Schramek / Steinfort-Diedenhofen / Kricheldorff | Diversität der Altersbildung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 268 Seiten

Schramek / Steinfort-Diedenhofen / Kricheldorff Diversität der Altersbildung

Geragogische Handlungsfelder, Konzepte und Settings

E-Book, Deutsch, 268 Seiten

ISBN: 978-3-17-040758-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In den letzten Jahren hat sich die geragogische Praxis stark ausdifferenziert und professionalisiert. Vor diesem Hintergrund werden in diesem Buch bewährte wie innovative Konzepte und Methoden zu Lernen und Bildung im Prozess des Alterns, für das Alter und mit älteren und alten Menschen zusammengeführt. In zahlreichen Fachbeiträgen werden diverse Handlungsansätze für die Implementierung von Lern- und Bildungsprozessen vorgestellt. Diese formen die derzeitige Bildungspraxis angesichts neuer Herausforderungen, auch durch die Digitalisierung oder die Corona-Pandemie angestoßen. Die Beitragenden zeigen auf diese Weise die gegenwärtige Vielfalt der Altersbildung auf.
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1          »Begleitung« als Basiskonzept und Praxis der Geragogik – Zur Bedeutsamkeit von Lernmotivationen und dem Prinzip der Wechselseitigkeit
Elisabeth Bubolz-Lutz
Neben Beratung ist »Begleitung« sowohl ein zentrales geragogisches Konzept als auch ein wirksames Format in der Praxis der Altersbildung. »Begleitung« zielt auf einen gestalteten persönlichen Kontakt, ist also im Kern nicht nur als »Lernimpuls«, sondern als »Beziehungsarbeit« zu verstehen. Sie realisiert sich in Gesprächen, im Trösten, im Zuhören und Unterstützen vor allem im nachbarschaftlichen Miteinander, in der Quartiersentwicklung, in Seniorenzentren und -treffpunkten und im Freiwilligen Engagement. Im Fokus stehen zwar Personen im fortgeschrittenen Lebensalter, dennoch geschieht Begleitung zumeist im intergenerationellen Austausch. Das Begleitungsgeschehen ist auch nicht nur auf Zweierbeziehungen beschränkt – auch Gruppen wie Selbsthilfe- und Lerngruppen können begleitet werden. Der Beitrag geht der Frage nach, welche Erfahrungen mit Begleitung in den o. g. Handlungsfeldern vorliegen und welche konzeptionellen Ansätze hier Orientierungen bieten können. In der Geragogik ist ein praxeologisches Vorgehen von Beginn an etabliert. Deshalb geht es nicht nur um die Frage, welche Konzepte sich wie umsetzen lassen, sondern auch darum, von den Erfahrungen der Praxis zu lernen und zu fragen, welche Impulse sie zu einer weiteren Konzeptentwicklung in der Geragogik geben können. Während es sich bei Beratung um eine Interventionsform handelt, die im professionellen Kontext angesiedelt ist, geschieht »Begleitung« sowohl im Kontext organisierter Altersbildung als auch im Alltäglichen und in den »intermediären Kontexten« von sog. offener und auch zugehender Seniorenarbeit. Hier sind hierarchische Strukturen eher selten und oftmals sind nicht einmal explizite Verabredungen in Zeit und Raum dazu notwendig. Insofern kann man Begleitung auch als zuweilen nicht bewusst gesteuertes »Lern- und Beziehungsgeschehen« beschreiben. Dennoch ist die Wirksamkeit von Begleitung erwiesen, und zwar aus den jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln: Sie stärkt sowohl die Begleiteten als auch die Begleitenden. Die Evaluation eines fünfjährigen Modellprojektes zur Begleitung pflegender Angehöriger konstatiert, dass sich die Angehörigen durch die erhaltene Begleitung vorwiegend in Form von kontinuierlichen Gesprächen entlastet fühlen; sie schätzen ihre eigene gesundheitliche Situation als verbessert und die häusliche Pflegesituation als stabilisiert ein (Bubolz-Lutz/Kricheldorff 2011, S. 128; Kricheldorff/Bubolz-Lutz 2013, S. 260). Wer diese Form der Begleitung erfahren hat, möchte das Angebot nicht mehr missen. Berichtet wird auf der anderen Seite von einer Vielzahl von emotionalen Gewinnen, die die Freiwilligen selbst in ihrer Begleitungstätigkeit erleben und erfahren (Kricheldorff/Brijoux 2015). Besondere Aufmerksamkeit wird der Tätigkeit des »Begleitens« im Rahmen einer sehr weit gefassten »Entwicklungsbegleitung« oder im Kontext des Lehrens und Lernens eingeräumt. Im Rahmen des bürgerschaftlichen Engagements ist gleich ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Begleitungsprofile zu finden: z. B. wenden sich Senior*innen- oder Demenzbegleitung speziell Personen im höheren Alter zu, die Unterstützung benötigen, Pflegebegleitung will hingegen pflegende Angehörige stärken (zu unterschiedlichen Engagementprofilen und ihrer Bedeutung siehe Bubolz-Lutz/Kricheldorff 2021 sowie das dazugehörige Themenheft der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 54). Auf der anderen Seite sind es ältere Menschen selbst, die sich in der Begleitung engagieren. Sie setzen nicht nur bestehende und bewährte Konzepte um, sondern sind auch in der Konzeptionsentwicklung erfolgreich. Viele der Engagierten bringen ihre beruflich erworbenen Kompetenzen ein, wollen die »Lücken schließen«, die sie im beruflichen Zusammenhängen erkannt haben, oder sind von einer Krisen- oder Notsituation selbst betroffen (gewesen) und von daher