichen Realität. Nur wenige Menschen können eine Philosophin beim Namen nennen. Das vorliegende Buch setzt dieser Situation die bisher unbekannte Geschichte von vier jungen Philosophinnen entgegen: Elizabeth Anscombe, Philippa Foot, Mary Midgley und Iris Murdoch wurden kurz nach dem Ersten Weltkrieg geboren und begannen ihr Philosophiestudium an der Universität Oxford kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Als die männlichen Professoren und Studenten eingezogen wurden, bekamen sie Unterricht von Frauen, Kriegsdienstverweigerern und geflüchteten Wissenschaftlern. In diesem Umfeld entwickelten sie eine neue Philosophie des Lebens, der Liebe und der Schönheit als Gegenmittel zum technischen, szientistischen und skeptischen Zeitgeist.
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Vorwort
Die Geschichte der europäischen Philosophie handelt normalerweise von den Gedanken, Visionen, Hoffnungen und Ängsten von Männern. Die Männer, um die es in dieser Geschichte geht, haben aber hauptsächlich ein von Frauen und Kindern ungewöhnlich isoliertes Leben geführt: «Praktisch alle großen europäischen Philosophen waren Junggesellen», schrieb die Philosophin Mary Midgley im Jahr 1953.[1] Dies war die erste Zeile in einem Manuskript für ein Radiogespräch, das sie im Auftrag der BBC erstellte, aber vom Sender letztlich abgelehnt wurde: Marys Beobachtungen über die Familienverhältnisse von Philosophen seien, wie die Produzentin urteilte, ein «triviales und irrelevantes Eindringen privater Angelegenheiten in das intellektuelle Leben».[2] Mary meinte allerdings, dass es den Solipsismus, den Skeptizismus und Individualismus, die für die westliche philosophische Tradition so charakteristisch sind, in einer Philosophie von Menschen mit einem wirklichen Leben gar nicht hätte geben können: von Menschen, die schwanger werden, Kinder großziehen und kein klösterliches Leben des Geistes führen, sondern ein soziales und körperliches Leben im intimen Austausch mit Partner:innen, Freund:innen und Geliebten. Dieses Buch erzählt eine Geschichte, in deren Zentrum vier Philosophinnen und ihre Freundschaft stehen. Mary Midgley (geb. Scrutton), Iris Murdoch, Elizabeth Anscombe und Philippa Foot (geb. Bosanquet) wurden in einer Zeit erwachsen, in der sich einige der turbulentesten Ereignisse des 20. Jahrhunderts abspielten. Geboren kurz nach dem Ersten Weltkrieg, nahmen sie ihr Studium der Philosophie an der Universität Oxford kurz nach dem Einmarsch von Hitlers Truppen in Österreich auf. Mary hielt sich sogar in Wien auf, als die deutschen Soldaten kamen – sie hatte sich auf eine Reise begeben, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, bevor sie aufs College ging, wobei ihr Lehrer ihr versichert hatte, dass sich der Aufruhr in Europa schon wieder legen werde. Sie kehrte nach Hause zurück, nachdem Schilder in den Schaufenstern aufgetaucht waren, auf denen zu lesen war: «Wenn Sie als echter Deutscher hierherkommen, dann grüßen Sie mit ‹Heil Hitler!›»[3] Die Ereignisse, die in den kommenden Jahren stattfanden, sollten die Menschheitsgeschichte verändern – Nationalsozialismus, Shoah, totaler Krieg, Hiroshima und Nagasaki. Diese Generation wurde mit Taten der Verderbtheit und des Chaos konfrontiert, die diejenigen, die vor ihnen lebten, wohl kaum für möglich gehalten hätten. Iris Murdoch hat beobachtet, dass französische und britische Philosophen anscheinend sehr unterschiedlich auf die postnazistische Situation reagierten.[4] Die Nachkriegsphilosophie und -literatur Frankreichs wird von der französischen Besatzungserfahrung beherrscht. Doch während Jean-Paul Sartres Philosophie die moralischen und politischen Implikationen der Freiheit erforschte und zu verstehen versuchte, ob Authentizität und Aufrichtigkeit für diejenigen möglich waren, die das Vichy-Regime erlebt hatten, mussten die Briten keine solche Krise durchstehen. Stattdessen kehrten die Männer Oxfords 1945 von ihrem Einsatz im Krieg zurück, krempelten die Ärmel hoch und machten dort weiter, wo sie 1939 aufgehört hatten. Die Aufgabe, die die jungen Männer vor der Unterbrechung durch den Krieg begonnen hatten, war ein kühnes Unterfangen: Das Fach, das bisher als «Philosophie» bekannt war, sollte eliminiert und durch eine neue Reihe logischer, analytischer und wissenschaftlicher Methoden ersetzt werden, die als «logischer Positivismus» bezeichnet werden. Die spekulative metaphysische Forschung – das Streben nach Wissen über die Natur des Menschen, über Moral, Gott, Wirklichkeit, Wahrheit und Schönheit – sollte im Dienste der Wissenschaft der Präzision und der Sprachanalyse Platz machen. Nur noch Fragen, die mit empirischen Methoden beantwortet werden konnten, sollten zulässig sein. «Was ist der Sinn des menschlichen Lebens?» «Wie sollen wir leben?» «Gibt es Gott?» «Ist die Zeit real?» «Was ist Wahrheit?» «Was ist das Schöne?» Metaphysische Fragen wie diese, die über die Grenzen dessen hinausgingen, was