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E-Book, Deutsch, 226 Seiten

Putz Die Leidenschaft des Königs

Ludwig I. und die Kunst

E-Book, Deutsch, 226 Seiten

ISBN: 978-3-406-67016-9
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Wie wirkmächtig die Leidenschaft Ludwigs I. für die Kunst war, lässt die Würdigung des Parlamentsausschusses in London im Jahr 1836 erahnen, die Bayern als „classic country of the arts“ adelte. Hatte Ludwig bereits als Kronprinz im Rahmen seiner Möglichkeiten keine Kosten gescheut, Kunstwerke zu erwerben und Künstler zu fördern, so geriet ihm als König die Kunst zur Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Er hatte mit einem klaren Blick für die politischen Realitäten in Europa erkannt, dass Bayern niemals im Konzert der Mächte Frankreich, England, Österreich, Russland und Preußen würde mithalten können – nicht zuletzt weil dem Königreich dafür die machtpolitische Größe und militärische Potenz fehlte. Seiner Einsicht, auf diesem Feld die Konkurrenz gar nicht erst zu suchen, sondern sich der Förderung der bildenden Künste zu verschreiben, verdanken Bayern und insbesondere München zahllose Meisterwerke der Architektur, Plastik und Malerei. Stellvertretend dafür seien an dieser Stelle nur das weltweit erste als solches geplante und gebaute Museum für Antiken – die Glyptothek –, die Ruhmeshalle mit der Bavaria-Statue auf der Theresienwiese und die Schönheitengalerie erwähnt. Die Künstler, die es aus allen Teilen Deutschlands nach München zog, dankten es ihrem Förderer mit zahlreichen Huldigungsadressen und Festen – auch wenn sie vielfach darunter litten, dass der König immer wieder höchstpersönlich in ihren schöpferischen Prozess eingriff. Denn an seiner eigenen künstlerischen Kompetenz hegte der Mäzen und Monarch keinen Zweifel. Das führte mitunter zu harten Auseinandersetzungen selbst mit renommierten Größen wie beispielsweise dem Baumeister Leo von Klenze oder dem Maler Peter von Cornelius.
Von all dem erzählt die Historikerin Hannelore Putz in ihrem gleichermaßen lebendig und kenntnisreich geschriebenen Buch, in dem sie sich auf einen König konzentriert, der den bildenden Künsten eine hervorragende Rolle in seinem Leben zubilligte – und der dafür mehr als die Hälfte seiner privaten Einnahmen aufwandte.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Inhalt;5
5;Widmung;6
6;Vorwort;7
7;Einleitung;9
8;1. «Der Sinn für Kunst war in mir aufgegangen»;17
9;2. Sammeln und Bauen – Aspekte ästhetischen Vergnügens;42
10;3. Bayern – Monarchische Prägungen;85
11;4. Das Geld – Der «nervus rerum» der Kunstförderung;117
12;5. Motive;165
13;Nachbetrachtungen;190
14;Quellen und Literatur;199
15;Anmerkungen;206
16;Bildnachweis;213
17;Personenregister;214
18;Tafelteil;218
19;Zum Buch;226
20;Über den Autor;226


