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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 88, 198 Seiten

Reihe: Praktischer Journalismus

Campenhausen Wissenschaftsjournalismus

E-Book, Deutsch, Band 88, 198 Seiten

Reihe: Praktischer Journalismus

ISBN: 978-3-7445-0272-6
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Wissenschaftsthemen sind oft schwierig – für den Konsumenten wie für den Journalisten. Zwischen verständnislosen Chefs und Fachidioten, ahnungslosen Laien und sensationshungriger Konkurrenz aus anderen Ressorts hat der Wissenschaftsjournalismus eine Sonderstellung. Er berührt alle Lebensbereiche und wird doch als Nische wahrgenommen. Dieses Buch lehrt den professionellen Umgang mit der Wissenschaft: Wie man komplexe Zusammenhänge erklärt, wie eine Quelle, wie Zahlen einzuordnen sind. Wen interviewt man und wie kommt man an die Informationen, die man braucht, um einen Artikel zu schreiben oder einen Beitrag zu produzieren? Anschauliche Beispiele zeigen, wie wissenschaftliche Veröffentlichungen gelesen und genutzt werden können und mit welchen Methoden, Regeln und Kniffen daraus ein gutes journalistisches Produkt entsteht. Das Buch thematisiert auch die wachsende Einflussnahme von PR und will dabei helfen, Informationen und Dienstleistungen aus der Industrie zu nutzen, ohne sich benutzen zu lassen. Gerade für freie Journalisten können Unternehmen wichtige Auftraggeber sein. Auch Wissenschaftler können von diesem Buch profitieren. Sie lernen beispielsweise, wie sie ihre Ergebnisse an Journalisten vermitteln, was sie von Medienleuten erwarten können – und was nicht. Die zahlreichen Stilfragen, Sprachregeln und Schreibhilfen nützen Wissenschaftlern und Journalisten gleichermaßen.
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[21]»Für die Wissenschaft ist Kommunikation unverzichtbar. Wissen, das nicht kommuniziert wird, ist wertlos.« (Ernst-Ludwig Winnacker, ehem. Präsident der DFG) 2     Wie die Wissenschaft kommuniziert
»Wissenschaftlich getestet« und »von führenden Wissenschaftlern entwickelt« sind heutzutage Werbeattribute. Vom Kauf des neuen Autos über den umweltfreundlichen Dachausbau, vom richtigen Umgang mit Topfpflanzen und renitenten Kindern, von gesunder Ernährung bis hin zur Wahl der wirksamsten Therapie – es gibt keine Entscheidung, bei der nicht wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden. Wissenschaft erklärt die Welt, sie formt sie neu – und sie ist eine Welt für sich. Wissenschaftler tüfteln aus, was das Beste für Mensch und Umwelt ist, sie entwickeln neue Technologien, neue Medikamente und testen Katalysatoren, Datennetze, Schulformen und Medikamente. So wird sichergestellt, dass wir das erwiesenermaßen Beste und nach dem Stand der Forschung Richtige bekommen. Der weltfremde Forscher, der zurückgezogen im stillen Denkerstübchen des Elfenbeinturmes schwierige Experimente zusammenknobelt, war schon immer ein Klischee. Der »Elfenbeinturm« steht für einen immateriellen Ort losgelöst von der realen Welt. Doch Forschung war immer diesseitig und ist es heute mehr denn je, weil sie von Forschungsgeldern abhängt und gleichzeitig große Gewinne verspricht. Aber auch das Image des guten, klugen Forschers, der den Dingen auf den Grund geht, bröckelt. Offensichtlich ist nicht alles, was die Wissenschaft empfiehlt, gut und richtig. Man muss gar nicht die Atom- und Neutronenbombe anführen, um die Angreifbarkeit der Forschung zu illustrieren. Manche Forschung kostet den Steuerzahler nur Geld, ohne greifbare oder nutzbare Resultate zu bringen. Einige Entwicklungen wie genmanipulierte Nutzpflanzen oder Nanotechnologie machen den Menschen Angst. Manches neue Medikament erweist sich trotz aller Studien als tödlicher Flop, und einige prominente Durchbrüche in der Wissenschaft sind dreiste Fälschungen. Um über Wissenschaft berichten zu können, muss man