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E-Book, Deutsch, 311 Seiten, E-Book

Reihe: Haufe Fachbuch

Karmasin Bildmagie - Die Codes der visuellen Kommunikation

Bilderwelten und ihre Sprache entschlüsseln

E-Book, Deutsch, 311 Seiten, E-Book

Reihe: Haufe Fachbuch

ISBN: 978-3-648-15559-2
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Gerade die visuelle Kommunikation spielt in unserer mediatisierten und stark vernetzten Kultur eine hochrelevante Rolle. In diesem Buch erfahren Sie, wie Bilder und andere visuelle Elemente es schaffen, Bedeutungen aufzubauen und zu vermitteln. Relevante visuelle Strategien werden anhand vieler Beispiele aus verschiedenen Epochen nachvollziehbar erklärt. Eine gekonnte Handhabung des visuellen Codes ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil - er kommuniziert Bedeutungen, die in dieser Form verbal nicht möglich sind.

Inhalte:

- Darstellungsverfahren: Perspektive, Platzierung im Raum, Format, Lichtführung, Farbgebung und mehr
- Kombinationsverfahren: rhetorische Figuren, Erzählstrategien, Kombinationsmöglichkeiten von Text und Bild
- Konstruktion spezifischer Codes: bestimmte Bedeutungen - sakral, elitär, intim etc. - schnell und überzeugend abrufen
- Einsatz: mit visuellen Codes eine differenzierte Identität erzeugen
- Spezifische Bereiche: visuelle Codes im Netz, in der Politik und im Raumdesign
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Die magischen Qualitäten von Bildern
Eine spezifische Besonderheit des visuellen Codes, also der Vermittlung durch visuelle Elemente bzw. Bilder, ist es, dass ihm eine hoch manipulative Kraft zugeschrieben wird und zwar als Code per se. Diese Behauptung findet sich dem verbalen Code gegenüber nicht, dort nimmt man dies erst bei spezifischen Ausformungen an. »Bilder verleiten Menschen dazu, Unvernünftiges zu tun«, sagt etwa William John Thomas Mitchell (2008). Der behauptete Iconic Turn (vgl. Maar, Burda 2004) beruht ja darauf, dass immer mehr versucht wird, wesentliche Inhalte durch Bilder, nicht durch verbale Ausführungen zu vermitteln. Die dadurch bedingte Bilderflut bzw. die Reduktion wesentlicher Inhalte auf Bilder, so wird von Kulturkritikern immer wieder beklagt, führt dazu, dass wir immer unfähiger zur Reflexion werden und der Suggestivkraft von Bildern zunehmend unterliegen. In diesen Diskussionen wird also das Bild dem Wort gegenübergestellt und dem Bild wird die Rolle des Verführers und Manipulators zugewiesen, der eine große Wirkmacht besitzt, da er sich offenbar an Gefühle wendet und glauben macht, hier werde etwas unmittelbar gezeigt (»Ich habe es mit eigenen Augen gesehen«). Wie wir sehen werden, ist der visuelle Code tatsächlich schwer in der Lage, Argumentationsfiguren anzubieten: Er kann nicht Verneinungen darstellen, Fragen, Befehle, Bedingungen, spezifische Zeitzustände etc., er besitzt ganz andere Möglichkeiten. Diese bestehen im Kern darin, dass gut gemachte Bilder Emotionen ansprechen, dass sie selten rational zergliedernd dekodiert, sondern ganzheitlich emotional verarbeitet werden. Auf dieser Ebene kommt ihnen tatsächlich eine besondere Wirkmacht zu. Diese kann geradezu magische Aspekte annehmen, wie wir weiter unten ausführen werden. Bilder sind aber auch geeignet, kollektive Reaktionen auf ein soziales, politisches oder gesellschaftliches Problem herbeizuführen, das erst in einer spezifischen visuellen Verdichtung Betroffenheit auslöst und etwas verdeutlicht, das verbale Appelle allein nie leisten könnten. Kia Vahland in der Süddeutschen Zeitung vom 17 März 2021 beschreibt das so: »Ein Skandal ohne Bild erscheint Medienbenutzern vielleicht als real, aber nicht als relevant.