Prommer / Eichner | Fernsehen: Europäische Perspektiven | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Englisch, 316 Seiten

Reihe: Alltag, Medien und Kultur

Prommer / Eichner Fernsehen: Europäische Perspektiven

Festschrift Prof. Dr. Lothar Mikos

E-Book, Englisch, 316 Seiten

Reihe: Alltag, Medien und Kultur

ISBN: 978-3-7445-0787-5
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Für den vorliegenden zweisprachigen Band (deutsch/englisch) haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus acht europäischen Ländern mit den Produktionskontexten, der Entwicklung von neuen Genres und einer neuen Fernsehästhetik, aber auch mit Publikumsperspektiven beschäftigt, um so eine Vielfalt an europäischen Perspektiven auf das alte und gleichzeitig neue Medium Fernsehen zu bieten. Vor dem Hintergrund von Digitalisierung, Globalisierung, Second- und Multi-Screen-Umgebungen und der ständigen zeitlichen und räumlichen Verfügbarkeit der bewegten Bilder schreibt sich das Fernsehen mit seinen multiplen Facetten kontinuierlich weiter. Es reflektiert dabei aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und verleibt diese ein. Das Fernsehen mit seiner populären Anziehungskraft ist dabei sowohl nationales als auch transnationales Phänomen. Dies ist Anlass, sich mit dem Medium Fernsehen aus einer aktuellen und europäischen Perspektive zu beschäftigen.
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»Interaktion unbekannt!«
Oder: Der Einzug des Rezipienten in das Potsdamer Filmkunstwerk LUTZ WARNICKE
Ich wurde im Herbst 1991 an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) »Konrad Wolf« in Potsdam-Babelsberg immatrikuliert. Es war zugleich der erste Jahrgang, der offiziell Studienbewerber aus den westlichen Bundesländern zuließ, sofern sie die Aufnahmeprüfung im Frühjahr des gleichen Jahres bestanden hatten. Der Ansturm auf die wenigen Studienplätze war entsprechend riesig, zuvorderst (wie immer) in der »Königsdisziplin« Regie, wo immer wieder gemunkelt wurde, dass sich mehrere Hundert junge (und weniger junge) Menschen auf die damals zehn Studienplätze pro Jahr bewerben würden. Mein Studiengang hieß zu dieser Zeit noch »Dramaturgie/Film- und Fernsehwissenschaft« und war ein sogenannter Y-Studiengang mit der Möglichkeit eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Abschlusses. Die »AV-Medienwissenschaft« als eigenständiger Studiengang sollte sich erst 1993 gründen. Das ein Jahr vor meiner Immatrikulation wiedervereinigte Land war noch immer im Umbruch, doch die Lerntraditionen der HFF schienen weiterhin die alten zu sein. Die wichtigsten studiengangsübergreifenden Fächer hießen »Theorie und Ästhetik des Spielfilms« und »Filmgeschichte« mit je sechs Semesterwochenstunden. In diesen und den meisten anderen Fächern kam eine Beachtung des eigentlichen Adressaten dieser ganzen, aufwendig produzierten Filmkunst nicht vor. Die werkimmanente Sicht war das Maß aller Dinge. Wir beschäftigten uns ausführlich mit den filmspezifischen Gestaltungsmitteln wie der filmischen Einstellung, den verschiedenen Arten der Montage/des Schnitts, dem Verhältnis des szenischen Arrangements zur Montage der Einstellungen usw., ausgehend von der Grundfrage »Was ist Kino?«. Im Fach »Filmgeschichte« wurde streng chronologisch der Kanon abgearbeitet, was dazu führte, dass zu Beginn der Stummfilm auf der Basis großer anerkannter Meisterwerke durchdekliniert wurde. Unser Filmgeschichtsdozent im ersten Studienjahr pflegte seine Vorlesungen – wenn ich mich richtig erinnere – mit einigen grundlegenden historischen oder ästhetischen Merkmalen des jeweiligen gerade zu behandelnden filmhistorischen Moments zu beginnen, bis es an der Zeit war, ein Filmbeispiel hierzu zu benennen. Damit begann das Ritual. Die erste Frage an die Studierenden lautete stets: »Ist Ihnen der Film bekannt?