wir messen und beobachten können, wurden als «Unsinn» bezeichnet. Ebenso verbannt wurde das ältere philosophische Bild vom Menschen als einem geistigen Wesen, dessen Leben auf Gott oder das Gute ausgerichtet ist und für das die Philosophie der Versuch ist, über die grundlegende Struktur der Wirklichkeit nachzudenken. An seine Stelle trat eine Vision von menschlichen Wesen als «effizienten Rechenmaschinen»:[5] von Individuen, deren intellektuelle Kräfte es ihnen ermöglichen würden, über ihre chaotische animalische Natur hinauszugehen, um damit eine ansonsten rohe und gestaltlose Welt zu organisieren und zu rationalisieren. Man erklärte, dass es keine genuin philosophischen Probleme gebe; Fragen, die sich einer wissenschaftlichen Untersuchung entzogen, seien entweder lästiges Kuddelmuddel oder Fälle von sprachlicher Verwirrung. Wäre nicht der Krieg dazwischengekommen, so hätte es gut sein können, dass sich Mary, Iris, Elizabeth und Philippa den Männern angeschlossen hätten, um die schöne neue Welt einer Philosophie einzuläuten, die der Poesie, des Geheimnisses, des Geistes und der Metaphysik beraubt gewesen wäre. Oder, was wahrscheinlicher ist, sie hätten ihr Studium abgeschlossen und die Philosophie hinter sich gelassen, weil sie, wie so viele junge Frauen auch heute noch, davon überzeugt gewesen wären, dass das Fach nichts für sie sei. Stattdessen geschah etwas anderes: Die jungen Männer und die «großen Nummern» der britischen Philosophie (A. J. Ayer, Gilbert Ryle und J. L. Austin) wurden aus dem Oxforder Boden herausgerissen und in Whitehall und im Kriegsministerium wieder eingepflanzt. Unsere vier Freundinnen blieben hingegen zurück, um ihr Studium in einem aus dem Tritt geratenen Oxford zu beenden, das voll war mit Evakuierten aus London und Flüchtlingen vom Kontinent. Und die Philosophie erwachte wieder zum Leben. Die alten Metaphysiker konnten wieder von Poesie, Transzendenz, Weisheit und Wahrheit sprechen. Die Kriegsdienstverweigerer fragten, was Gott und die Pflicht von ihnen verlangten. Die geflüchteten Wissenschaftler vermittelten in einer Sprache, die nicht ihre eigene war, Gelehrsamkeit und Wissen von einer Art, die Oxford nie zuvor erlebt hatte. Und die Frauen, die nun nicht mehr in Klassenzimmern voller kluger junger Männer saßen, die gerne Diskussionen gewannen, richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Welt, und zwar gemeinsam.[6] Sie interessierten sich für «die Wirklichkeit, die den Menschen umgibt – ob transzendent oder wie auch immer», sagte Iris.[7] Und sie hatten Fragen. Sehr viele Fragen. So lernten diese vier Frauen, die Philosophie auf ihre eigene Weise zu betrachten: als eine uralte Form des menschlichen Erkenntnisstrebens, die über Tausende von Jahren hinweg durch das Gespräch am Leben erhalten wurde und deren Aufgabe es ist, uns kollektiv dabei zu helfen, uns in einer riesigen Welt zurechtzufinden, die jede:n Einzelne:n von uns übersteigt. Als die jungen Männer aus dem Krieg zurückkehrten, mit ihren analytischen Methoden und ihrer Verachtung für Mysterien und Metaphysik, standen unsere vier Freundinnen mit einem einvernehmlichen «Nein!» bereit. Unser eigenes philosophisches Gespräch begann im Sommer 2013. Wir lernten uns in Genf kennen, als wir beide zu einer kleinen Gruppe von Philosoph:innen gehörten, die sich versammelten, um der Natur des Träumens auf die Spur zu kommen. Jede von uns erkannte in der anderen eine Mitphilosophin, die das Obskure, Flüchtige und Wechselhafte liebte und dazu neigte, komische Fragen zu stellen. Bald entdeckten wir, dass wir beide über den Zustand der akademischen Philosophie gleichermaßen verzweifelt waren, einer Disziplin, in der wir beide Fuß zu fassen versuchten. Wir wussten, dass wir, wenn wir weitermachen wollten, eine Möglichkeit finden mussten, Philosophie auf eine engagiertere, kreativere und offenere Weise zu betreiben. Wir waren davon gelangweilt, Männern zu lauschen, die über Bücher von Männern über Männer sprachen, und wollten gemeinsam philosophieren, als Freundinnen. Wir waren auf der Suche nach einer Geschichte, die uns dabei helfen konnte. Dann, am 28. November, erschien im Guardian ein Brief mit der Überschrift «Das goldene Zeitalter der weiblichen Philosophie». Er stammte von einer «Mary Midgley», ein Name, der uns bekannt vorkam, der aber nicht der einer Philosophin war, deren Werke auf den Lehrplänen der Universitäten auftauchten oder in den führenden Fachzeitschriften diskutiert wurden. In diesem Brief legte Mary die Grundzüge der Geschichte dar,...


Clare Mac Cumhaill [auszusprechen wie "Mac Cool"] ist Associate Professor für Philosophie an der Durham University. Zusammen mit Rachael Wiseman leitet sie das Projekt "In Parenthesis", das die Philosophie von Elizabeth Anscombe, Philippa Foot, Mary Midgley und Iris Murdoch erforscht.

Rachael Wiseman lehrt Philosophie an der University of Liverpool.


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