Urban-Stahl / Jann / Bochert | Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 137 Seiten

Urban-Stahl / Jann / Bochert Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe

E-Book, Deutsch, 137 Seiten

ISBN: 978-3-497-61735-7
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Dieses Buch stellt verschiedene Beschwerdeverfahren vor und bietet Unterstützung für die erfolgreiche Einführung in unterschiedlichen Einrichtungen. Praxisbeispiele zeigen, wie durch ein gelungenes Beschwerdeverfahren die Rechte der Kinder und Jugendlichen gestärkt werden. Hinweise zu wichtigen Implementierungsschritten und Lösungsansätze für die typischen Stolpersteine helfen auf dem Weg zum individuellen und gelungenen Entwicklungsprozess. Mit Beispielen zu Beschwerdeformularen, Info-Flyern etc. als Online-Material. Die 2. Auflage wurde überarbeitet und um neue Praxisbeispiele erweitert.
Urban-Stahl / Jann / Bochert Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe jetzt bestellen!

Zielgruppe


Fachkräfte in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, PädagogInnen, SozialarbeiterInnen

Weitere Infos & Material


Einleitung zur zweiten Auflage Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe müssen die Möglichkeit haben, an der Gestaltung der Angebote und ihres Alltags mitzuwirken, Einfluss auf Entscheidungen in persönlichen Angelegenheiten zu nehmen und sich bei Sorgen, Kritik und Beschwerden an eine Vertrauensperson wenden zu können. Dieses zu gewährleisten, zu gestalten und zu sichern, ist sowohl eine fachlich-pädagogische Aufgabe von Fachkräften in der Kinder- und Jugendhilfe als auch ein in Deutschland im SGB VIII verankertes Recht von Kindern und Jugendlichen. Mit Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes am 1. Januar 2012 hat der Gesetzgeber die Bedeutung von Partizipations- und Beschwerderechten betont: Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten wurden in diesem als Voraussetzung für den Erhalt einer Betriebserlaubnis für Einrichtungen verankert. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurde diese Regelung noch einmal erweitert. Nach § 45 Abs. 2 SGB VIII ist eine Betriebserlaubnis zu erteilen, „wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn (…) 4. zur Sicherung der Rechte und des Wohls von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung eines Konzepts zum Schutz vor Gewalt, geeignete Verfahren der Selbstvertretung und Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung gewährleistet werden.“ Mit dieser Regelung soll die Entwicklung einheitlicher Standards zur Sicherung der Rechte junger Menschen und zum Schutz vor Gewalt in der Kinder- und Jugendhilfe gefördert werden. Hintergrund dieser Regelung waren die seit 2006 erfolgten öffentlichen Auseinandersetzungen mit grenzverletzendem und gewalttätigem Verhalten von MitarbeiterInnen gegenüber Kindern und Jugendlichen in pädagogischen Einrichtungen. Ausgangspunkt hierfür war die Bekanntmachung leidvoller Erfahrungen von Heimkindern in den 1950er und 1960er Jahren durch Peter Wensierski in dem Buch „Schläge im Namen des Herrn“ (2006). Hinzu kam die Aufdeckung und Veröffentlichung von Informationen über die Ausübung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in sogenannten Eliteinternaten und anderen pädagogischen Einrichtungen auch in jüngerer Zeit. Damit wurde ein Tabu gebrochen: Pädagogische Einrichtungen stellen nicht nur Schutzräume für Kinder und Jugendliche dar, sondern bergen auch Gefahren und Risiken. Das Verhältnis zwischen Kindern, Jugendlichen und ihren BetreuerInnen in pädagogischen Einrichtungen ist geprägt durch eine strukturelle Machtasymmetrie (Wolf 2007, 2010; Urban-Stahl 2018). Grenzverletzungen und Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Einrichtungen hat es immer gegeben. Viele Einrichtungen waren selbst bereits mit Vorkommnissen konfrontiert, in denen der Verdacht oder die Gewissheit über fehlerhaftes Verhalten von MitarbeiterInnen gegenüber betreuten Kindern und Jugendlichen bestand. Dennoch: Eine (fach-)öffentliche Auseinandersetzung darüber fand lange nicht statt (Fegert / Wolff 2006). Erst die sogenannten „Runden Tische“ –der „Runde Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ (2009–2011) und der „Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ (2010–2011) –führten zu intensiven Debatten über konkrete Vorkommnisse und über deren Einordnung in strukturelle Rahmenbedingungen sowie über Schutzmöglichkeiten. Beide „Runden Tische“, ebenso wie die bis Dezember 2011 amtierende „Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs“, Dr. Christine Bergmann, hoben in ihren Abschlussberichten die Bedeutung von Partizipationsmöglichkeiten und Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie von unabhängigen, einrichtungsexternen Beschwerdemöglichkeiten für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen hervor (AGJ 2010; Runder Tisch Sexueller Kindesmissbrauch 2011; Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs 2011). Mit den entsprechenden Regelungen in § 45 SGB VIII kam der Gesetzgeber 2012 (BkiSchG) und 2021 (KJSG) diesen Empfehlungen nach. Partizipation ist eine im SGB VIII verankerte Struktur- und Handlungsmaxime