« Da das schlichtweg nie der Fall war, folgte unweigerlich der zweite Satz: »Dann will ich Ihnen kurz den Inhalt dieses Films schildern.« Diese inhaltlichen Beschreibungen nahmen regelmäßig den Großteil der Vorlesung in Anspruch. Inwieweit diese Bezogenheit auf rein hermeneutische Verfahren und das damit verbundene völlige Ausblenden der Zuschauerseite alten Traditionen in der DDR-Geisteswissenschaft entsprach, kann ich nur vermuten. Aber dass unterschiedliche Lebenswelten und die darin eingeschlossenen Erfahrungshorizonte bei den verschiedenen Leuten die Aussagekraft (und den Propagandagehalt) eines Filmwerks entscheidend beeinflussen können, fand sich nicht unbedingt als Leitsatz in einem vorrangig auf Nivellierung setzenden sozialistischen Gesellschaftssystem wie dem in der DDR wieder, das noch bis vor Kurzem Bestand hatte. Jedenfalls führte diese Art der Betrachtung zur vornehmlichen Würdigung von stringenten Ursache-Wirkungs-Prinzipien, an die wir Studenten uns in unseren Analysen zu orientieren hatten, wollten wir unsere Prüfungserfolge nicht aufs Spiel setzen. Anders formuliert war damit gemeint, dass ein bestimmter Einsatz zuvor ganz konkret zu erfassender filmspezifischer Gestaltungsmittel nur zu einer bestimmten inhaltlichen oder wertenden Aussage bei mir und damit beim Zuschauer als solchen führen kann. Entsprechend lautete die zentral gestellte Frage zur Abschlussklausur der Vorlesungsreihe »Theorie und Ästhetik des Spielfilms«: Welche filmischen Gestaltungsmittel werden zu welchem Zweck in den gezeigten Filmsequenzen eingesetzt? Diskutiert werden durfte der Zweck nicht mehr. Ich persönlich hatte als Arbeiterkind aus der Lutherstadt Wittenberg mit dem sich hier offenbarenden Elitedenken große Schwierigkeiten. Mein Bildungshorizont war wenig bis kaum klassisch geprägt, ganz im Gegensatz zu meinen Kommilitonen, deren Eltern allesamt der Schicht der Intelligenz – wie es in der DDR geheißen hat – entstammten. Ich muss zugeben, dass mir die Entschlüsselung eines vermeintlichen Vorsatzes des Autors, warum er in den analysierten Filmwerken bestimmte filmspezifische Gestaltungsmittel auf diese konkrete Art zur Anwendung brachte, nicht immer leichtfiel, insbesondere wenn sie im Sinne des Dozenten ausfallen sollte. Diese in den Seminaren getroffenen Bewertungen und herausgearbeiteten Schlussfolgerungen bezüglich vermeintlich gemeinter Aussagen durch die Regisseure/Autoren der Filme spiegelten sehr oft nicht meine Sicht auf die Dinge wider. Popkulturelle Ansätze bzw. Schlussfolgerungen, die sich an soziologischen oder modernen kulturwissenschaftlichen Strömungen orientierten, wurden in den Lehrveranstaltungen der ersten Jahre in keiner Weise angesprochen, verfolgt oder in den ästhetischen Analysen integriert. Versuchte man dies, wurden sie als Fehler angesehen, da in den Seminaren andere Interpretationsprinzipien gelehrt wurden. Oder wie es die Dozentin für »Theatergeschichte und Drama« einmal formulierte: Jede Hochschule/Universität vertritt eine bestimmte Denktradition, die auch erzieherisch vertreten werden sollte. Studenten, die mit dieser Tradition nicht einverstanden sind, sollten die Institution wechseln. Dann kam der Herbst 1992 – Semesterbeginn – die erste Vorlesung »Filmgeschichte« im für mich zweiten Studienjahr. Uns war schon mitgeteilt worden, dass unser bisheriger Filmgeschichtsdozent die HFF verlassen