Süß | 'Ein Volk, ein Reich, ein Führer' | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 6172, 304 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Süß 'Ein Volk, ein Reich, ein Führer'

Die deutsche Gesellschaft im Dritten Reich

E-Book, Deutsch, Band 6172, 304 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-67904-9
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



"Ein Volk, ein Reich, ein Führer" – als im März 1938 die Kampagne für den "Anschluss Österreichs" an das Deutsche Reich auf Hochtouren lief, war dieser Dreiklang auf den Plätzen und Märkten immer wieder zu vernehmen. Er verknüpfte die Hoffnung auf soziale Harmonie mit der Sehnsucht nach nationaler Stärke und ließ gleichzeitig deutlich werden, dass hinter dem schönen Schein der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft die brutale Ausgrenzung all derjenigen lauerte, die nicht dazugehören konnten oder wollten. Rassistische Ungleichheit, so zeigt dieser beeindruckende Überblick, war das Strukturprinzip der deutschen Gesellschaft im Dritten Reich, immer weiter entgrenzte staatliche Gewalt war die zentrale Säule der neuen politischen Ordnung, und ein radikaler Antisemitismus war der Treibstoff, der die gesamte Maschine antrieb. Virtuos verwebt Dietmar Süß die konkreten Schicksale einzelner Menschen in seine Analyse und beschreibt, wie das NS-Regime das Leben der Deutschen von Grund auf veränderte.
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;304
4;Über den Autor;304
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;«Ein Volk, ein Reich, ein Führer»;7
8;I. Terror und Begeisterung;15
8.1;Was ist eigentlich ein Nationalsozialist?;15
8.2;Revolutionen;32
8.3;Partei des Volkes;41
8.4;Der deutsche Gruß;50
9;II. «Führer» und Gefolgschaft;59
9.1;Jugend für den «Führer»;59
9.2;Recht und Moral;73
9.3;Leistung, Lohn und Arbeit;84
9.4;Volkskörper;98
9.5;Glaube, Volk und «Führer»;108
9.6;Träume und Albträume;122
9.7;Feiern, reisen und marschieren;128
10;III. Kriegerische Volksgemeinschaft;149
10.1;Pogrom und Partizipation;149
10.2;Die Deutschen und der Kriegsbeginn;163
10.3;Richten, vernichten, denunzieren;174
10.4;Den Krieg regieren;190
10.5;Für den Krieg arbeiten;199
10.6;Massenmord nebenan;221
11;IV. Glauben, sterben, überleben;231
11.1;Auf der Flucht;231
11.2;Tod und Trauer;242
11.3;Hitler und seine Volksgenossen;252
11.4;Endkämpfe;260
12;Schluss;268
12.1;Dank;273
12.2;Anmerkungen;274
12.3;Bildnachweis;294
12.4;Auswahlbibliografie;295
12.5;Personenregister;301