« Man wusste, dass Flüchtlinge im Mittelmeer ertranken, aber erst das Bild des ertrunkenen Buben am Strand machte emotional betroffen. Man wusste, dass Trump Flüchtlinge an der mexikanischen Grenze unmenschlich behandelte, aber erst das Bild des schreienden kleinen Mädchens stimmte selbst seine Anhänger um. Es gibt die Meinung, dass das Bild des nackten kleinen Mädchens, das schreiend flieht, eigentlich den Vietnamkrieg beendete (Foto: Nick Ut, Napalm Girl, 08.06.1972). Jeder, der auf dem Markt der Aufmerksamkeit agiert, weiß, dass er sich um diese Wirkmacht der Bilder bemühen muss. Diese Diskussion und diese Zuschreibung einer besonderen visuellen Wirkmacht haben eine lange Geschichte, ebenso wie die Ablehnung von visueller Kommunikation.10 Bildern und visuellen Darstellungen wurden in vielen Gesellschaften und in vielen Epochen magische Wirkungen zugeschrieben. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Das Bild selbst ist »beseelt« und es hat eine besondere Wirkmacht. Stammesgesellschaften bezeichneten diese Kraft, die dem Bild innewohnt, mit einem eigenen Namen, Mana oder Orenda. Die Felsenbilder in den Höhlen von Lascaux sind nicht künstlerische Darstellungen oder nette Gestaltungen von Innenräumen, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit ein magischer Jagdzauber. Die Darstellung des Wildes zitiert quasi das reale Bild herbei. Wir kennen aus vielen Gesellschaften Totems, Fetische, Götterstatuen, die kultische Verehrung genießen. Ausgebaut ist dieser Kult etwa in den ägyptischen Götterstatuen, die in den Tempeln wie reale Körper gesalbt, gebadet, gespeist wurden und die dadurch den Gläubigen ihre Gnade zukommen ließen. Ebenso kannte das Mittelalter Bildnisse von Heiligen, speziell der Mutter Gottes, die wie lebende Personen verehrt und in Kriegszeiten und Krisen in einer Prozession durch die Stadt getragen wurden, um Unheil von der Stadt abzuwenden, so etwa die Ikone Nicopeia in Venedig.11 Wir finden dies in vielen europäischen Gnadenbildern, den Ikonen, und auf politischer Ebene in den antiken Kaiserkulten. Das Bild bzw. die Statue des Kaisers wurde im ganzen Römischen Reich verbreitet und die Untertanen hatten ihm Verehrung zu zollen, sonst wurden sie nicht als Staatsbürger anerkannt. Die Statue war gleichsam der Kaiser. Was Christen dann in große Bedrängnis brachte, weil sie nur Gott verehren durften. Diesem Phänomen liegt ein gemeinsamer Mechanismus zugrunde: Man nimmt an, dass das Abgebildete im Bild gegenwärtig ist. Semiotisch gesehen, werden Zeichen und Bezeichnetes vermischt. In der Semiotik, also der Lehre von den Zeichensystemen, unterscheidet man zwischen dem Objekt in der Realität (dem Bezeichneten, dem Referenten) und dem visuellen oder verbalen Zeichen, mit dem es bezeichnet wird. Die Lautfolge HUND ist das verbale Zeichen, das ein Objekt der Realität signalisiert: ein Säugetier, das bellt, mit dem Schwanz wedelt, in verschiedenen Rassen vorkommt – ein Hund eben. Dass dieses Tier im Deutschen mit der Lautfolge HUND bezeichnet wird, ist rein willkürlich, es ist eine Festsetzung des deutschen Sprachcodes. Im Englischen wird es mit der Lautfolge DOG benannt. Ebenso kann man das Tier mit einem Bild verdeutlichen. Der Referent, das Tier Hund, bleibt immer gleich, nur die Zeichen ändern sich, und es ist allen Beteiligten klar, dass Zeichen und Hund etwas ganz Verschiedenes sind. Niemand würde