1.
«DER SINN FÜR KUNST WAR IN MIR AUFGEGANGEN»
Mitte November 1804 begab sich der bayerische Kurprinz Ludwig zum Abschluss seiner Ausbildung auf eine ausgedehnte Bildungsreise über Österreich und Oberitalien nach Rom. Unter der Aufsicht seines Erziehers Joseph Anton von Kirschbaum und in Begleitung des Freundes Karl Graf von Seinsheim absolvierte er eine straff organisierte Besichtigungstour, die sowohl kulturelle als auch technisch-informative Programmpunkte umfasste. In Traunstein etwa sah er sich die Soleleitung an und ließ sich über die Salzgewinnung in Kenntnis setzen. In Salzburg nahm er ein ausgedehntes Besichtigungsprogramm wahr, auf Schloss Ambras beeindruckte ihn die dortige Harnisch-Sammlung. In seinem Tagebuch schrieb der Kurprinz regelmäßig über seine Eindrücke. Erst mit dieser Reise begann eine kontinuierliche Selbstreflexion im Tagebuch, die der Monarch bis in seine letzten Lebensjahre mit nur sehr wenigen Unterbrechungen fortsetzte. Aus den sehr zeitnahen Bemerkungen ist zu entnehmen, dass ihn die technischen Vorführungen interessierten, er den Aufenthalt in Salzburg als sehr «vergnügt» empfand und die Sammlung im Ambraser Schloss wiederum vor allem als «Geschichtszeugnis» wahrnahm.[1] Gedanken über Künstler und Kunstobjekte als solche sucht man dagegen vergebens. Anfang Dezember 1804 erreichte die Reisegruppe endlich Venedig. Die Tage waren angefüllt mit Besichtigungen: des Caffè Florian, des Palazzo Grimani, Tintorettos Gemälde in Madonna ­dell’Orto. Schließlich, am Nachmittag des 13. Dezember 1804, stand die Kunstsammlung im Palazzo Albrizzi am Campiello Albrizzi in der Nähe des Campo S. Polo auf dem Programm des gerade 18-jährigen Ludwig. Es handelte sich dabei wohl zunächst um einen Termin unter vielen. Doch dann betrat Ludwig den Raum, in dem die «Hebe» des damals in ganz Europa gerühmten Bildhauers Antonio Canova gezeigt wurde. Die Skulptur zeigt die Tochter des Zeus und der Hera, die ewige Jugend schenkte, in einem Moment, in dem sie schwebend über die Wolken gleitet und den Göttern Ambrosia und Nektar reicht (Abb. 3). Unerwartet veränderte sich der Charakter dieses Besuches. Im Tagebuch rang Ludwig, noch unter dem Eindruck dieses Erlebnisses stehend, mit den Worten: «Der Graf Albrizzi besitzt eine schöne Engl. Kupferstichsammlung, Gypsabgüsse von Statuen und Bareliefs von Canova, eine nicht sehr große aber mit trefflichen Werken geschmückte Büchersammlung; aber was ist dieses alles gegen seine Hebe von Canova; sehen, hingerissen erhoben in die geistig ‹schönen› Regionen war nur eines bei mir. Eine ½ Stundte konnte ich mich nicht von ihr entfernen; selbst nach dieser Zeit als ich in die Bibliothek gegangen war konnte ich nichts mit Aufmerksamkeit in ihr betrachten. Wie ein Magnet zog mich dieses Ideal an sich; ich mußte umkehren ich konnte mich nicht verweilen wo Hebe nicht war […] ich mußte zu ihr, und staunen was der Mensch vermag; o wahr ist es, das[s] er Gottes schönstes Geschöpf ist. Ein solches Wesen wie diese Hebe hat auf dieser Erde nie gelebt, ist gegenwärtig nicht auf ihr, zu finden und wird es nie in der Zukunft sein. Der sich bei dem Anblick dieser Statue nicht von der Erde erhoben fühlt, der noch im Stande ist an sinnliche Sachen zu denken; o der ist nicht würdig einen einzigen Blick auf sie zu werfen. Mit Mühe riss ich mich von dem Anblick dieses Ideals, daß so sehr gemacht ist, das Irdische vergessen zu machen los, um wegzugehen.»[2] Das Kunsterlebnis scheint den 18-Jährigen innerlich zutiefst angerührt und verändert zu haben. So zumindest will er es in seinem Tagebuch erinnert wissen. Dabei fällt auf, dass Ludwig zu beschreiben versuchte, welche «Wirkung» das Kunstwerk in ihm hervorgerufen habe. Er sah sich zunächst außerstande, die «Hebe» zu verlassen, konnte sich auf die anschließend besichtigte Bibliothek nicht konzentrieren und musste noch einmal zurückkehren. Die «Hebe» erschien ihm als so jung, rein und makellos, dass er es für unmöglich hielt, in ihrer Gegenwart an etwas allein Menschlich-Sinnliches zu denken. Nur mit größter Kraftanstrengung schaffte er es schließlich, in die Realität zurückzukehren. Canovas «Hebe» vermochte es, so Ludwig, in ihm einen Verschmelzungsprozess von Geistigem und Sinnlichem auszulösen, «in dem die Seele des Betrachters in die höheren Sphären des Kunstwerks emporgehoben und so geläutert wird».[3] Und tatsächlich fühlte sich Ludwig nach diesem Besuch verändert; sein ganzes Leben lang berief er sich auf die Begegnung mit diesem Kunstwerk, sie verlor sich nie mehr aus seiner aktiven Erinnerung. 