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E-Book, Deutsch, 267 Seiten

Salzborn Globaler Antisemitismus

Eine Spurensuche in den Abgründen der Moderne. Mit einem Vorwort von Dr. Josef Schuster

E-Book, Deutsch, 267 Seiten

ISBN: 978-3-7799-7040-8
Verlag: Beltz Juventa
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Seit den islamistischen Terroranschlägen von 9/11 ist weltweit eine Ausweitung und Radikalisierung von Antisemitismus festzustellen - jenseits alter Abgrenzungen zwischen den politischen Spektren. Antisemitismus ist zur globalen Integrationsideologie von Islamisten, Neonazis, Globalisierungsfeinden und Antiimperialisten geworden. Deren Hauptfeindbild heute: Israel. Samuel Salzborn analysiert diese Entwicklung, ihre historischen und theoretischen Hintergründe und plädiert für einen neuen Universalismus, der zur Grundlage für eine erfolgreiche Bekämpfung von Antisemitismus weltweit werden kann.

Samuel Salzborn, geb. 1977 in Hannover, apl. Prof. Dr., ist apl. Professor für Politikwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Psychologie und Rechtswissenschaft an der Universität Hannover, Promotion (Köln) und Habilitation (Gießen) im Fach Politikwissenschaft.
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Vorwort
Noch ein Buch über Antisemitismus? Und überhaupt, ist das Thema nicht schon ewig her? Leider – kann man nur sagen – nein, ist es nicht! Es gibt ihn noch. Antisemitismus ist gerade auch bei uns in Deutschland lebendig und grassiert sogar. Eine übertriebene Darstellung des Präsidenten des Zentralrats der Juden meinen Sie? Ich wünschte, dem wäre so. Ich wünschte, dass in der Tat „noch ein Buch über Antisemitismus“ nicht nötig wäre. Ich wünschte, dass dieser Hass gegen jüdische Menschen ein für alle Mal ein historisches Relikt darstellen würde. Antisemitismus ist aber nicht nur existent, er ist für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland auch nahezu omnipräsent. Gerade weil er die Fähigkeit hat, sich nicht nur laut und vulgär, sondern auch subtil und verklausuliert zu äußern. Sicherlich, ein offener Judenhass, wie es ihn in der nationalsozialistischen Zeit gegeben hat, ist nach wie vor tabuisiert und meist nur bei Versammlungen Rechtsextremer so freizügig anzutreffen. Antisemitismus aber hat sich entwickelt. Im Laufe der Geschichte kamen neue Facetten und Ausdrucksformen zum Vorschein. Allesamt belegen sie, dass es DEN EINEN Antisemitismus gar nicht gibt, sondern er vielmehr in einer Komplexität sein Unwesen treibt, den es als solche zu erkennen und schließlich zu bekämpfen gilt. Der Blick auf den modernen Antisemitismus erfordert das Verständnis der vorangegangenen Formen des Judenhasses. Auch aus dem Grund, weil viele der „alten“ Stereotype heute noch verwendet werden. Der klassische Antisemitismus, der sich aus christlichem Antijudaismus speist, dient vielerorts immer noch als Basis. Bilder des Juden als „Brunnenvergifter“ oder die „Ritualmordlegende“, sowie Verschwörungsmythen sind gerade auch im israelbezogenen Antisemitismus virulent. Auch der nach 1945 entstandene „Sekundäre Antisemitismus“ trifft als „Entlastungsantisemitismus“ mit seinen Schuldabwehrmechanismen und einer angewandten Täter-Opfer-Umkehr laut einer Studie des Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus des Deutschen Bundestags im Jahr 2017 immer noch auf 26 Prozent der deutschen Bevölkerung zu. Hinzu kommen neue Erscheinungsformen, wie der „Aufklärungsantisemitismus“, der religiöse Gebote und Bräuche zu verbieten versucht, wie wir es 2012 in der sogenannten „Beschneidungsdebatte“ erleben mussten. Hier wird auf eine vermeintliche Wertekollision verwiesen, die die Abwägung von religiöser Freiheit zu anderen Menschenrechten fordert. Und letztlich ist durch den israelbezogenen Antisemitismus eine weitere Facette des gleichen Menschenhasses erschienen, der vor allem in der muslimischen Gemeinschaft Zuspruch findet. Aber auch in der linken Szene wird diese Form insbesondere durch die Unterstützung der BDS-Bewegung (Boykott, Sanktionen und Desinvestition) gegen Israel genährt. Dabei stellt die BDS-Bewegung nichts anderes als ein in die heutige Zeit übersetztes „Kauft nicht bei Juden“ dar. Die übergeordnete Frage bleibt allerdings: Wie kann diese irrationale Menschenfeindlichkeit überhaupt nach der philosophischen Aufklärung und dem Ergebnis der blinden Anhängerschaft der Jahre 1933–1945 noch Bestand haben und für manche Menschen heute noch als Ideologie hinnehmbar sein? Es müsste doch unmöglich sein, dass nach sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden, nach dem größten Menschheitsverbrechen und absoluten Zivilisationsbruch, der Schoa, überhaupt noch jemand dieser Ideologie etwas abgewinnen kann. Im Antisemitismus kann man nicht von rationalen Argumenten sprechen, sehr wohl aber von rationalen Handlungen, die sich aus einem irrationalen Denkmuster ergeben. Diese zeigen sich sodann in Abwertung, Verachtung, Degradierung, Hass und Gewalt. Vielerorts steht der Antisemitismusbekämpfung als allererstes