glauben, die Lautfolge HUND sei ein Hund oder das Bild eines Hundes sei ein Hund und müsse demnach gefüttert werden. Im Fall der Bilder mit Wirkmacht geschieht aber genau das. Das Bild ist die heilige Person, Zeichen und Referent sind eins.12 Dies sei kurz an dem Beispiel der Ikonen erläutert. Ikonen sind frühe religiöse Bilder, denen eine besondere kultische Verehrung zukam und die als wundertätig betrachtet wurden. Besonders bekannt sind russische Ikonen.13 Ikonen werden als Vera Icon betrachtet. Man nimmt an, dass die dargestellte Heilige oder die Gottesmutter die Hand des Künstlers geführt hat bzw. dass sie bei dem Akt der Darstellung in das Bild eingetreten ist, dass ein Teil des Göttlichen also dem Bild innewohnt und das Bild heilig, lebendig und mächtig ist und eben eine besondere Wirkmacht, hier eine Gnadenwirkung entfaltet. Diese Vorstellung geht auf das Mandylion zurück, von dem man glaubte, es zeige das Gesicht Christi. Auch das Turiner Grabtuch knüpft an diese Vorstellung an. Es wurde angenommen, dass dieses Leinentuch das wahre Gesicht Christi zeigte. Er selbst hatte sein Gesicht in das Tuch gedrückt und die heilige Veronika hatte das Tuch aufbewahrt. Dies bedeutet, dass dieses Bild nicht gemalt wurde, sondern dass es eine direkte Wiedergabe des Göttlichen war, dass ein Teil des Göttlichen darin lebte. Daher konnte es im Übrigen auch mehrfach reproduziert werden, das Göttliche übertrug sich quasi durch Berührung. Einer Ikone wurde immer die Aura des »Authentischen, Wahren und Wundertätigen« zugeschrieben.14 Heutige Bildproduzenten würden sich wünschen, Bilder mit einer solchen Wirkmacht zu schaffen, aber naturgemäß fehlt uns die kultisch-magische »Grundeinstellung« Wie wir in Kapitel 6.1 sehen werden, ist es aber möglich den Code des Sakralen zu benutzen, der darauf abzielt, Gegenstände visuell so zu inszenieren, dass sie an diese magischen Wirkungen anknüpfen. Dass wir Bildern aber eine sehr spezifische Abbildungsfunktion zuschreiben, zeigt sich an der Tatsache, dass sich die meisten Menschen scheuen, dem Bild einer bekannten Person die Augen auszustechen. Auch die Vorstellung, dass Bilddarstellungen gefährlich sind, Denken verhindern und dass man mit der Zerstörung von Bildern auch das Dargestellte, den Referenten, zerstört, hat eine lange Geschichte und findet sich bis in die Gegenwart. Wir sehen auch heute diese Akte der Bildzerstörung, etwa in den Handlungen des IS oder dem Umstürzen der Statuen von Saddam Hussein oder von Sklavenhaltern oder den Fahnenverbrennungen. Exemplarisch für diese Argumentation ist die Geschichte von Moses und Aaron. Aaron fertigt das Goldene Kalb an, eine visuelle Darstellung der göttlichen Kraft, wogegen Moses dem Verbot Gottes folgt: »Du sollst Dir kein Bildnis von mir machen!« – Er hat Gott auf seiner Seite. Der Bilderstreit beschäftigte die Theologie über Jahrzehnte. Darf man sich ein Bild Gottes machen?15 Dieser Bilderstreit hat in der Auffassung Luthers für unsere Gesellschaft bedeutende Konsequenzen. Nur das Wort allein, also das Studium...


Karmasin, Helene
Dr. Helene Karmasin ist Leiterin von Karmasin Behavioural Insights, ein führendes Institut, das auf qualitative Marktforschung, semiotische Forschung und Kommunikationsberatung spezialisiert ist.

Helene Karmasin

Dr. Helene Karmasin ist Leiterin von Karmasin Behavioural Insights, ein führendes Institut, das auf qualitative Marktforschung, semiotische Forschung und Kommunikationsberatung spezialisiert ist.


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