3 – Antonio Canova, Hebe, 1796 (Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie) Es ist nicht zu klären, ob Ludwigs Blick bereits vorgeprägt war, er dieses Kunsterlebnis sozusagen erwartete und damit zumindest unterbewusst beförderte. Künstler und Kunstschriftsteller wie Gottfried Seume hatten die «Hebe» Canovas bereits hymnisch gefeiert. In Ludwigs Besitz befand sich mit der Schrift von Vittorio Barzoni aus dem Jahr 1803 eine ausführliche Beschreibung des Werks. Es kann also sehr gut sein, dass er den Palazzo Albrizzi schon mit einer gewissen Erwartungshaltung betreten hatte. Gleichwohl war keineswegs vorauszu­sehen gewesen, dass die Begegnung des 18-jährigen Kurprinzen mit der Schöpfung Canovas zum lebensverändernden Kunsterlebnis geraten würde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Künstler und Kunstobjekte, mithin das Leben mit der Kunst keinen wesentlichen Raum in Ludwigs Leben eingenommen. Vielmehr waren Erfahrungen von Revolution, Krieg, Flucht, persönlichen Schicksalsschlägen und politischer Instabilität dominierend gewesen. Nichtsdestoweniger geriet gerade dieses Erlebnis in Venedig zum dauernden Bezugspunkt seiner Begeisterung für die Kunst. So ließ er in den ersten Band seiner Gedichte, der 1829 erschien, das Sonett aufnehmen, in dem er seine Begegnung mit der «Hebe» reflektierte. Darin heißt es programmatisch: «Der Sinn für Kunst war in mir aufgegangen.» Auch in dem Manuskript seiner Auto­biographie, die er in den 1830er Jahren zu schreiben begann, reflektierte er einmal mehr jenes Erlebnis in Venedig. Ludwig war am 25. August 1786 in Straßburg zur Welt gekommen.[4] Dort stand sein Vater Max Joseph, ein nachgeborener Prinz aus dem Haus Zweibrücken, als Kommandeur eines Regiments in französischen Diensten (Abb. 4). Als der glückliche Vater seinen Erstgeborenen präsentierte, jubelten die Offiziere dem Neugeborenen begeistert zu und schenkten dem Vater eine Matratze für den Säugling, die mit den Barthaaren der Soldaten gefüllt war. Ludwig XVI. von Frankreich übernahm die Patenschaft für den kleinen Prinzen und schickte großzügige Geschenke: Für den Täufling gab es ein Bouquet erlesener Brillanten im Wert von 80.000 Livres. Der Vater erhielt das Oberstenpatent mit einem Jahresgehalt von 12.000 Livres, die Mutter Auguste Wilhelmine das begehrte Medaillon de France an einer goldenen Kette. Da der Knabe am Tag des heiligen Ludwig geboren wurde, sollte er nach dem Wunsch des Taufpaten auch nach diesem benannt werden. Nach dem regierenden Herzog von Zweibrücken gab man ihm außerdem die Namen Karl und August bei. Überall in Altbayern und in der Pfalz feierten die Menschen den Sprössling aus dem Hause Wittelsbach. Denn nur er garantierte die wittelsbachische Erbfolge, waren doch die beiden regierenden Fürsten des Hauses, Kurfürst Karl Theodor von Pfalz-Bayern und Karl August, der Herzog von Zweibrücken, kinderlos geblieben. In Zweibrücken, Mannheim, Heidelberg und München fanden Dankgottesdienste, Jubelfeiern und Feste statt. Ludwig stellte die Hoffnung des Kurfürstentums Bayern dar, mit ihm sollte die Integrität des Landes erhalten bleiben – gegen alle Überlegungen Karl Theodors, Teile des Landes an Österreich zu verkaufen oder diese möglichst günstig zu tauschen. 4 – Moritz Kellerhoven, Kurfürst Max IV. Joseph, um 1820 (München, Stadtmuseum) Die Französische Revolution 1789 und ihre Folgen brachen unmittelbar auch in das Leben des kleinen wittelsbachischen Prinzen ein. Als das Militär Max Joseph im August 1789 in Straßburg verhaften wollte, entkamen er und seine Familie nur knapp. Für die folgenden Jahre ließ sich die Familie in Mannheim nieder. Doch diese vermeintlich ruhige Phase darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der kleine Prinz dennoch die allgemeine Erregung und Instabilität dieser Jahre in sich aufnahm – die Auswirkungen der Revolution in Frankreich, die Hinrichtung Ludwigs XVI. und der Königin Marie Antoinette, die der Pfalzgräfin Auguste Wilhelmine in Freundschaft verbunden gewesen war, und nicht zuletzt die Gefahr des Verlustes der zweibrückischen und der kurpfälzischen Gebiete durch die vorwärtsdrängenden Franzosen. Bis zu seinem siebten Lebensjahr wurde der Prinz von seiner Erzieherin Luise Weyland umsorgt, der er bis zu ihrem Tod verbunden blieb. Dieser mütterlichen Zuneigung und Liebe, die er bei ihr erfahren hatte, versuchte er sich später immer wieder zu erinnern; noch als...


Hannelore Putz habilitierte sich über das Thema „König Ludwig I. von Bayern als Bauherr und Kunstsammler“, hat an der „Edition des Briefwechsels zwischen König Ludwig I. und Leo von Klenze“ mitgearbeitet und ist Mitherausgeberin des „Briefwechsels zwischen König Ludwig I. von Bayern und Johann Martin von Wagner“.


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