wissen, wie die Forschung funktioniert. Um Nachrichten aus der Welt der Forschung nach außen zu tragen, muss man wissen, wie innerhalb der Wissenschaft kommuniziert wird. [22]Wissenschaftskommunikation in der Zeitmaschine Berichte über Wissenschaft sind älter als die Medien. Auf den ersten Flugblättern nach der Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern wurden Meldungen zu Pest und Cholera verbreitet, Regeln zu Aderlass und Harnschau, Berichte von Erdbeben, zweiköpfigen Kälbern, Nordlichtern, Missgeburten und Scheintoten. Wissenschaft mag hier ein großes Wort sein für die Darstellung von allerlei Alchemistischem, Wunderbarem und Fehlgedeutetem. Das erste Publikum im 17. Und 18. Jahrhundert war die höfische Gesellschaft. Ihr führten Naturforscher ihre Experimente vor, die möglichst mit Überraschungen unterhielten. Im 18. Jahrhundert bildeten sich die Akademien als Orte der Forschung und damit der wissenschaftlichen Kommunikation heraus. Je komplexer der Versuchsaufbau und je sensibler die Instrumente wurden, desto mehr wanderte die Forschung in Labors. Das Publikum musste draußen bleiben; die Phänomene konnten nicht mehr demonstriert werden, sondern wurden berichtet. In diese Zeit fällt die Aufspaltung der Berichterstattung in eine primäre, die sich an Wissenschaftlerkollegen wendet, und die sekundäre an das Laienpublikum. Auch die fachspezifischen Ausdrucksweisen bilden sich in dieser Zeit heraus. Im frühen 19. Jahrhundert erlebt die Wissenschaftskommunikation einen Boom: »Man« hört in naturkundlichen Vereinen wissenschaftliche Vorträge an, sammelte Mineralien und Pflanzen und hält sich populärwissenschaftliche Zeitschriften im Abonnement. Der Nutzen der Forschung ist offensichtlich: Elektrisches Licht und immer bessere Medizin dokumentieren den Fortschritt. Seitdem schwindet die Bedeutung des Laienpublikums für die Forschung dahin. Das breite Publikum gilt als unwissend – die Forschungskommunikation findet fast ausschließlich unter Fachkollegen statt. Relativitätstheorie und Quantenmechanik beflügeln keine Fortschrittsphantasien mehr, sondern lassen die Öffentlichkeit in ungläubiger Verständnislosigkeit außen vor. Spätestens in den 50er-Jahren schlägt die Faszination der Forschung in Skepsis um. Kernenergie und rabiate Eingriffe in die Landschaft lassen das Misstrauen wachsen. Heute bringen Massenmedien die Wissenschaft wieder einer breiten Öffentlichkeit nahe, aber nicht mehr für erbauliche Teilhabe. Sie nehmen auch keine Forschungsberichte mehr aus der Wissenschaft entgegen. Längst sind die Medien kommerzialisiert und behandeln die Wissenschaft als einen Bereich unter vielen, der immer dann zum Tragen kommt, wenn er Nachrichten- oder besonderen Unterhaltungswert hat. [23]Wer forscht? 90 Prozent aller Wissenschaftler, die es in der Geschichte der Menschheit je gab, leben Schätzungen zufolge jetzt. Zu ihnen gehören Naturwissenschaftler und Geisteswissenschaftler, Theoretiker und Praktiker, Universitätsforscher und Entwickler in Unternehmen. Produktionsstätte all der Wissenschaftler ist eine europäische Erfindung: die Universität. Im Jahr 1900 studierten weltweit rund eine halbe Million Menschen, ein Jahrhundert später waren es doppelt so viele. 2007 waren 152,5 Millionen Menschen an einer Universität eingeschrieben. Natürlich wird nicht aus jedem Studenten ein Wissenschaftler, der Trend ist aber deutlich: Wissenschaft ist in jeder Hinsicht ein Wachstumsmarkt. Nimmt man das 16. Jahrhundert als Beginn der modernen Wissenschaft, so ist sie seitdem um fünf Größenordnungen gewachsen. Alle 15 Jahre verdoppelt sich die Zahl der Wissenschaftler – die Bevölkerung wächst längst nicht so schnell. Damit wächst nicht nur der Anteil der in der Forschung beschäftigten Menschen kontinuierlich, sondern auch die Menge ihrer Veröffentlichungen. Die Geisteswissenschaften sind in der damaligen Bundesrepublik zwischen 1954 und 1984/87 um rund das Siebenfache gewachsen, seit den 80er-Jahren klingt der Boom ab und die Geisteswissenschaften bleiben hinter den Naturwissenschaften zurück. Doch der Trend bleibt. Mit dem dramatischen Wachstum an wissenschaftlich Arbeitenden explodiert auch die Zahl der Veröffentlichungen. Peter Weingart nennt folgendes Beispiel: 1954 veröffentlichten 24 Anglistik-Professoren in Deutschland zwölf Bücher sowie einige Artikel in Fachzeitschriften – eine Menge, die alle Wissenschaftler in dem Bereich lesen konnten. 