Hindernis die Negierung des Problems an sich im Weg. Antisemitismus wird weder als Problem erkannt, noch als Bedrohung anerkannt. Eine Bedrohung, die nicht nur den jüdischen Menschen gilt, sondern der Gesamtgesellschaft und unserer Demokratie. Dennoch fällt es vielen schwer, Antisemitismus als Problem anzunehmen. Verbindet man es doch oft „nur“ mit der Zeitspanne 1933–1945. So, als ob es einen Tag nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges keine Nazis mehr gegeben hätte. Am 9. spätestens am 10. Mai 1945 gab es demnach nur noch aufgeklärte und tolerante Menschen. Dass es in den Köpfen Vieler aber nach wie vor ganz anders aussah, liegt auf der Hand. Und dass die Aufarbeitung dann mühsam und in der Gesellschaft erst gute zwei Jahrzehnte später begann und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auch schmerzhafte Eingeständnisse zur Folge haben musste, war eine notwendige Konsequenz. Das Eingeständnis, dass es aber sieben Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch ein Problem gibt, das man 1945 für besiegt geglaubt hielt, ist ein nicht weniger schmerzhaftes und notwendiges Eingeständnis. Antisemitismus kleinreden hilft da am allerwenigsten. Ländervergleiche eignen sich zur eigenen Beruhigung besonders gut. Doch kann es nicht ernsthaft dem Thema und der Geschichte Rechnung tragen, Deutschland mit anderen europäischen Ländern wie Polen oder Ungarn zu vergleichen, in denen Antisemitismus in der Tat noch stärker ist. Für Deutschland muss der Maßstab gelten: Ein Antisemit ist ein Antisemit zu viel! Die Ausbreitung und die Akzeptanz von Antisemitismus, sei es als vermeintlich hartnäckiges Überbleibsel jahrhundertealter tradierter Stereotype oder als Nebenerscheinung des „Multikulturalismus“, muss mit aller Kraft entgegengetreten werden. Politisch, strafrechtlich und zivilgesellschaftlich. Nur vereint ist es möglich, diesem Hass etwas entgegenzusetzen. Und die Motivation hierfür sollte nicht etwas aus einem Schuldkomplex heraus erwachsen. Denn dieser wäre fehl am Platze, wo es doch kaum noch Angehörige der Tätergeneration gibt. Wohl aber aus einem Verantwortungsgefühl. Verantwortung gegenüber der jüdischen Gemeinschaft verbunden mit Solidarität und Verständnis für ihre Sorgen. Verantwortung aber auch gegenüber der Geschichte, der Gegenwart und der Zukunft. Wenn die Menschen wirklich die Lehren aus der Vergangenheit gezogen haben, dann können sie gar nicht anders als für eine tolerante, friedvolle und demokratische Bundesrepublik einzutreten. Antisemitismus ist wahrlich ein Angriff auf uns alle. Auf unsere demokratischen Werte und auf unser Selbstverständnis. Werte, die wir uns mühsam in den letzten Jahrzehnten erarbeitet haben, für die wir uns entschieden haben. Keiner wird als Antisemit, Rassist oder Sexist geboren. Vielmehr kommen wir als weißes Blatt auf die Welt, das je nach Erziehung und Sozialisation braune Flecken erhalten kann. Antisemitismus ist also eine persönliche Entscheidung. Aber eine Entscheidung, die man nicht nur für sich selbst trifft, sondern auch eine Entscheidung, wie man auf andere Menschen, insbesondere auf die eigenen Kinder und Familienangehörige aber auch auf die Gesellschaft als Ganzes wirken möchte. Judenfeindliche Ressentiments fallen nicht vom Himmel. Sie werden vermittelt, gelehrt und vorgelebt. Antisemitismus ist daher auch eine unterlassene Bürgerverantwortung – eine Verantwortung, die jedem Bürger obliegt für ein friedliches und respektvolles Miteinander einzutreten und dies für unsere nächsten Generationen zu bewahren. Doch Antisemiten entziehen sich dieser Verantwortung auf schlimmste Weise. Ihr ideologischer Kompass ist lediglich gepolt auf Hass und Abwertung Anderer. Dem etwas entgegenzusetzen kostet Kraft und mitunter Mut. Es ist nicht immer leicht, sich gegen eine Masse Gleichgesinnter zu stellen. Aber es zählen schon kleine Gesten. Es fängt beispielsweise schon im Familien- oder Freundeskreis an. Einer Äußerung, die ja „gar nicht so gemeint war“, zu widersprechen und diese als inakzeptabel und politisch, sowie moralisch inkorrekt zu werten. Auch wenn es der Freund, die Tante oder der Chef gesagt hat. Wir erleben tagtäglich Tabu-Brüche, die zum einem mit dem Erstarken der Rechtspopulisten in Deutschland und Europa zusammenhängen, zum anderen aber auch mit einer Verrohung der Sprache, die das bisher Unsagbare sagbar macht. „Man wird ja nochmal sagen dürfen …“ – das hört man nicht mehr nur an rechten Stammtischen. Diese Einleitung dient der vorangegangenen Rechtfertigung für antisemitische oder rassistische Äußerungen, die folglich jeglicher Kritikfähigkeit entzogen werden. Ebenso hat die Corona-Pandemie die Ausbreitung des „Virus“ Antisemitismus befeuert. Corona-Leugner bedienen sich antisemitischer Verschwörungsmythen und stellen die Maßnahmen gegen die Pandemie in eine Reihe mit der antijüdischen Politik der Nationalsozialisten. Hinzu kommt, dass im Deutschen Bundestag eine Partei sitzt, in der es nach meiner Auffassung...


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