lebensweltorientierter Kinder- und Jugendhilfe. Viele Akteure der Kinder- und Jugendhilfe engagieren sich für eine Verankerung und Umsetzung von Beteiligung und Beteiligungsstrukturen im pädagogischen Alltag. Gleichzeitig bestehen jedoch Vorbehalte und Umsetzungsprobleme (Pluto / Seckinger 2003) wie Angst vor Machtverlust und Bedenken hinsichtlich der Abgabe von Entscheidungsbefugnissen. Nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII sind die Einrichtungen gefordert, ihre Bemühungen zur Sicherung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Alltag zu intensivieren und nachzuweisen. Beschwerdeverfahren wurden in einigen Einrichtungen bereits vor 2012 erprobt. Es gab jedoch weder eine systematische Forschung noch umfassende Veröffentlichungen zu diesen Praxen. Um den Umsetzungsprozess des Bundeskinderschutzgesetzes zu unterstützen, wurde daher von 2011 bis 2012 am Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Freien Universität Berlin im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl ein erstes Forschungsprojekt zu diesem Thema durchgeführt. Die Projektmitarbeiterinnen Susan Bochert, Nina Jann und Henriette Grapentin realisierten unter dem Titel „BIBEK – Bedingungen der Implementierung von Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ zehn Fallstudien über Prozesse der Entwicklung, Implementierung und Verstetigung von Beschwerdestellen und Beschwerdeverfahren in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurde eine erste Handreichung mit dem Titel „Beschweren erlaubt! 10 Empfehlungen zur Implementierung von Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ erstellt (Urban-Stahl et al. 2013). Mittlerweile hat sich die Diskussion und Forschungslandschaft rund um Beschwerde in der Kinder- und Jugendhilfe deutlich erweitert. Zudem gilt § 45 SGB VIII nicht nur für stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Auch andere Einrichtungen wie Kindertagesstätten und Inobhutnahmestellen bedürfen einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII und sind aufgefordert, für ihre Zielgruppe geeignete Umsetzungsformen von Beschwerdeverfahren zu entwickeln. In der vorliegenden Neuauflage wurde daher nicht nur der aktuelle Forschungsstand einbezogen, sondern es wurden über stationäre Einrichtungen hinaus neue Fallbeispiele aus anderen betriebserlaubnispflichtigen Einrichtungsformen übernommen. Die im vorliegenden Buch verwendeten Zitate stammen aus Interviews, die wir im Rahmen des Forschungsprojekts BIBEK, auf Grundlage einer Wiederholungsbefragung und der Recherche zu dieser Neuauflage mit Einrichtungsleitungen, MitarbeiterInnen, Ansprechpersonen für Beschwerden sowie mit Kindern und Jugendlichen geführt haben. Einführend stellen wir im ersten Kapitel dar, was Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind, was darin geregelt wird und warum sie eine Bedeutung für die fachliche Qualität einer Einrichtung und den Erhalt einer Betriebserlaubnis erlangt haben. Die Vielfalt der Möglichkeiten verdeutlicht: Es gibt nicht das Beschwerdeverfahren. Jede Einrichtung muss sich vor ihrem jeweiligen strukturellen, regionalen und personalen Hintergrund auf die Suche nach sinnvollen Umsetzungsformen begeben. In diesen Prozessen entstehen Dynamiken sowie Spannungs- und Konfliktpotenziale, die wir im zweiten Kapitel ausführen und diskutieren. Auf dieser Grundlage entwickeln wir im dritten Kapitel konkrete Hinweise und Vorschläge für eine konstruktive und nachhaltige Planung und Gestaltung von Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Wie dies praktisch umgesetzt wird, verdeutlichen wir im vierten Kapitel anhand von sieben Einrichtungsportraits aus unterschiedlichen Handlungsfeldern. Sie zeigen, wie die Konzeptionierung, Implementierung und Weiterentwicklung von Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren dort erfolgten, welche Such- und Entwicklungsprozesse vollzogen wurden und welche Erfahrungen die Beteiligten mit diesen Verfahren machten. In einem ausführlichen Online-Anhang sind Materialien und Instrumente der portraitierten Einrichtungen einsehbar, die zu eigenen Varianten anregen sollen. Das Buch schließt mit einem Resümee und Ausblick zu Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. In einer thematisch strukturierten Übersicht geben wir zudem Hinweise auf weiterführende Literatur zu den Themen „Beschwerde“, „Partizipation“, „Kinderrechte“ und „externe Ombudschaft“. Bei der Erstellung und Überarbeitung dieses Buches haben wir vielfältige Unterstützung erfahren. Wir danken allen Einrichtungen, die bereit waren, ihr Wissen und ihre Materialien uns und anderen...


Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl, Dipl.-Päd., lehrt Sozialpädagogik an der Freien Universität Berlin. Sie ist Mitbegründerin des Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e. V. und des Bundesnetzwerks Ombudschaft in der Jugendhilfe.
Dr. Nina Jann, Dipl.-Päd., ist akademische Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen.Susan Bochert, Dipl.-Pädagogin (Rehab.), ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Sozialpädagogik an der Freien Universität Berlin.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.