1984 gab es rund 300 Professoren für Anglistik, die zusammen etwa 60 Bücher und geschätzte 600 Fachartikel publizierten. Es ist klar, dass diese Mengen selbst von Fachkollegen nicht mehr bewältigt werden können (Weingart 1990). In der Folge spezialisieren sich die Anglisten und das einst homogene Fach splittert sich in zahllose Teilbereiche auf, die sich gegenseitig nur bedingt wahrnehmen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG unterscheidet derzeit 226 Fächer, genauer »aktive Fächer,« in denen also neues Wissen entsteht. In Deutschland wird an den Hochschulen sowie an außeruniversitären Einrichtungen geforscht. Das Humboldt’sche Ideal von der Einheit von Forschung und Lehre, dem die Universitäten verschrieben sind, ließ sich schwer umsetzen. Bereits um 1900 hinderten die Lehraufgaben die Professoren daran, sich so um die Wissenschaft zu kümmern, wie sie es wollten. Damit deutsche Forscher nicht den Anschluss an die Wissenschaft der USA oder Großbritanniens verlören, gründete Kaiser Wilhelm II. 1911 die außeruniversitäre Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung[24] von Wissenschaft und Forschung (KWG), die nach dem 2. Weltkrieg als Max-Planck-Gesellschaft neu konstituiert wurde. Dort widmen sich Wissenschaftler der Grundlagenforschung. Die Fraunhofer Gesellschaft konzentriert sich auf angewandte Forschung und versucht, neues Wissen schnell in innovative Produkte und Verfahren zu verwandeln. Im Jahr 2007 hat die Regierung der Bundesrepublik Deutschland 10.145,5 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Der Löwenanteil geht an die Universitäten und Hochschulen. Die Max-Planck-Gesellschaft lebt zu 50 Prozent vom Geld des Bundes, die Fraunhofer Gesellschaft zu 90 Prozent. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die wiederum Hochschulforschung fördert, wird hälftig von Bund und Ländern finanziert. Zur deutschen Forschungslandschaft gehören noch die 15 Großforschungseinrichtungen, die in der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren verbunden sind. Ihre Grundfinanzierung kommt zu 90 Prozent vom Bund. Weil Wissenschaft nicht nur Erkenntnis, sondern nutzbare Ergebnisse und damit geldwerte Entwicklungen hervorbringt, investierte die Wirtschaft 2007 43.768 Millionen Euro in die Wissenschaft. Zu den großzügigsten Forschungsförderern gehört aber immer noch der deutsche Steuerzahler. Er hat deshalb einen Anspruch darauf, gut und richtig darüber informiert zu werden, was mit seinen schönen Forschungsmillionen passiert. Forschung zum Benutzen Die Bedeutung der Forschung für Wirtschaft und Gesellschaft wird gern betont, bleibt aber meist abstrakt. Dabei verwenden wir dauernd Techniken und Produkte, die dank wissenschaftlicher Forschung entstanden sind: 1951 patentierte BASF den Kunststoff, der heute weltweit Waren schützt und Gebäude dämmt: Bei einem Experiment erschuf der Chemiker Fritz Stastny das Styropor. Zwei Jahre später fand Karl Ziegler am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in...


Jutta von Campenhausen ist Biologin und arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen. Sie ist Absolventin der Henri-Nannen-Schule in Hamburg und hat 1998 - 2010 Seminare für Wissenschaftsjournalisten an der Berliner Journalistenschule 'Klara' gegeben.


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