für spezielle Problem- und Bedarfslagen in Bezug auf das Älterwerden besonders sensibilisiert. Im Folgenden wird der Begleitungsansatz als ein Format (sozial-)geragogischen Denkens und Handelns begründet ( Kap. 1.1). Vorgestellt wird ein Verständnismodell, das sich an der Motivationslage der Begleiteten orientiert – sechs zentrale lern- und entwicklungsförderliche Faktoren werden benannt und erläutert ( Kap. 1.2), gefolgt von konkreten Anregungen zur Gestaltung eines an den Motivationslagen ausgerichteten Begleitungsprozesses ( Kap. 1.3). Im Rückgriff auf Aussagen zum Erleben von begleiteten Personen wird dann eine erweiterte Sicht des Begleitungsansatzes skizziert. Anhand der Beschreibungen von Befragten aus verschiedenen Quartiersprojekten wird belegt, dass Begleitung als »wechselseitiges« Geschehen erlebt wird und dass gerade in der Wechselseitigkeit die Akzeptanz und der besondere Wert von Begleitungserfahrungen liegt ( Kap. 1.4). So wird im Anschluss an drei Beispielen illustriert, wie sich »wechselseitige« Begleitungsprozesse anlegen, planen und gestalten lassen. Vorgestellt wird eine relationale Sicht auf die Tätigkeit von Begleitenden und Begleiteten, bei der die Anlässe ausschlaggebend sind, und nicht die vorgefertigten gängigen Rollenerwartungen ( Kap. 1.5). Abschließend soll ein Blick auf die Herausforderungen der Zukunft dazu ermutigen, die Entwicklungsmotivationen aller Akteure in den Blick zu nehmen und dem Aspekt der Wechselseitigkeit in der Anlage von Begleitungsprozessen mehr als bisher Raum zu geben ( Kap. 1.6). 1.1       Ausgangslage – Begleitung als Format der Altersbildung
Dass Leben im Alter »nichts für Feiglinge« ist, hat sich als Slogan im allgemeinen Bewusstsein leicht verankern können. Jedem bzw. jeder kommen sofort Assoziationen von schwierigen Anpassungsleistungen, mit denen sich der bzw. die Einzelne überfordert fühlt. Dass das Älterwerden unter günstigen Bedingungen aber auch »späte Freiheit« verspricht, die durch Eigeninitiative Wirklichkeit werden kann, ist die andere Seite der Medaille, die derzeit allerdings aufgrund der öffentlichen Diskussion der Hochaltrigen als gefährdete »Risikogruppe« aus dem Blick gerät. So fordert und ermöglicht das Älterwerden gleichermaßen das begleitet Werden und das Begleiten – unter Verweis auf das Angewiesensein des Menschen auf Ansprache, aber auch auf die Fähigkeit zu Austausch und gegenseitiger Unterstützung. Geragogische Konzepte gehen von dieser anthropologischen Prämisse aus. Sie betonen, wie wichtig es einerseits ist, menschliche Entwicklung als Ganzes zu betrachten und zu Beginn und am Ende das Angewiesensein auf Hilfe anderer als zum Leben gehörig anzunehmen. Gleichzeitig verweisen sie darauf, dass die Fähigkeit zu Zuwendung und Beziehungsgestaltung uns ebenfalls »in die Wiege« gelegt ist, dass bereits kleine Kinder soziales Verhalten zeigen und der Mensch nicht nur hilfe-, sondern auch »helfensbedürftig« ist (Dörner 2012). So gehört nicht nur die Betonung der Selbstwerdung, sondern auch das miteinander Werden zum geragogischen Grundverständnis. Vor diesem Hintergrund lassen sich sowohl die Notwendigkeit als auch die Möglichkeit von Begleitung herleiten: Mitmenschliche Begleitung zu empfangen als Zuwendung, Zuspruch, Mitgefühl, Unterstützung und Hilfe ist im Alter speziell da notwendig, wo mehrere Säulen der Identität wanken, wo körperliche wie auch finanzielle Einbußen die Lebensbalance beeinträchtigen, wo Verluste im Bereich von sozialen Bezügen und beruflicher Einbindung zu verkraften sind und Gewohnheiten, Werteinstellungen und Sinndeutungen ins Wanken geraten (vgl. Petzold 1992). Mitmenschliche Begleitung zu geben ist im Alter ebenfalls notwendig, weil es wichtig ist, gebraucht und anerkannt zu sein, eine Bedeutung für andere zu haben und sich als selbstwirksam zu erleben. Somit liegt es auf der Hand, das »Geben und Nehmen« als ein größeres Ganzes zu betrachten und »Begleitung« als eine Tätigkeit zu verstehen, die bei beiden Interaktionspartner*innen auf ähnlichen Grundmotivationen beruht und die auf Wechselseitigkeit hin angelegt ist. »Beratung« hat als ein »Basisformat« der Geragogik, die speziell auf den Aspekt des Lernens ausgerichtet ist, inzwischen Eingang in unterschiedliche Praxisfelder gefunden (vgl. Bubolz-Lutz 2003, S. 198 ff.; Schramek 2018). Hier erfährt sie jeweils spezielle Akzentuierungen und Ausdifferenzierungen – so wird z. B. in der Bildungsberatung für Menschen im Alter zwischen Expertenberatung, Beratung zur Lösung von Problemen und einer...


Dr. Renate Schramek ist Professorin an der Hochschule für Gesundheit Bochum mit den Schwerpunkten Lernprozessbegleitung, Lebenslanges Lernen, Altersbildung, Gesundheitsbildung. Dr. Julia Steinfort-Diedenhofen hat an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Fachbereich Sozialwesen, die Professur für Theorien, Konzepte und Methoden der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Geragogik inne. Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff war bis 2020 an der Katholischen Hochschule Freiburg tätig und arbeitet nun freiberuflich.


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