«Ein Volk, ein Reich, ein Führer»
Was ist eigentlich ein Nationalsozialist? Und woran konnte man ihn erkennen: am Hitlergruß, am NSDAP-Mitgliedsbuch, an den aufgerissenen Augen und der Ekstase, wenn der «Führer» sprach? Schon die Zeitgenossen des Dritten Reiches trieb diese Frage um. Im englischen Exil warnte der Publizist Sebastian Haffner indes vor leichten Antworten. Einen Nazi könne man keineswegs daran erkennen, dass er in der Partei sei oder «er eine Hakenkreuzfahne aus seinem Fenster hängt. Heute tut das jeder in Deutschland.»[1] Die «wirklichen Nazis» waren aus Haffners Sicht eine «menschliche und kulturelle Kuriosität»,[2] eine «psychologische Spezies», die sich vor allem an ihrer aktiven Bereitschaft zur Misshandlung und Verfolgung der Juden erkennen lasse, jene Deutschen also, die «dieser allgemeinen und permanenten sadistischen Orgie vorbehaltlos»[3] zustimmten und dabei mitmachten. Lange hat nach 1945 die Vorstellung dominiert, Nationalsozialisten seien vor allem die «asozialen» Schläger der SA und die enge Führungsclique um Hitler gewesen: Joseph Goebbels, Heinrich Himmler, Hermann Göring, Reinhard Heydrich. Die Nationalsozialisten – das waren, wenn sie überhaupt Gesichter und Namen hatten, KZ-Kommandanten, kleinere oder größere Sadisten, die das personifizierte Böse verkörperten, gleichzeitig aber kaum etwas mit dem deutschen Bürgertum, den Akademikern und Angestellten zu tun hatten. Erst langsam hat sich das Bild um all diejenigen erweitert, die das Räderwerk der Vernichtung durch ihre bürokratischen Kenntnisse und ihre wissenschaftliche Expertise aktiv unterstützten oder zumindest dessen Ziele – ob partiell oder vollumfänglich – teilten. Die scharfe Grenzziehung zwischen den Nationalsozialisten und den Deutschen hat sich als trügerisch, oftmals als apologetisch erwiesen. Tatsächlich gab es fließende Übergänge: Anpassung und Distanz, Zwang und Begeisterung, Hoffnung und Furcht schlossen sich nicht aus, sondern waren vielfach gleichzeitig anzutreffen. Die Nationalsozialisten waren lange nur Teil eines breiten antidemokratischen Stromes gewesen. Viele bürgerlich Konservative verachteten sie wegen ihrer rüpelhaften Umgangsformen und ihrer Politik der Straße. Gleichwohl überwog das Gefühl, dass jemand dem linken Spuk der Weimarer Republik, den kommunistischen «Umtrieben» und demokratischen Experimenten, ein Ende machen müsse. Diese Kreise mochten mit manchen Entscheidungen und zwielichtigen Figuren der NSDAP unzufrieden sein oder traten ihnen gar offen entgegen. Doch die Hoffnung auf eindeutige Lösungen, die die Demokratie nicht zu bieten vermochte, ließ sie über manchen hässlichen Makel der NS-Bewegung hinwegsehen. Der Nationalsozialismus war keineswegs über die Deutschen hereingebrochen, sondern fand Unterstützung in allen sozialen Gruppen: bei Arbeitern und Bauern, kleinen Angestellten und Beamten, Studenten und Wissenschaftlern, Pastoren, Offizieren, adeligen Großgrundbesitzern und Unternehmern. Es waren vor allem die jüngeren Männer, die 1933 ihre Stunde gekommen sahen; Männer, die sich in den 1920er Jahren noch in den paramilitärischen Kreisen getummelt oder sich in der völkischen Jugend- und Studentenbewegung engagiert hatten. Diese Zwanzig- bis Vierzigjährigen waren es, die sich für das Dritte Reich begeisterten, besonders radikal in ihren Utopien waren und mit der «Machtergreifung» oft große Karrieresprünge machten. Der Nationalsozialismus war für sie Chance zum sozialen Aufstieg, die Möglichkeit, endlich großflächig den «Volkskörper» zu sanieren und die Konflikte der 1930er Jahre mit autoritären und modernen Instrumenten zu befrieden. Als im März 1938 die Kampagnen für den «Anschluss Österreichs» an das Deutsche Reich auf Hochtouren liefen, wehte über den Plätzen und Märkten immer wieder ein Spruchband: «Ein Volk, ein Reich, ein Führer». Der Dreiklang gab der Sehnsucht nach nationaler Größe einen besonderen Klang. Er erinnerte an das wilhelminische «Ein Volk, ein Kaiser, ein Reich» und verknüpfte die historische Mission nationaler Erweckung aus der Zeit der Befreiungskriege mit dem Anspruch der Nationalsozialisten, die «Schande» von 1918 zu revidieren. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft deutscher Geschichte verbanden sich – statt mit dem Kaiser nun mit dem «Führer» im Zentrum. Das machte den Slogan so populär. Die Nationalsozialisten verstanden es, aus dem nationalistischen Ideenpool der deutschen Gesellschaft eine explosive Mischung zu kreieren, die vielen vieles versprach – und ein Maximum an rassistischer Gewalt und territorialer Expansion denkbar machte. Doch was hieß das für die deutsche Gesellschaft? Wie eng verflochten waren privates Glück und kollektive Verbrechen? Brach der Nationalsozialismus alte, verkrustete Strukturen auf? Welche Rolle spielten neue Großorganisationen wie die NSDAP für den sozialen Aufstieg? Wie erlebten Junge und Alte, Männer und Frauen, Katholiken und Protestanten, Arbeiter und Bürgerliche das Dritte Reich? Welche Anforderungen, welche Entbehrungen mutete das Regime ihnen zu? Und wie wirkte sich der Krieg auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen aus? Rassismus und Gewalt, Partizipation und Leistungsideologie: Davon handelt dieses Buch. Wenn von der völkischen Gemeinschaft die Rede war, ging es keineswegs darum, die soziale Ungleichheit zu beseitigen. Im Gegenteil: Dem Führerstaat war nichts fremder als die Vorstellung, alle Menschen gleich zu behandeln. Insofern bedeutete das Jahr 1933 tatsächlich eine Revolution, nämlich eine Revolution der Beziehungen zwischen Bürger und Staat, in dem individuelle Rechte nun an die rassische Herkunft gekoppelt waren. Zur Volksgemeinschaft[4] gehörte, wer «deutschen Blutes» war. Vermeintlich wissenschaftliche Kategorien sozialdarwinistischer Auslese bestimmten über die Zugehörigkeit zur Nation und galten als neue Messlatte, um an den Wohltaten des Regimes teilzuhaben – oder systematisch ausgegrenzt zu werden. Der Rassismus zog die inneren und äußeren Grenzlinien neu – und je länger das Regime an der Macht blieb, desto radikaler wurden seine Vorstöße. Das Egalitätsversprechen einer rassisch homogenen Gemeinschaft und der sich ständig erweiternde Kampf gegen «Gemeinschaftsfremde», gegen politische Gegner, «Minderwertige» und Juden gehörten nun zu den Wesensmerkmalen der deutschen Gesellschaft. Die Geschichte der Jahre zwischen 1933 und 1945 ist deshalb vor allem geprägt durch rassistische Ungleichheit, die durch den Staat als neues Strukturprinzip der deutschen Gesellschaft etabliert wurde. Martin Broszat hat schon vor über 30 Jahren die Wirkungsmacht der Volksgemeinschafts-Parole betont und auf den «Modernitäts- und Mobilisationsappeal» der NS-Bewegung aufmerksam gemacht,[5] der versprach, alte soziale Gegensätze aufzulösen und eine bürgerlich-meritokratische, nationale Massengesellschaft zu schaffen. Sehnsucht nach mehr sozialer Harmonie gab es keineswegs nur in Deutschland, und sie war keineswegs spezifisch für faschistische Diktaturen. Doch anders als beispielsweise der im Krieg entstehende britische Wohlfahrtsstaat oder der amerikanische New Deal gründete sich das nationalsozialistische Zukunftsversprechen auf Rassismus und Gewalt. Gewalt war Teil der politischen Kultur, in der der Nationalsozialismus entstanden war; Gewalt prägte das politische Selbstverständnis, die männlichen Rituale der Bewegung und die Dynamik, mit der die Nationalsozialisten die Weimarer Republik angriffen und schließlich zerstörten. Gewalt war eine zentrale Säule der neuen politischen Ordnung seit 1933, und es gehörte zu den Wesensmerkmalen der NS-Herrschaft, staatliche und parteiamtliche Gewalt immer weiter zu entgrenzen. Das war nicht nur ein abstrakter Prozess, sondern individuell spürbar und öffentlich in der Lebenswelt sichtbar. Der Kampf um Orte und Räume spielte in der Diktatur eine wichtige Rolle: die Herrschaft über die Plätze, Straßen und Umzüge; der Versuch, die Gerichtssäle im Geist der Volksgemeinschaft umzugestalten; die neuen Lager, in denen Volksgenossinnen und Volksgenossen geschult, die «Gemeinschaftsfremden» gefoltert und ermordet wurden. Den Betrieben schenkte das Regime stets besondere Aufmerksamkeit, schienen doch hier das Unruhepotential und die Gefahr eines neuen «1918» am größten. Die Betriebe waren aber auch der Ort, an dem die Voraussetzungen für den hemmungslosen Zugriff auf die Arbeitskraft der Beschäftigten und damit für den künftigen Krieg geschaffen wurden. In der rassistischen Arbeitsgesellschaft des Dritten Reiches drehte sich alles um Produktivität und Leistung. Auch hier knüpfte der NS-Staat an vorhandene...


Dietmar Süß ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Augsburg.


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