hatte. An die Gründe für diesen überraschenden Wechsel kann ich mich nicht mehr erinnern. Eigentlich hätten wir mit der Filmgeschichte nach 1945 fortfahren müssen. Doch die Stimme, die jetzt die Vorlesung hielt, setzte an einem völlig anderen Punkt an. Überhaupt war es am Anfang nur diese Stimme, denn die Aula – ein ebenerdiger Raum in einer der vielen Villen am Griebnitzsee, über die sich die HFF damals verteilte – war wie immer bei Filmgeschichte überfüllt, und der neue Dozent hielt seine Vorlesung im Sitzen und nicht wie die anderen am Stehpult. Das sanfte sonore Timbre dieser Stimme erinnerte mich durch und durch an den damaligen Intendanten des RBB, Hansjürgen Rosenbauer. Allein dieser Umstand verursachte sofort einen ganz besonderen Eindruck bei mir. Rosenbauer war für mich Jahre zuvor durch seine besonnene Moderation des in den 1980er Jahren wöchentlich am Dienstag um 23.00 Uhr in der ARD ausgestrahlten »Kulturweltspiegels« zu einer prägenden auditiven Erfahrung geworden. Und diese mir so vertraute Stimme warf nun den Filmgeschichtsbegriff, wie er bisher an der HFF gelehrt worden war, völlig um und setzte ihn in einen direkten Bezug zur Rezeptionsgeschichte, die jedes Filmwerk im Laufe seines Daseins in der Welt ebenso entfaltet. Nach diesem veränderten Verständnis lässt sich das Filmwerk nicht allein auf seine innere »immanente Erzählhaltung«, wie sie der Autor im Werk angelegt sieht, reduzieren, sondern es müssen genauso die Prinzipien der ästhetischen Rezeption und Aneignung durch die diversen Publika betrachtet und bewertet werden, will man dem tatsächlichen Dasein des Filmwerks in der Welt und seiner realen An-/Verwendung innerhalb einer gesellschaftlichen oder sozialen Sphäre umfassend gerecht werden. Als dann auch noch die Einzigartigkeit des jeweiligen Werks über das Konzept der Intertextualität infrage gestellt wurde, von dem diese Stimme Hansjürgen Rosenbauers – die natürlich zu niemand anderem gehörte als zu Lothar Mikos – überzeugt war, und dass dieses Konzept immer und überall zur Wirkung kommen muss, war die Verwirrung bei vielen Studenten komplett. In den nachfolgenden Wochen waren die allesamt den Auteur-Grundsatz huldigenden Regiestudenten meines Studienjahrgangs nicht mehr so oft in der Filmgeschichtsvorlesung anzutreffen, und auch die anderen Studiengänge bis auf die Dramaturgen dünnten mehr oder weniger aus. Doch für nicht wenige Studenten war diese Eingangsvorlesung ein Befreiungsschlag, und mir persönlich verschaffte Lothar Mikos mit seinem Einstieg in die Lehrtätigkeit an der HFF eine Zukunft an dieser Hochschule, die ich ohne ihn dort sicher nicht gehabt hätte. Als 1994 mein Diplomthema, für das ich schon Lothar Mikos als Gutachter gewonnen hatte, ohne ersichtliche Begründung von meiner alten Fachrichtung Dramaturgie abgelehnt wurde, kam der Ratschlag des damaligen Leiters des neu gegründeten Studiengangs »AV-Medienwissenschaft« und späteren Präsidenten der HFF, Dieter Wiedemann, zu ihm in die Medienwissenschaft zu wechseln und dort das Diplomthema zu verwirklichen, zur rechten Zeit und ließ mich noch stärker in diese an der HFF neu begründete kulturwissenschaftliche Traditionslinie hineinwachsen. Nicht zuletzt erwuchs durch Lothar Mikos neben dem Film...


Prof. Dr. Elizabeth Prommer lehrt Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität RoStock. Sie leitet dort das Institut für Medienforschung.

Prof. Dr. Elizabeth Prommer lehrt Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität RoStock. Sie leitet dort das Institut für Medienforschung.


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